Die erste „normale“ – soweit ohne Beeinträchtigung durch Corona – Sommersaison seit 2019 in Spitzbergen hat begonnen. Zwar hat der Winter gerade erst begonnen, seinen frostigen Griff um die Inseln zu lösen, große Teile des Landes sind noch von Schnee bedeckt, viele Fjorde zumindest teilweise gefroren und im Norden und Osten gibt es noch eine Menge Treibeis in Svalbards Gewässern.
Aber schon seit Wochen fahren Schiffe mit Touristen auch wieder zu mehrtägigen Fahrten in Spitzbergens Küstenfahrwasser; schiffsbasierte Tagestouren laufen bereits seit März. Es ist noch gar nicht lange her, dass ein so früher Beginn der „sommerlichen“ Schiffssaison undenkbar war: Wintersaison bis etwa Mitte Mai, dann ein paar Wochen Pause mit wenig Aktivität, im Juni Beginn der Sommersaison, in der Schiffe eine Rolle spielen. So war es früher, und da muss man nicht mehr als etwa 20 Jahren zurückgehen. Seitdem wurde der Beginn der „Sommer“saison mehr und mehr nach vorn verlegt.
Nun fahren also bereits wieder mehrere Dutzend Touristenschiffe, und schon jetzt gibt es Ärger: Es zirkulieren Bilder, die Nahbegegnungen von Touristen auf Schiffen und Eisbären zeigen, und prompt schlagen die Wellen in den Medien hoch. So berichtete auch Norwegens wohl wichtigste Nachrichtenseite NRK; schon in der Überschrift heißt es, dass „die Eisbären auf Svalbard rund um die Uhr von Touristen gestört werden“.
Eisbär bei einem Schiff an der Eiskante: wer besucht hier wen? Und wer wurde verfolgt, wer wird hier gestört oder gar gefährdet? Vielleicht ja auch: keiner. (Archivbild von 2015).
Es geht um Bilder wie dieses, die Eisbären und Schiffe mit Menschen in enger Nähe zueinander zeigen. Situationen dieser Art hat es in den letzten Wochen in Spitzbergen mehrfach gegeben und nun zirkulieren die Bilder und die Meinungen gehen hoch. Auch auf offizieller Seite ist man nicht begeistert, der Sysselmester hat eine Untersuchung in Gang gesetzt.
Man ist sich einig: Brüche geltender Gesetze oder Ethik, geschrieben oder ungeschrieben, sind nicht hinnehmbar und sollten gegebenenfalls verfolgt und mit Strafe belegt werden.
Gesetzbruch, ethischer Verstoß oder völlig in Ordnung?
Die Frage ist nur: Ist es wirklich so einfach? Anscheinend ja: Journalisten (NRK) gehen mit Selbstverständlichkeit davon aus, dass die Eisbären von Touristen gestört werden, und zwar „rund um die Uhr“. Aber was zeigt ein Bild wie das obige? Das Bild, das aktuell einen wesentlichen Anstoß zur Aufregung gab, wurde vom Fotografen übrigens mittlerweile von den öffentlichen Plattformen gelöscht, aber es zeigt – von der Außenperspektive eines unbeteiligten Schiffes – eine sehr ähnliche Situation wie das hier gezeigte Bild. Ist die dargestellte Situation also problematisch oder nicht?
Ich war selbst über die Jahre etliche Male in Situationen dieser Art: Ein Schiff ist unbeweglich an der Eiskante oder im Treibeis geparkt. Ein Eisbär bekommt – im wahrsten Sinne – Wind davon. Eisbären sind von Natur aus häufig neugierig, die Neugier des Tieres wird auch in der fraglichen Situation geweckt. Der Eisbär kommt näher, manchmal sogar bis auf Nasenfühlung zum Schiff, schnüffelt am Rumpf, beäugt es mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen, während die Menschen an Bord Fotos machen. Schließlich ist die Neugier des Eisbären befriedigt und er (oder sie, auch Eisbärinnen können sehr neugierig sein) zieht seiner Wege.
Natürlich weiß man als unbeteiligter Betrachter, der vielleicht nur das Bild gesehen hat – und das trifft auf fast alle zu, die sich aktuell äußern – wenig über den tatsächlichen Verlauf des einzelnen Falles. Natürlich ist inakzeptables oder gar strafrechtlich relevantes Verhalten denkbar: Wurde der Eisbär etwa angelockt oder sogar gefüttert? Beides ist verboten und nicht akzeptabel. Solange es aber keine Informationen gibt, dass so etwas vorgekommen ist, gibt es auch keinen Grund dazu, das anzunehmen: Die bloße Anwesenheit eines Schiffes reicht aus, um bei einem Eisbär Neugier hervorzurufen, die dazu führen kann, dass er zum Schiff kommt. Das ist gar nicht ungewöhnlich und auch nicht verwerlich. Weder ist es aus meiner Sicht unethisch, da es keine Störung oder Gefährdung bedeutet (Menschen an Bord eines Schiffes sind prinzipiell sicher, es sei denn, es ist so klein, dass der Eisbär mit einem Sprung an Bord kommen kann. Das ist aber weder beim hier gezeigten Bild so noch war es so im aktuell fraglichen Fall. Ein Sprung an Bord eines Schiffes, wo Menschen an Deck sind, wäre auch ein völlig unnatürliches Verhalten; von einem Fall dieser Art habe ich noch nie gehört). Auch rechtlich ist das nach heutigem Stand nicht zu beanstanden: Im Spitzbergen-Umweltgesetz (Svalbard miljølov) heißt es in § 30: „Es ist verboten, Eisbären anzulocken, zu füttern, zu verfolgen oder mit einer anderen aktiven Handlung so aufzusuchen, dass der Eisbär gestört wird oder Gefahr für Menschen oder Eisbären entstehen kann“ (eigene Übersetzung). Und von diesen zu Recht verbotenen Handlungen kann wohl auch nicht die Rede sein, wenn ein Eisbär von sich aus ein am oder im Eis geparktes, bewegungsloses Schiff aufsucht.
Alles gut also?
Wie gesagt, natürlich sind absolut inakzeptable Szenarien denkbar, die zu Recht eine behördliche Reaktion erfordern würden. Das erscheint im fraglichen Fall aber sehr unwahrscheinlich. Im konkreten Fall, der aktuell Anstoß zur Aufregung gegeben hat, war das fragliche Schiff im Eis geparkt. Zufällig war ich übrigens in der Nähe – zu weit weg, um Details erkennen zu können, aber es war erkennbar, dass das kleine Segelboot sich über längere Zeit nicht bewegte.
Der Versuch, einen Bären im Treibeis mit einem Schiff zu folgen, wäre übrigens kaum ein realistisches Szenario für größere Störungen: Selbst im entspannten Tempo ist ein Eisbär im Treibeis deutlich schneller als die meisten Schiffe, abgesehen von Eisbrechern.
Anders sieht es aus, wenn eine Annäherung mit Motorschlitten auf gefrorenen Fjorden erfolgt, was schon lange streng verboten ist; das Fahren auf Fjordeis ist schon seit Jahren stark eingeschränkt. Auch mit kleinen, schnellen Booten im offenen Wasser sind Störungen von Eisbären, die sich auf einzelnen Eisschollen oder am Ufer befinden, denkbar. Hier muss man wohl davon ausgehen, dass nicht alle über die nötige Sensibilität verfügen, um beim ersten Anzeichen einer Störung direkt zu stoppen und ggf. abzudrehen. Eine weitere Annäherung, die zu einer Störung führt, ist schon lange verboten.
Eine solche Situation lag aber aktuell nicht vor. Woher NRK-Journalist Rune N. Andreassen wissen will, dass Touristen Eisbären „rund um die Uhr stören“, wie schon die Überschrift zu seinem oben verlinkten Artikel behauptet, verrät er nicht. Die Vermutung liegt nahe, dass hier öffentliche Empörung bedient wurde, der die sachliche Grundlage fehlt. Es leuchtet ein, dass die fraglichen Bilder fragwürdig erscheinen können, wenn der Betrachter nicht über entsprechende Erfahrung aus eigenem Erleben verfügt. Vor einem öffentlichen Urteil, das absehbar große Aufmerksamkeit erfährt, würde es aber nicht schaden, sich dem Einzelfall im konkreten Detail des Verlaufs zu widmen.
Zumal wenn die Debatte in politisch bereits aufgeheizte Zeiten fällt: Im Gespräch ist ein verpflichtender Mindestabstand von 500 (fünfhundert) Metern.
Anstatt einen Eisbären seine Neugier ausleben zu lassen, solange sie nicht zu Gefährdung führt, müsste man also mit dem Schiff wegfahren – im Bedarf auch kurzfristig und schnell – oder aber den Bären mit Lärm verscheuchen, etwa mit Schüssen aus der Signalpistole. Ob dadurch im Interesse des Eisbärenschutzes irgend etwas zu gewinnen ist, wage ich zu bezweifeln.
Als Illustration seines Artikels verwendet Andreassen übrigens ein Bild, das laut Bildkommentar „aus gehörigem Abstand“ aufgenommen wurde. Meiner Einschätzung nach wurde es aus vielleicht 50 Metern Entfernung aufgenommen. Ein Zehntel des Mindestabstandes, der derzeit vom norwegischen Gesetzgeber erwogen wird. Wenn alle sich darauf einigen könnten, dass 50 Meter ein „gehöriger Abstand“ für das Betrachten von Eisbären sind und dass die geforderten 500 Meter doch „etwas“ übertrieben sind, wäre schon eine Menge Schärfe aus der Debatte genommen.
Der 17. Mai ist der norwegische Nationalfeiertag und wird überall im Land mit viel Begeisterung und großer öffentlicher Anteilnahme gefeiert, auch in Longyearbyen.
Dort gehörte es zur lange gepflegten, guten Praxis, dass die Nachbarn aus Barentsburg an den Feierlichkeiten teilnahmen. Es kamen sowohl offizielle Vertreter der Grubengesellschaft Trust Arktikugol und des Konsulats, die an zentralen Stellen der Feierlichkeiten Redebeiträge beisteuerten, als auch Kinder, die in Longyearbyen mit den dort ansässigen Kindern zusammen kamen.
Repräsentanten aus Barentsburg hielten neben Sysselmannen (heute: Sysselmester) und dem Bürgermeister von Longyearbyen Reden zum 17. Mai (Archivbild von 2019).
Die offiziellen Vertreter waren dieses Jahr nicht eingeladen worden, die Kinder und deren „notwendige Begleitung“ aber schon. Deren Teilnahme war aber laut Svalbardposten von Barentsburg „nach interner Diskussion“ abgesagt worden. Damit kam es im Rahmen der Feierlichkeiten zu diesem 17. Mai nicht zu einer Begegnung zwischen den Nachbarn Longyearbyen Barentsburg. Eigentlich war geplant, dass die Kinder aus Longyearbyen und Barentsburg zusammen singen.
Die Verwaltung in Longyearbyen hofft, dass die Entwicklung bald wieder eine Normalisierung der nachbarschaftlichen Beziehungen zulassen.
Wieder erstrahlte die schneebedeckte Arktis um uns herum im Sonnenschein. Schnee und Eis, Land und Fjord, Gletscher und Berge, wohin das Auge schaut. Spitzbergen zeigte sich heute in bester Laune.
In der Ymerbukta.
Und Rentiere. Zahlreich auf schneebedecktem Flachland, sie freuen sich darauf, dass die Tundra bald schneefrei werden wird.
Rentiere am Erdmannodden.
Der Nachmittag bot einen starken visuellen Kontrast und eine Portion Geschichte in Colesbukta, einer alten russischen Grubensiedlung, zu der die Kohlegrube Grumant gehörte. (Hier klicken für etwas mehr Hintergrundinfo zum russischen Bergbau auf Spitzbergen).
Der Tag begann im Van Mijenfjord, wieder mit strahlendem Sonnenschein. Große Teile des Fjords sind noch solide gefroren, und wir haben uns eine Weile von der Eiskante faszinieren lassen.
Die Meander an der Eiskante im Van Mijenfjord.
Der Nachmittag brachte uns tatsächlich entgegen sonstigem Erleben der letzten Tage auf sehr erfreuliche und angenehme Art und Weise unter Segeln nach Norden in den Isfjord, wo uns zu mitternächtlicher Zeit kurz nach Erreichen der Ankerstelle tatsächlich noch ein Eisbär begegnete!
Ach ja, zuerst kam ja noch die Überfahrt von der Bäreninsel nach Spitzbergen. Schon verdrängt 🙂 nun, wenn der Wind zur Abwechslung mal nicht von vorn gekommen wäre, wäre es schöner gewesen … aber wir sind angekommen, was will man letztlich mehr.
Treibeis in der Barentssee nördlich der Bäreninsel.
Im Bellsund kamen dann gleich mehrere Belohnungen. Ein schöner Landgang in der Winterlandschaft am Midterhuken. Mit Eisbär (ganz friedlich und schön).
Eisbär im Bellsund.
Teile der Fjorde sind noch zugefroren, es ist ja auch noch mehr Winter als alles andere. Vielerorts sind die Ufer von Eisgürteln versperrt. Schön anzuschauen, schöne Spielwiesen für kleine Ausfahrten mit den Booten.
Die Bäreninsel! Es hatte ja eine ganze Weile gedauert, bis das Wetter uns die passende Gelegenheit zur Passage hierher bot (von Corona gar nicht zu reden – das Virus ließ die Insel für uns ja zwei Jahre lang von der Land- beziehungsweise Seekarte verschwinden).
Aber Sonntag Abend lag sie vor uns, sichtbar schon aus über 70 Kilometern Entfernung.
Während der Nacht stellten wir allerdings fest, dass große Teile der Insel im Treibeis lagen – heutzutage ein eher seltenes Ereignis. Darunter die gesamte Südspitze mitsamt der Bucht Sørhamna, wo wir eigentlich hatten ankern wollen. Nun, dann eben nicht.
So waren wir dann auf einmal im Nordwesten der Bäreninsel und fanden dort den einzigen Fleck, wo die Kombination aus Dünung, Wind und Eis es derzeit zuließ, etwas zu unternehmen. Es wurde eine kleine Zodiacfahrt mitsamt kurzer Landung an einem kleinen, eisigen Strand. Es hat schon längere Touren auf der Bäreninsel gegeben, aber diese wilden, teilweise eisverkrusteten Felsküsten im Sonnenschein … herrlich!
Auch Richtung Spitzbergen sorgen Treibeisfelder derzeit für den einen oder anderen Umweg. Zwischendurch hatten wir schon Kurs auf Grönland 🙂
Hier kommen Margas arktische Fernsehtipps für den Mai 2022. Unterdessen ist im Norden schon wieder „Arktis unter Segeln“, derzeit mit der Meander. Wir sind am 25.4. in Alta losgefahren und werden Kurs auf die Bäreninsel und Spitzbergen setzen, nachdem wir zunächst wetterbedingt noch etwas Zeit in geschützten Gewässern an der Küste Norwegens verbracht haben.
Aber dazu dann im Blog mehr.
Arktis Fernsehtipps: Der Fernseher in der Ritterhütte auf Gråhuken.
Der Empfang ist dort mitunter allerdings eher schlecht.
Die Listen werden bei Bedarf aktualisiert. Sachdienliche Hinweise werden von jeder Spitzbergen.de-Dienststelle entgegengenommen.
Margas Arktis-Fernsehtipps auf Arte im Mai
Donnerstag, 05.05., 18.30 Uhr: „Eden auf Erden – Die letzten Paradiese: Patagonien – Am Ende der Welt“ (GB 2021, EA)
Freitag, 06.05., 17.50 Uhr: „Die schönsten Landschaften der Welt: Die kanadischen Rocky Mountains“ (GB 2021, EA)
Freitag, 06.05., 18.30 Uhr: „Eden auf Erden – Die letzten Paradiese: Alaska – Amerikas arktische Grenze“ (GB 2021, EA)
Das Wetter spielt uns derzeit schon Streiche. An die Überfahrt Richtung Bäreninsel ist nach wie vor nicht zu denken – wobei, natürlich denken wir an diese Überfahrt, aber passieren wird sie sicher erst in ein paar Tagen. Daher wollten wir also erst einmal nach Oksfjord. Aber auch da hatte das Wetter etwas dagegen, und so landeten wir schließlich in Lille Kvalfjorden auf Stjernøya. Schon mal gehört? Vermutlich nicht …
Lille Kvalfjord auf Stjernøya im Altafjord.
Dabei gab es in dieser ziemlich einsamen Bucht sogar mal eine kleine Siedlung. Die ist aber verlassen. Überhaupt passt die Überschrift „lost places“ bestens zu Lille Kvalfjord. Aber schön ist es! Tiefer Schnee, Felsen und Berge, einsame Häuschen im niedrigen Wald … da haben wir uns natürlich erst mal umgesehen.
Die Stjernøya, auf samisch Stierdná, hat von alters her eine wichtige Rolle für die samische Bevölkerung gespielt, die im Sommer hier auf der Insel immer noch Rentiere hält.
Klicken Sie auf die Bilder, um eine vergrößerte Darstellung des Bildes zu erhalten.
Später haben wir Kurs auf Hammerfest gesetzt.
Hammerfest
Hammerfest! Wer hätte es gedacht? In diesem Städtchen weit im nördlichsten Norwegen war ich ja noch nie, aber nun hat der Wind uns im wahrsten Sinne hierher gepustet. Auch nicht schlecht!
Das „alte“ Zentrum von Hammerfest bei Wetter, das zur Breitenlage passt.
Hammerfest gehört zu den Orten, die für sich in Anspruch nehmen, die nördlichste Stadt der Welt zu sein. Das mag ja auch zeitweise mal richtig gewesen sein, wobei es sicher davon abhängt, was man als Stadt bezeichnet. Mit gut 11.000 Einwohnern ist das hier schon deutlich größer als Longyearbyen, keine Frage.
Hier haben wir also den Freitag verbracht, wieder einmal bei beeindruckenden Wetterwechseln, ein mehrfaches Hin und Her zwischen heftigen Schneeschauern mit stürmischen Böen bis hin zu Sonnenschein. Und wieder zurück.
Das Struve-Meridiandenkmal in Hammerfest.
Hammerfest ist, zumindest auf den ersten Blick, einigermaßen überschaubar. Neben dem Ort selbst mit diversen Geschäften, Kneipen und Hafen gibt es als eine der bekannten Sehenswürdigkeiten das Denkmal für die Meridianmessung von Wissenschaftlers Friedrich Georg Wilhelm von Struve aus Altona – wirklich eine beeindruckende Leistung, diese Vermessung eines Meridianbogens vom Schwarzen Meer bis nach Hammerfest in den Jahren 1816-1855. Dann gibt es natürlich den berühmten Eisbärenklub (nein, ich bin nicht Mitglied geworden) und das Museum, das die regionale Geschichte zeigt, von der Steinzeit bis zur totalen Zerstörung im zweiten Weltkrieg. Daher gibt es in Hammerfest auch überhaupt keine älteren Gebäude mehr.
Und dies und das und jenes. Man kann hier durchaus einen Tag verbringen.
Wir gehen davon aus, dass wir morgen (Samstag) Kurs auf die Bäreninsel setzen werden.
Ein Nachmittag unter Segeln hatte uns gestern noch in den Kåfjord gebracht, tief hinten im Altafjord. Hier wurde früher Kupfer abgebaut, und Reste der Bergbauanlagen kann man heute noch sehen. Inmitten einer schönen Schneelandschaft, denn es hatte gestern noch kräftig geschneit, so dass wir teilweise richtig durch Pulverschnee stapfen!
Überhaupt macht das Wetter Sachen derzeit … bis wir die Überfahrt zur Bäreninsel angehen können, muss sich das noch etwas ändern.
Im Kåfjord.
Später ging es schön unter Segeln durch den Altafjord nach Norden. Unseren Plan, nach Oksfjord zu fahren, haben wir angesichts des heftigen Gegenwinds im Stjernsund allerdings aufgegeben.
Leinen Los! Und zwar mit der Meander in Alta, ganz im Norden Norwegens, zwischen Tromsø und Nordkapp. Die Meander ist mit Baujahr 1946 – damals als Fischkutter und zwischenzeitlich mehrfach umgebaut – zwar alles andere als ein neues Schiff, aber hier oben eben doch neu, und ich bin sehr gespannt! Nicht nur ich, sondern auch die Gruppe aus 11 Arktis-Reisenden und die vierköpfige Mannschaft, darunter Kapitän/Eigner Mario, Steuermann (sonst auch Kapitän)/Eigner Heine, Deckhand Bastian und Köchin Eek.
An Bord ging es also in Alta. Die Stadt ist nicht unbedingt eine archtektonische Perle, aber wer gerade als Deutscher meint, sich darüber beschweren zu müssen, sollte einen Moment daran denken, wer die ganze Region 1944/45 in Schutt und Asche gelegt hat. Nein, nicht das Arschloch im Kreml. Das war damals noch das Arschloch in Berlin.
In Alta geht’s los. Hier die Nordlichtkathedrale im Zentrum.
Entschuldigung, wenn ich verbal etwas entgleite. Aber es fällt mir da mitunter schwer, die Notwendigkeit höflicher Formulierungen zu sehen, gerade derzeit … aber wir hier freuen uns darauf, eine Weile etwas weiter weg zu sein von all dem Elend, dessen wir uns aber schmerzhaft genug bewusst sind.
Aber mehr als genug davon. Montag Nachmittag ging es also an Bord, und bald darauf auch los.
SV Meander in Alta.
Unser Ziel ist zunächst die Bäreninsel und dann Spitzbergen. Wir werden aber zunächst noch ein paar Tage in den Küstengewässern der Alta-Region verbringen. Mit Blick aufs Wetter eine sehr klare Entscheidung, nicht direkt auf die offene See hinaus zu fahren. Zunächst steuern wir Årøy an, eine kleine Insel im Altafjord.
SV Meander vor der Insel Årøy im Altafjord.
Die Wetterwechsel, die wir Dienstag Vormittag auf dieser kleinen, schönen Insel erlebten, waren schon beeindruckend! Schön war diese erste, kleine Tour. Den Rest erzählen die Bilder:
„Norwegens arktischer Norden“ entwickelt sich nun langsam zu einer wunderschönen Arktis-Fotobuchreihe: Nun ist der dritte Teil abgeschlossen und im Druck, Bestellungen sind ab sofort möglich! Die Auslieferung erfolgt ab Mitte Mai 🙂
Das Buch ist ebenso informativ wie unterhaltsam, im Text geht es immer wieder in lockerem Ton um die naturkundlichen und historischen Hintergründe. Den roten Faden bilden aber meine Erlebnisse und kleinen Abenteuer auf beiden Inseln, von den wildschönen Küsten bis auf die höchsten Erhebungen, darunter der Gipfel des Beerenberg! Hier geht es nicht „nur“ um kurze Besuche während schneller Passagen mit Kreuzfahrtschiffen. Ich habe mir beide Inseln erwandert, soweit die Füße tragen, und diese Grenze habe ich wirklich gedehnt … das Ergebnis sind eindrückliche Bilder faszinierender Landschaften, darunter viele, die kein Tourist jemals auf „normalen“ Reisen zu sehen bekommt.
All das natürlich reichlich in Farbe bebildert mit vielen Fotos, und kleinen Karten bieten jederzeit die Orientierung.
Bildergalerie: Bildbeispiele aus „Norwegens arktischer Norden (3): Die Bäreninsel und Jan Mayen“
Einige Beispielfotos aus dem Buch – nur eine kleine Auswahl aus mehreren hundert Bildern!
Am Sonntag (10.4.) Nachmittag hat sich auf dem Longyearbreen, einem Gletscher wenige Kilometer südlich von Longyearbyen, während einer Motorschlittentour ein Unglück ereignet. Dabei wurde eine Person schwer verletzt. Später wurde ihr Tod von offizieller Seite bestätigt.
Darüber hinaus ist bislang offiziell nur bekannt, dass es sich bei dem Unfallopfer um eine nicht ortsansässige Frau handelte, die mit einer privaten Gruppe auf Tour war. Weitere Details zum Hergang und zur Unfallursache sind bislang noch nicht öffentlich.
Der untere Longyearbreen. In diesem Bereich ereignete sich am Sonntag Nachmittag ein tödlicher Unfall während einer Motorschlittenfahrt (Foto von Ende März 2022).
Anmerkung: Ursprünglich stand in diesem Beitrag, dass die Frau mit einer geführten Gruppe unterwegs war. Das war nicht korrekt. Sie war mit einer privaten Gruppe unterwegs, die aus Einheimischen und Zugereisten bestand.
Ergänzung: Am Montag Mittag veröffentlichten die Behörden nach Absprache mit den Angehörigen den Namen des Unfallopfers. Es handelte sich um eine Norwegerin aus Trondheim.
Die internationalen Sanktionen, die viele Staaten als Reaktion auf den russischen Angriffs- und Vernichtungskrieg gegen die Ukraine eingeführt haben, treffen auch den russischen Norden, darunter Barentsburg.
Russlands wichtigster Hafen für den Kohleexport ist Murmansk. Von dort wurden laut Barents Observer nach kräftigem Wachstum im Jahr 2019 mehr als 16 Millionen Tonnen Kohle verschifft. Abnehmer waren bislang die EU – hier vor allem Deutschland – und Großbritannien sowie Israel. Der Export entwickelte sich so stark, dass ein neuer Kohlehafen in Lavna auf der Kola-Halbinsel in Planung ist. Dieses Projekt steht nun wohl auf der Kippe.
Im Vergleich zu den Exporten ab Murmansk sind die in Barentsburg produzierten und verschifften Mengen mit etwa 100.000 Tonnen im Jahr zwar bescheiden und für den globalen Markt irrelevant, für die russische Siedlung in Spitzbergen sind sie aber noch wie vor von großer Bedeutung. In jüngeren Jahren hat man dort zwar den Tourismus entwickelt, wo zeitweise bis zu 80 Menschen arbeiteten, aber dieser ist zunächst wegen Corona und nun wegen der Sanktionen sowie freiwilliger Zurückhaltung der Branche bereits stark eingebrochen. Damit gewinnt der Bergbau zumindest relativ wieder mehr Bedeutung für Arbeitsplätze und Wirtschaft in Barentsburg. Von rund 300 Einwohnern arbeiten etwa 150 unter Tage. Darunter sind viele Ukrainer.
Laut Highnorthnews, wo man sich auf den Sysselmester beruft, gibt es in Barentsburg 120 Russen, aber sogar 220 Ukrainer.
Industrieanlagen und Kohlehalde in Barentsburg: die internationalen Sanktionen werden sich auch hier bemerkbar machen.
Hauptabnehmer der Barentsburg-Kohle war bislang Großbritannien. Auch dort werden allerdings Importverbote für russische Kohle eingeführt, wie auch in der EU. Damit dürfte eine wichtige Existenzgrundlage für den Bergbau in Barentsburg zusammenbrechen.
Irritierendes Interview des russischen Konsuls in Barentsburg
Letzte Woche – noch vor dem öffentlichen Bekanntwerden der grausamen Bilder aus Butscha – hatte der russische Konsul in Barentsburg für Irritationen gesorgt, als er gegenüber norwegischen Medien (nettavisen.no) die Bilder der Zerstörungen in Mariupol als Fälschungen und die Berichterstattung in westlichen Medien als „fake news“ bezeichnet hatte, wohingegen seiner Aussage zufolge die russische Berichterstattung verlässlich sei. Der verlinkte Beitrag ist auf norwegisch, aber das Interview mit dem Konsul wurde auf englisch geführt. Es ist unten im Beitrag von nettavisen.no zu sehen. Die Bewohner von Barentsburg scheinen politische Diskussionen zu vermeiden, sowohl untereinander als auch gegenüber Medien, wie NRK vor Ort feststellte.
Spendenaktion: Ein Herz für die Ukraine
Als Spendenaktion für ukrainische Kriegsopfer gibt es im Spitzbergen.de-Webshop Anstecker in Herzform in den Farben der Ukraine. Die Anstecker werden in Handarbeit in Longyearbyen hergestellt, der Erlös dient vollständig als Spende. Hier klicken für mehr Info zu den Ansteckern „Ein Herz für die Ukraine“.
Diese Herz-Buttons (Anstecker) in den Farben der Ukraine werden in Longyearbyen von Julia Lytvynova aus Kharkiv in der Ukraine hergestellt. Der Verkauf dient vollständig als Spende für die Ukraine!
Ein Herz für die Ukraine – handgemacht in Longyearbyen zum Spendensammeln.
Manche meinen, in Spitzbergen seit man vom Übel der Welt weit weg. Weit gefehlt! Es sind keine 40 Kilometer bis Barentsburg, einem Ort, wo nach wie vor mehrere hundert Russen und Ukrainer zusammen leben.
Vor allem aber leben auch in Longyearbyen Menschen aus der Ukraine. Die Begegnungen mit ihnen gehen in dieser Zeit unter die Haut.
Ein kleine Sammlung von Herzen für die Ukraine.
Julia Lytvynova stammt aus der Ukraine – aus der Stadt Kharkiv, die früh im Krieg auf furchtbare Art Berühmtheit erlangt hat. Julia arbeitet in Longyearbyen in der Nähstube „Systya i Nord“ und stellt dort diese kleinen Herz-Anstecker in den Farben der Ukraine her. Der gesamte Nettoerlös kommt der Ukraine zugute – und man bekommt ein kleines, aber sichtbares Zeichen der Empathie für die Opfer des Krieges. Weitere Informationen und Bestellmöglichkeit gibt es hier im Spitzbergen.de-Onlineshop. Sehr begrenzte Anzahl!
Aufgrund der speziellen Regelungen des Spitzbergenvertrages sind Steuern auf Spitzbergen stark reduziert. So wird keine Mehrwertsteuer erhoben und auch kein Einfuhrzoll. Daher hat sich bisher auch die Notwendigkeit von Zollkontrollen erübrigt, die es entsprechend bislang nicht gegeben hat.
Das wird sich wohl schon im Mai ändern.
Am Gepäckband im Flughafen von Longyearbyen gibt es bislang keinen Zoll,
sondern nur einen Eisbären.
Das soll sich jetzt ändern (aber der Eisbär bleibt).
Der Hintergrund ist der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die in diesem Zusammenhang verhängten internationalen Sanktionen. Norwegen will verhindern, dass Spitzbergen von Russland als logistisches Schlupfloch genutzt werden kann, um Güter nach Russland zu bringen, die auf Sanktionslisten stehen. Das ist bislang denkbar, weil die Einfuhr nach Spitzbergen eben nicht durch den Zoll kontrolliert wird und es Schiffsverkehr zwischen der russischen Siedlung Barentsburg und Russland gibt.
Das soll sich nun bald ändern. Der norwegische Zoll erhält von der Regierung Auftrag und Mittel, um in Longyearbyen eine Präsenz zu etablieren und wo nötig Zollkontrollen durchzuführen, wie der norwegische Sender NRK berichtet. Schon ab Anfang Mai soll es erstmals in Spitzbergens Geschichte Zollkontrollen geben.
Die Zollkontrollen in Spitzbergen soll es aber wohl nicht dauerhaft geben, sondern nur, so lange der Bedarf gesehen wird.