Mo
7. Jul
2014
Heute ist also der spannende Tag. Ich glaube, bei allen ist sowohl Freude auf den Berg als auch eine gewisse Anspannung vorhanden, in unterschiedlichen Anteilen, und sicher eine Portion Müdigkeit vom Anmarsch gestern und den Stunden im Schlafsack im Freien.
Hier im Ekerolddalen ist die allerletzte Chance, einzeln umzukehren. Von nun an heißt es, alle oder keiner. Diese Ansage wird noch einmal deutlich gemacht, dann geht es los, den felsig-sandigen Hang hinauf in den Nebel, der immer noch erbsensuppendick hängt, aber mittels GPS ist die Richtung klar. Steinhaufen folgen auf Moosbetten, Felsblöcke auf Schneefelder.
Nach etwa 2 Stunden lichtet sich plötzlich der Nebel. Um uns herum weite Moosflächen, und weit vor uns erhebt sich die vergletscherte Kuppe des Beerenberg! Ein majestätischer Anblick. Kaum zu glauben, dass es bis dort hinauf noch etliche Kilometer und über 1700 Höhenmeter sind, es sieht fast schon nahe aus. Ist es aber nicht.
Über ein Steinfeld rieselt ein kleines Rinnsal, die letzte Möglichkeit, Wasser nachzufüllen, bevor es endgültig auf die weiten Schneefelder und Gletscher geht.
Der Beerenberg ist nun völlig wolkenfrei und scheint zum Greifen nahe. Strahlend weiß hebt sich der eisbedeckte Vulkankrater vor einem tiefblauen Himmel ab. Gewaltig! Eine wunderbare, beeindruckende Landschaft, die nur so wenige aus der Nähe zu sehen bekommen.
Die Kilometer ziehen sich. Gudjon, der in Island in ähnlichem Gelände Gruppen führt und hier die Verantwortung trägt, holt schließlich das Seil heraus. Eine kurze Einweisung – noch nicht jeder von uns ist auf Gletschern im Seil gegangen – und dann geht es als Seilschaft weiter. Bald zeigen sich auch erste, harmlose Risse im Eis, denen dann aber die ersten Spalten folgen. Direkt nebenan fließt der Sørbreen ab, ein stark zerklüfteter Gletscherarm mit großen Quer- und Längsspalten, die nicht weit von uns deutlich zu sehen sind.
Wir halten auf eine kleine Felsgruppe zu, genannt Nunatakken. Leider zeichnet sich ab, dass wir den Gipfel wohl kaum noch in diesem Traumwetter erreichen werden. Aus dem Blau wird Grau, und trübe Schleier kommen und verschwinden wieder am Kraterrand, nur um kurz darauf dicker wieder zu erscheinen. Auch der Wind hat deutlich zugenommen, und einzelne Böen bringen den einen oder anderen in der Seilschaft schon für einen Augenblick aus dem Gleichgewicht. Bei mir sinkt die Zuversicht deutlich, dass wir den Gipfel heute erreichen können.
Als Gudjon kurz darauf die Gruppe anhält, weiß ich schon, was er sagen will. Allerdings ist der Grund ein anderer: Bei einem Teilnehmer macht sich die Erschöpfung bemerkbar, die Kondition reicht nicht für den langen Aufstieg, weiter wird es nicht gehen. Im Ergebnis läuft es auf dasselbe hinaus: hier, auf 1600 Metern Höhe, ist für uns der Umkehrpunkt. In Luftlinie mögen es nur noch gut 2 Kilometer zum Kraterrand sein, über dieses Gelände wären es 4-5 Stunden, und die Natur hat das Fenster wieder geschlossen.
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Natürlich ist das enttäuschend, und kurz gibt es Uneinigkeit und ein Gespräch in der Gruppe, das mir nicht so recht an diesen einmaligen Ort passen will. Es zerstört den Eindruck der einmaligen landschaftlichen Kulisse. Nach all dem Aufwand, den wir betrieben haben, um hierher zu gelangen, würde ich den Ausblick lieber für die wenigen Minuten genießen, die Wind und Kälte gestatten, anstatt teilweise vergeblich darauf hinzuweisen, dass wir bei dem Wetter nicht noch 4-5 Stunden durch Spaltenfelder aufsteigen können.
So machen wir uns bald wieder auf den Rückweg. Nach zügigem Abstieg erreichen wir nach insgesamt gut 12 Stunden wieder unseren Bivacplatz im Ekerolddalen.