Gelegentlich gibt es auch gute Nachrichten aus dem Bereich „Umwelt“: Nachdem 2011 eine erschreckend starke Ausdünnung des stratosphärischen Ozons über der Arktis nachgewiesen wurde, ist dieses sogenannte „Ozonloch“ zumindest derzeit natürlicherweise halbwegs „geflickt“: Dieses Jahr hat es keinen vergleichbaren Ozonverlust gegeben.
Grund hierfür sind die wärmeren Temperaturen in der höhen Atmosphäre im Vergleich zum letzten Jahr: Erst Temperaturen unterhalb von -78°C ermöglichen es den „Ozonkillern“ wie FCKWs und anderen künstlich hergestellten Chemikalien, zusammen mit dem wiederkehrenden Sonnenlicht im Frühjahr massenhaft Ozonmoleküle zu zerstören.
Als Filter für schädliche UV-Strahlung ist Ozon in höheren Atmosphärenschichten lebenswichtig für Mensch und Tier. Das Alfred Wegener Institut nimmt an seiner Station in Ny Ålesund regelmäßig wichtige Messungen zum Ozongehalt der Atmosphäre vor.
Die Ermittlungen norwegischer Behörden zum Eisbärenangriff im Tempelfjord auf das Lager einer englischen Jugendgruppe, beim dem im August 2011 ein 17-Jähriger ums Leben kam und vier weitere Personen teilweise schwer verletzt wurden, sind endgültig eingestellt. Ende Februar stellte der Sysselmannen bereits fest, dass aus einer Sicht keine strafrechtlich relevanten Sachverhalten vorliegen, sondern eine „Verkettung unglücklicher Umstände“, möglicherweise auch kritikwürdige Handlungen, aber nichts für die weitere Bearbeitung durch Gerichte (siehe Märznachrichten auf dieser Seite). Diese Entscheidung wurde nun durch die übergeordnete nordnorwegische Staatsanwaltschaft abschließend bestätigt.
Eine eventuelle weitere Verfolgung durch englische Gerichte bleibt hiervon unberührt. Die Eltern des ums Leben Gekommenen behalten sich juristische Schritte vor und bedauern die Entscheidung norwegischer Behörden, die Akten dieses Falles zu schließen.
Der Eisbär, der die Gruppe im Tempelfjord angegriffen hatte, war mindestens so ausgehungert wie dieser magere Bär hier im Duvefjord (Nordaustland), hatte dazu aber noch starke Zahnschmerzen.
Von den Anschlägen in Oslo und auf Utøya am 22. Juli 2011, bei denen insgesamt 77 Menschen getötet wurden, waren auch fünf Jugendliche aus Longyearbyen unmittelbar betroffen. Der rechtsextrem-islamophobe Attentäter, Anders Behring Breivik, wird in Norwegen häufig ABB genannt, um das Aussprechen seines vollen Namens zu verhindern. Von den fünf Jugendlichen aus Longyearbyen verlor der 14-jährige Johannes Buø sein Leben, Viljar Hanssen (18) wurde von fünf Schüssen getroffen und schwer verletzt.
Am Dienstag (22.6.) machte Viljar Hanssen seine Aussage im Osloer Gericht. Zuschauern und ihm selbst zufolge trug er seine Aussage stellenweise sogar mit Humor vor. Er sagte später, dass ihn seine Aussage bei der Verarbeitung des Geschehens große Schritte weitergebracht habe. Auch die Anwesenheit von ABB habe ihn wenig beeindruckt.
Wie überall in Norwegen, riefen die Attentate auch in Longyearbyen große Anteilnahme und Solidarität mit den Betroffenen hervor.
Utøya: früher eine schöne kleine Ferieninsel, seit dem 22. Juli 2011 Ort des größten Verbrechens der norwegischen Nachkriegsgeschichte. (Foto: Wikimedia Commons).
Das 6. Klimasymposium in Ny Ålesund fand vom 21. bis 23. Mai statt. Die Veranstaltung gibt es seit 2006 und wird jährlich durchgeführt, dieses Jahr waren etwa 40 Vertreter aus Wissenschaft, und Politik und Wirtschaft versammelt, darunter der norwegische Handelsminister Trond Giske und E.ON-Chef Johannes Teyssen. Rajendra Pachauri, Vorsitzender des UN-Weltklimarates, musste seine Teilnahme kurzfristig absagen, seine Begrüßungsrede wurde per Video übermittelt. Pachauri wies darauf hin, dass die globale Mitteltemperatur im 20. Jahrhundert um 0,74 % stieg und dass eine Fortsetzung dieses Trends eine weitere Temperatursteigerung um etwa 2,5°C im 21. Jahrhundert mit sich bringen würde. Eine von mehreren Konsequenzen wäre, dass etwa 20-30 % der Weltbevölkerung ihre bisherige Heimat aufgeben müsste.
Große Ergebnisse sind von dem Treffen wohl nicht zu erwarten. Norwegens Handelsminister Giske sandte ein in diesem Zusammenhang zweifelhaftes Signal, indem er etwa zeitgleich andeutete, für die langfristige Weiterführung des Kohlebergbaus auf Spitzbergen offen zu sein. Bislang wurde davon ausgegangen, dass die kürzlich eröffnete neue Grube am Lunckefjell die letzte Kohlegrube Spitzbergens sein soll.
Das sechste Klimasymposium fand wie immer unter den wachsamen Augen Roald Amundsens in Ny Ålesund statt.
Die Pläne der norwegischen Regierung, eine den Regelungen auf dem Festland entsprechende Lotsenpflicht in Spitzbergen einzuführen, stoßen weiterhin auf Kritik und sorgen unter Betroffenen für Beunruhigung. Mittlerweile haben auch führende Mitarbeiter des zuständigen norwegischen Kystverket eingesehen, dass die Vorlage in derzeitiger Form in Spitzbergen für viele Beteiligte nicht praktikabel ist.
Kleine Schiffe, die mit Passagierzahlen im kleinen zweistelligen Bereich teilweise Fahrten von über zwei Wochen Dauer rund um Spitzbergen machen, würden von einer Lotsenpflicht, die umgerechnet mit mehreren hundert Euro zu Buche schlägt, in Spitzbergen akut vom Aus bedroht sein. Betroffen sind prinzipiell alle Schiffe ab 70 Meter Länge, Passagierschiffe aber ab einer Länge von 24 Metern.
Erfahrene Nautiker können sich theoretisch durch Zertifikate von der Lotsenpflicht befreien lassen. Praktisch wäre dies nach der aktuellen Vorlage jedoch nahezu unmöglich. Um nur eines von etlichen Beispielen für die bürokratischen Hindernisse zu nennen: Der Nautiker muss die betreffende Strecke, für die das Zertifikat gilt, in jeder Richtung mindestens sechsmal befahren haben. Dies mag für den in Norwegen vorherrschenden Pendelverkehr von Passagierschiffen durchaus sinnvoll sein. In Spitzbergen werden viele Strecken allerdings fast ausschließlich in einer Richtung befahren, da die meisten Fahrten Umrundungen sind, die traditionell fast immer im Uhrzeigersinn ausgeführt werden.
Durch derartige Regelungen wären auch Kapitäne mit langjähriger Erfahrung nicht in der Lage, sich zertifizieren und somit von der Lotsenpflicht befreien zu lassen. Ob die offiziellen Lotsen überhaupt Wissen einbringen könnten, dass diese Kapitäne nicht ohnehin längst haben, steht noch auf einem ganz anderen Blatt.
Die Lotsenpflicht soll schrittweise bis 2014 eingeführt werden. Eine Entscheidung ist für Juni angekündigt.
Die MS Stockholm im Treibeis an der Nordküste Spitzbergens. Das Schiff und ihr Kapitän gehören zu den Veteranen der Schifffahrt in Spitzbergen.
Anfang Mai haben die norwegische Statoil und die russische Rosneft in Moskau in Anwesenheit von Premierminister (heute Präsident) Putin einen Vertrag über die Exploration und Ausbeutung des Perseyevsky Ölfeldes in der Barentssee geschlossen. Das Feld liegt östlich von Spitzbergen, westsüdwestlich von Franz Josef Land, im russischen Teil der Barentssee. Wirtschaftlich verspricht man sich viel von dem Feld, im lizensierten Gebiet soll Öl im Wert von 35-40 Milliarden US-$ im Meeresboden stecken. Das Meer ist in dem Gebiet 150-250 Meter tief und regelmäßig saisonal mit Treibeis bedeckt.
Zunächst sollen mit umfangreichen seismischen Studien die Strukturen im Untergrund erkundet werden. Die erste Probebohrung soll 2020 stattfinden.
Der Vertrag schließt auch eine norwegisch-russische Kooperation für mehrere Öl- und Gasfelder im fernen Osten Russlands ein. Im Gegenzug wird Rosneft an Förderprojekten der Statoil in der Nordsee und dem norwegischen Sektor der Barentssee beteiligen.
Bohrinseln in der Nordsee. An derartige Anblicke wird man sich längerfristig wohl auch in der nördlichen Barentssee gewöhnen müssen.
In der russischen Arktis hat es Ende April eine mittelgroße Ölpest gegeben. Am 20. April und dem darauffolgenden Tag sahen Vertreter der Umweltbehörde der autonomen Nenzen am Ölfeld Trebs für mindestens einen Tag eine etwa 25 Meter hohe Ölfontäne. Es soll mindestens 36 Stunden gedauert haben, bis das Leck unter Kontrolle war. Bis dahin waren etwa 2200 Tonnen Öl ausgelaufen und haben mindestens 1,5 Quadratkilometer arktischer Tundra verseucht. Betroffen ist auch Rentierweideland, Gewässer sollen wenigstens zunächst nicht unmittelbar in Mitleidenschaft gezogen sein.
Das Trebs Feld liegt auf dem russischen Festland, südlich der langen Doppelinsel Novaya Zemlya. Die russische Betreiberfirma Bashneft hält sich mit öffentlicher Information stark zurück, so dass es kaum möglich ist, die weitere Entwicklung abzuschätzen.
Laut Greenpeace Russland kommt es im Jahr zu etwa 20.000 (ja, zwanzigtausend) Leckagen an russischen Ölförderanlagen, die meist aber von offizieller Seite keine Konsequenzen für die Betreiber haben und selten überhaupt an die Öffentlichkeit kommmen.
Dass die Fjorde an der Westküste Spitzbergens in diesem Frühjahr weitgehend eisfrei sind, liegt nur in zweiter Linie an der weitgehend milden Witterung der letzten Monate, sondern primär an der warmen Wassertemperatur. Aktuell liegen die Wassertemperaturen im äußeren Isfjord im ganzen Tiefenprofil durchgehend bei mindestens +1,5°C. Meerwasser gefriert je nach Salzgehalt bei etwa -1,7°C. Normalerweise sollte ein Teil der Wassersäule Temperaturen unter Null aufweisen.
Ursache ist der starke Einfluss des West-Spitzbergen-Stroms („Golfstrom“), der das arktische Kaltwasser derzeit mehr oder weniger komplett von der Westküste verdrängt hat. Damit ändert sich der Charakter der Westküstenfjorde langsam von hoch-arktisch hin zu sub-arktisch. Indikatoren hierfür sind nicht nur das derzeit weitgehend fehlende Fjordeis und die Wassertemperaturen, sondern auch die Artenzusammensetzung: in jüngerer Vergangenheit wird Kabeljau in den größeren Tiefen der Fjorde mehr und mehr heimisch, auch der Schellfisch (gehört zur Kabeljau-Familie) kommt nun regelmäßig vor. 2004 wurden im Isfjord erstmalig Miesmuscheln beobachtet, die mittlerweile auch im Hafen von Longyearbyen gesichtet wurden. Auch laichbereiter Hering ist ein Novum in diesen Gewässern.
Es ist davon auszugehen, dass diese Neuzugänge auf der lokalen Artenliste nicht so schnell wieder verschwinden werden, im Gegenteil werden vermutlich weitere hinzukommen. Was dies für das lokale Ökosystem bedeutet, ist aber schwierig zu sagen.
Der äußere Isfjord, Blick vom Alkhornet.
Quelle: UNIS-Meeresbiologen Jørgen Berge, Ole J. Lønne, Tove M. Gabrielsen, in Svalbardposten 17/2012.
Die Bäreninsel hat seit jeher einen guten Ruf für schlechte Landeverhältnisse: Auf der Insel gibt es weder Häfen noch wirklich gut geschützte Buchten, so dass Landgänge und Transporte per Boot sehr stark wetterabhängig sind.
Bei der norwegischen Wetterstation an der Nordküste soll nun Abilfe geschaffen werden: Ab August soll ein 26 Meter langer Wellenbrecher die Logistik deutlich vereinfachen. Bislang gibt es nur eine kleine Pier aus Beton, die aber bei schwerem Wetter nicht benutzbar ist.
Größere Schiffe werden aber weiterhin vor der Küste ankern müssen, vereinfacht wird nur der Transport oder Landgang mit kleineren Beibooten.
„Hafen“ bei der Wetterstation auf der Bäreninsel an einem der seltenen Schönwettertage.
Vor wenigen Tagen hat die Walfangsaison für Norwegens Walfangflotte begonnen. 20 Schiffe haben eine Quote insgesamt 1286 Zwergwalen, die trotz ihres Namens fast zehn Meter groß werden können. 2011 lag die Quote ähnlich hoch, gefangen wurden aber „nur“ 533 Zwergwale, da die Nachfrage nicht ausreicht und die Händler auf ihrem Walfleisch sitzen bleiben.
Die ersten Walfangschiffe sind nun unterwegs und haben bei der Bäreninsel bereits mehrere Wale geschossen. Die Bäreninsel gehört zu Spitzbergen, wo etwa für Touristen strenge Regeln gelten, die künftig noch verschärft werden sollen – Walfang scheint hingegen in den Augen norwegischer Behörden für die arktische Umwelt und ihre Tiere kein Problem zu sein. Umweltschützer sehen dies anders.
Walfangschiff mit montierter Harpune. Im Bild ist die Petrel, die als Wrack in Südgeorgien liegt und schon lange nicht mehr in Betrieb ist. Die Technik ist aber heute noch die gleiche.
Die leidige Diskussion um neue Regelungen für den Osten der Inselgruppe Spitzbergen (Svalbard) geht in die nächste Runde. Treibende Kraft ist und bleibt das norwegische Direktorat für Naturverwaltung (kurz DN), das dem Osloer Umweltministerium zugehörig ist. Frühere Versionen eines neuen Verwaltungsplans, die vom DN vorgelegt worden waren, wurden selbst vom Sysselmannen, dem höchsten Repräsentanten der norwegischen Regierung auf Spitzbergen, als zu schwach begründet und zu weitgehend zurückgewiesen. Eine aktualisierte Fassung wird demnächst voraussichtlich in ein öffentliches Anhörungsverfahren eingehen, in dem alle Betroffenen ihre Meinung einfließen lassen können. Allerdings hat das DN bereits hinreichend bewiesen, dass es an abweichenden Meinungen nur pro forma interessiert ist. Beobachter werfen dem DN ein sachfernes, ideologisch motiviertes Vorgehen vor. Weitreichende Einschränkungen des öffentlichen Zuganges großer Teile des Ostens von Svalbard werden dabei als präventive Maßnahme und Schutz eines wissenschaftlichen Referenzgebietes verkauft. Vor Ort engagierte Wissenschaftler halten es jedoch nicht für erforderlich, größere Gebiete zu wissenschaftlichen Zwecken dem öffentlichen Zugang zu entziehen. Und selbst das DN ist der Ansicht, dass der heutige Verkehr in den betroffenen Gebieten absehbar nicht zu Umwelt- oder sonstigen Problemen führt.
Der aktuelle Vorschlag basiert auf der Version, die eine Arbeitsgruppe des Sysselmannen gegen Ende 2011 erstellt hat, jedoch schlägt das DN Verschärfungen vor. Eine Ausweitung eines „Vogelschutzgebietes Lågøya“ auf die gesamte Insel ist schwer nachvollziehbar und ärgerlich. Wirklich interessant ist jedoch, dass das DN dem Sysselmannen wesentliche administrative Kompetenzen entziehen und ins eigene Haus nach Oslo bringen soll. Dazu gehört die Autorität, den Verkehr im Osten lokal bis hin zum Verbot einzuschränken sowie die Entscheidungshoheit über Anträge, die „wissenschaftlichen Referenzgebiete“ zu betreten (Zone „A“ auf der untenstehenden Karte, gelb hinterlegt). Entgegen früherer Vorstellungen sollen diese Gebiete nun weiterhin prinzipiell zugänglich bleiben, allerdings nur nach Genehmigung. Eine Genehmigung ist bereits jetzt für alle Aktivitäten in den Naturreservaten im Osten Svalbards (die alle relevanten Regionen umfassen) erforderlich. Es ist zu erwarten, dass die Vergabepraxis deutlich verschärft wird, so dass de facto ein Verbot in Kraft treten könnte, wenn die Genehmigungsverfahren über das DN in Oslo laufen. Bemerkenswert ist, dass die Osloer Ministerialbürokratie dem Sysselmannen in Longyearben nicht zutraut, die Verfahren in ihrem Sinne zu handhaben. Dem vor Ort in Longyearbyen ansässigen Sysselmannen werden allgemein noch eine gewisse Praxisnähe und damit einhergehende Sachkenntnis unterstellt; die Osloer Bürokratie fällt hingegen vor allem durch eine sachlich nicht nachvollziehbare Schärfe im Vorgehen auf.
Die derzeitige Arbeitsvorlage teilt den Osten von Svalbard in mehrere Zonen ein:
Zone A: »Referenzgebiet« für Forschung, theoretisch auf Antrag zugänglich, praktisch ist ein weitgehendes Betretungsverbot zu erwarten. Zone B: Betretungsverbot während der Brutzeit. Zone C: Hierfür sollen jeweils ortsspezifische Richtlinien gelten. Zone D: Seit 2010 für Kulturdenkmäler existierende kleinräumige Betretungsverbote. Zone E: Kong Karls Land, bereits langjährig bestehendes Betretungsverbot. Hier klicken für eine größere Version dieser Karte.