Nach langer, kontroverser und oft emotionaler Diskussion hat nun die Regierung in Oslo entschieden und offiziell mitgeteilt: In Longyearbyen lebende Ausländer (Menschen ohne norwegischen Pass) wird das kommunale Wahlrecht entzogen sowie die Möglichkeit, für den Gemeinderat (lokalstyre) zu kandidieren.
Dieser kontroverse Vorschlag war eine Weile in der Diskussion und wurde auch auf dieser Seite bereits aufgegriffen; auf den entsprechenden Beitrag (hier klicken) wird für die Hintergründe verwiesen.
Effektiv bedeuten die neuen Regeln, dass Menschen ohne norwegische Staatsbürgerschaft, die in Longyearbyen wohnen, zudem mindestens drei Jahre in einer Gemeinde auf dem Festland als wohnhaft gemeldet (gewesen) sein müssen, um in Longyearbyen das aktive und passive Wahlrecht zun haben. Das trifft auf einen großen Teil der in Longyearbyen lebenden, nicht-norwegischen Bevölkerung nicht zu, unabhängig von der Länge der Zeit, die diese in Longyearbyen gelebt haben. Manche werden nun nach vielen Jahren bei der nächsten Kommunalwahl 2023 nicht wieder wählen dürfen und sind von einer Kandidatur ausgeschlossen.
Wie man sich vorstellen kann, führt die Entscheidung bei vielen Betroffenen zu Frustration und dem Gefühl, als Bürger zweiter Klasse behandelt zu werden, wie Svalbardposten schreibt.
Justizminsterin Emilie Enger Mehl begründet die Entscheidung folgendermaßen (aus der amtlichen Mitteilung der norwegischen Regierung, eigene Übersetzung): „Die Verbindung zum Festland trägt dazu bei, dass die, die zu jeder Zeit diese Gemeinde verwalten, gute Kenntnis und ein gutes Verständnis der Svalbardpolitik und des für Svalbard geltenden Rahmens haben. … Es werden … zum Betrieb von Dienstleistungen und Infrastruktur bedeutende Mittel vom Festland überführt. Einwohner mit Anbindung ans Festland werden daher oft zu dieser Finanzierung beigetragen haben. Die Forderung nach der Anbindung ans Festland muss auch in diesem Licht gesehen werden.“
Chor in Longyearbyen. Mitsingen darf jeder, wählen nicht.
Ergänzung (19.6.): Laut NRK sind etwa 700 EinwohnerInnen betroffen, die bislang wahlberechtigt waren. Im Gemeinderat sitzt derzeit genau eine Person mit nicht-norwegischer Staatsbürgerschaft, nämlich die Schwedin Olivia Ericson.
Kommentar
So weit so klar: wer (möglicherweise) gezahlt hat, soll bestimmen; wer nicht oder nur wenig (die Steuern in Spitzbergen sind niedrig) gezahlt hat und nicht den richtigen Pass hat, wird nicht politisch beteiligt.
Der Gemeinderat ist genau das: ein Gemeinderat. Er verwaltet lokale Verkehrswege, Kindergärten, Schule, sonstige Infrastruktur – was eine Gemeinde eben so macht. Auf die nationale Gesetzgebung einschließlich jener, die für Svalbard gilt, hat Longyearbyen Lokalstyre keinen Einfluss (sonst wäre diese Entscheidung der Regierung wohl auch kaum so gefallen, vor Ort sind die meisten gegen diese Änderung). Außerhalb des Gemeindegebiets hat der Gemeinderat nichts zu sagen.
Man fragt sich, wovor die norwegische Regierung Angst hat. Bislang ist die Lokalstyre fest in norwegischer Hand. Und selbst wenn eines Tages Dänen und Schweden, Deutsche und Thailänder ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend in der Lokalstyre sitzen und über die Finanzierung einer Straße oder eines Kindergartens mitbestimmen wollen – wo ist das Problem? Ein lokaler Abgeordneter der Rechtspartei („Høyre“) hat im Gemeinderat dazu letztes Jahr sinngemäß gesagt: „Hierbei geht es um Sicherheit, und da können wir keine Kompromisse eingehen.“
Das hätte man gerne etwas konkreter. Wo werden hier norwegische Sicherheitsinteressen berührt oder gar eingeschränkt?
Selbst wenn es so wäre: Die aktuelle Entscheidung ist nach Stand der Dinge präventiv, ein nennenswerter Einfluss nicht-norwegischer Gruppen auf die Lokalpolitik ist nicht erkennbar und auch nicht absehbar.
Für diese Prävention nimmt die norwegische Regierung in Kauf, dass ein wesentlicher Teil der Bevölkerung Longyearbyens sich nun als Bürger zweiter Klasse sieht.
Norwegische Politiker lassen keine Gelegenheit aus, um darauf hinzuweisen, dass Svalbard norwegisch ist, dass Longyearbyen norwegisch ist. Aber auf einmal soll eine Wohnzeit beliebiger Länge in Longyearbyen nicht mehr ausreichen, um den Rahmen norwegischer Politik für Spitzbergen zu verstehen?
Justizministerin Mehl sagt: „Niemand wird von den demokratischen Prozessen ausgeschlossen, aber du musst drei Jahre auf dem Festland gewohnt haben, um in der Lokalstyre zu sitzen.“ (Svalbardposten).
Es ist schwer zu sagen, was mehr beunruhigt: Dass die Regierung so einfach über die zahlreichen Hörungseingaben, die sich diesem Vorschlag gegenüber ablehnend geäußert haben, hinweg gegangen ist. Dass Mehl einfach behauptet, niemand würde „von den demokratischen Prozessen ausgeschlossen“, wenn tatsächlich genau das passiert. Kaum ein Bewohner Longyearbyens nichtnorwegischer Herkunft hat drei oder mehr Jahre in einer norwegischen Festlandsgemeine gelebt, und diese Bedingung ist für die allermeisten kaum zu erfüllen. Der Wunsch, das zu tun, wird auch kaum wachsen, nachdem Oslo den Betreffenden nun so deutlich den Mittelfinger gezeigt hat – ja, eine starke Interpretation des Vorgangs, aber genau so fassen viele diesen auf. Wo in einem europäischen, modernen, demokratischen Land wird Ausländern heutzutage das Stimmrecht entzogen, das sie über viele Jahre hatten? Es ist eine politisch unappetitliche, rechtsnationalistisch und ausländerfeindlich anmutende Entscheidung, die die norwegische Regierung hier getroffen hat. Innerhalb der europäischen Regierungen begibt sie sich damit in eine Gesellschaft, in der sie sich selbst wohl kaum sieht.
Die MS Virgo, die im Fuglefjord auf Grund gelaufen war, ist zurück in Longyearbyen. Sie soll unter Begleitung, aber unter eigener Kraft vom Nordwesten Spitzbergens, wo der Fuglefjord liegt, bis in den Hafen in Adventfjord gefahren sein.
Taucher der Küstenwache hatten vor Ort im Fuglefjord versucht, das Leck provisorisch abzudichten, was aber wohl nicht geklappt hat. Darüber hinaus wurde wohl Diesel von Polarsyssel, dem Dienstschiff des Sysselmesters, abgepumpt.
MS Virgo in Longyearbyen, heute (Donnerstag) Vormittag.
Weitere Informationen gibt es aber bislang nicht, vor allem über den Umfang des Schadens sowie über die Menge möglicherweise im Fuglefjord ausgelaufenen Treibstoffs (Diesel) sowie über den genauen Unfallhergang ist noch nichts öffentlich bekannt.
Es ist genau das Scenario, vor dem man sich fürchtet: Das Auflaufen eines Schiffes mit Beschädigung eines Treibstofftanks.
Was genau gestern Vormittag im Fuglefjord im Nordwesten Spitzbergens passierte und was für Folgen es haben wird, ist derzeit noch nicht (öffentlich) bekannt. Klar ist, dass das kleine schwedische Expeditionskreuzfahrtschiff MS Virgo gestern (Dienstag, 14.6.) gegen 10 Uhr Vormittags im Fuglefjord Grundberührung hatte. Wahrscheinlich geschah die Grundberührung bei der Anfahrt von Norden während der Passage einer Gruppe kleiner Felsen und Inselchen, die als Fugleholmane bekannt sind. Diese Passage ist kleinen Schiffen normalerweise bei vorsichtiger Navigation problemlos möglich, die Gewässer sind sind Jahren gut kartiert und es gibt mehrere Routen, die zwar schmal sind, aber oft befahren werden. Der Fuglefjord selbst ist durchgehend tief (von einer 7,5 Meter Untiefe im Eingangsbereich abgesehen, die einem kleinen Schiff wie der Virgo mit einem deutlich geringeren Tiefgang aber nicht gefährlich werden kann). Nur der innerste Teil des Fjords in Gletschernähe ist unkartiert.
Enge Passage zwischen Felsen und Untiefen im Bereich der Fugleholmane bei der Einfahrt in den Fuglefjord von Norden.
Was gestern schief ging und wie es zur Grundberührung kam, ist noch nicht bekannt.
Der Sysselmester hat aber bekannt gegeben, dass nicht nur der Rumpf, sondern auch ein Treibstofftank beschädigt wurden, so dass die Gefahr des Treibstoffaustritts besteht. Die MS Polarsyssel, das mit Ausrüstung zur Verhinderung von Ölausbreitung ausgerüstete Dienstschiff des Sysselmesters, war in wenigen Stunden zur Stelle. Arbeiten zum Abdichten des Lecks und zur Verhinderung der Ausbreitung von Treibstoff wurden sofort begonnen.
Verletzt wurde niemand. Es waren 13 Passagiere und eine siebenköpfige Mannschaft an Bord.
Wie alle Schiffe in den meisten Teilen Spitzbergens fährt die Virgo mit marinem Diesel. Schweröl darf sich in den Nationalparks und Naturreservaten, die einen Großteil der Inselgruppe umfassen, seit Jahren nicht mehr an Bord befinden. Schwere, lang andauernde Ölpesten werden durch Roh- oder Schweröl verursacht, das aber hier glücklicherweise nicht vorhanden ist; diese Gefahr besteht also immerhin nicht. Eine leichtere, weniger lang andauernde Verschmutzung durch Diesel ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand aber nicht auszuschließen. Da sich in der Umgebung große Vogelkolonien befinden wie die Krabbentaucherkolonien auf den vorgelagerten Inseln Fuglesongen und Nachbarinseln, könnte eine Verschmutzung mit Treibstoff potenziell ökologisch verheerende Folgen haben.
Schnee von gestern, das sind die Schneefelder rund um Longyearbyen nun im unmittelbaren Sinne, jedenfalls zu einem großen Teil. Nach einem teilweise immerhin recht kalten Winter (trotz einiger heftiger Regentage im März) kam die Schneeschmelze gegen Ende Mai zwar halbwegs kalendergerecht, aber dann im Verlauf deutlich schneller als üblich. In und um Longyearbyen schmilzt der Schnee immer um Wochen früher und schneller als sonstwo – es gibt ein paar typische Flecken wie die nur wenige hundert Meter kurze Motorschlittentrasse zwischen Longyearfluss und Tankstelle sowie die eine oder andere kurve im unteren Adventdalen, die besonders prekär sind und oft die winterliche Tourensaison für weniger Hartgesottene beenden, die ihren Motorschlitten nicht im Adventdalen parken und mit per Auto herbeigeschafften Kanistern betanken wollen.
Longyearbyen-Kenner haben „Nofretete“ und „Sektglas“ auf dem Schirm. Wenn der Schnee auf großen Flächen weg ist, bleiben immer noch einige Schneefelder, die sich teilweise bis weit in den Sommer hinein halten, wenn auch schrumpfend. Vor allem zwei dieser Schneefelder haben sehr markante Formen. Da wäre einmal die Nofretete:
Das Schneefeld „Nofretete“ auf der Nordseite des Adventfjord. Von Longyearbyen selbst aus ist es nicht sichtbar. Die Ähnlichkeit mit dem berühmten Profil der Büste der altägyptischen Schönheit ist deutlich, auch wenn Nofretete hier etwas schlecht gelaunt zu sein scheint.
Noch berühmter ist das „Sektglas“, ein Schneefeld von entsprechender Form am Operafjellet, östlich von Longyearbyen im Adventdalen. Das „Sektglas“ ist im Frühsommer von Longyearbyen aus deutlich sichtbar.
Das noch nicht ganz von der Umgebung freigestellte „Sektglas“
am Operafjellet östlich von Longyearbyen, Ende Mai 2022.
Zum Sektglas gibt es noch eine kleine Geschichte, die jedes Jahr in Longyearbyen Aufmerksamkeit auf sich zieht: Und zwar führt das Schmelzen des Schnees zuverlässig dazu, dass das Sektglas zunnächst eine ziemlich perfekte Form bekommt – der Kelch etwas runder und weniger schlank als üblich – aber dann „bricht“ der Stiel, oder auf norwegisch: „stetten går“, der Stiel „geht“. Das „Gehen“ des Stiels ist das letzte Ereignis in der Natur in und um Longyearbyen, das den Sommer endgültig einleitet (das erste ist das Erscheinen der Schneeammer).
Meistens „geht“ der Stiel Ende Juli oder Anfang August. Davor kann man bei der Lokalzeitung Svalbardposten einen Tipp abgeben, an welchem Datum der Stiel im jeweiligen Jahr wohl bricht. Dem Sieger oder der Siegerin winken Ruhm und Ehre.
Dieses Jahr bewies Sarah Gerats (manchen sicher als geschätzte Guide-Kollegin auf der Antigua bekannt) das richtige Gespür und gab nicht als einzige, aber als erste den richtigen Tipp ab, dass der Stiel bereits am 6. Juni (!) gehen würde. Und so kam es tatsächlich.
Das Sektglas mit gebrochenem Stiel am 6. Juni 2022.
Damit gehört der diesjährige Sektglasbruch zu den frühesten seiner Art, was mit den sehr warmen Tagen Ende Mai zu tun hat, wo in Longyearbyen mit über 12 Grad die wärmsten Mai-Temperaturen seit Jahrzehnten gemessen wurden. Der früheste Stielbruch aller Zeiten war es aber wohl nicht.
Sarah Gerats, Gewinnerin der diesjährigen Sektglas-Wette.
Hier zusammen mit dem damaligen Antigua-Kapitän Mario Czok bei der Bäreninsel (2018).
Zugegeben, der Versuch, die Strecke vom Nordwesten in den Kongsfjord unter Segeln zurückzulegen, war mangels Wind nicht allzu erfolgreich. Extremsegeln war das nicht gerade 🙂
Dafür hatten wir im Kongsfjord noch Zeit für einen Ausflug auf der Blomstrandhalvøya einschließlich eines Besuches in zwei von den Höhlen, bevor wir in Ny-Ålesund angelegt haben. Dort haben wir uns dann am Sonntag in Ruhe umgesehen.
Im Forlandsund stieg der Walross-Druck deutlich an, aber da konnte schnell Abhilfe geschaffen werden.
Galerie – Kongsfjord – Forlandsund – 04-05. Juni 2022
Wir sind wieder an der Nordwestecke Spitzbergens. Und das Wetter ist immer noch gut. Meistens völlig windstill und sonnig, zwischendurch mal ein paar Wolken, was dann durchaus erholsam ist.
Wir haben Krabbentaucher besucht und den gewaltig schönen Fuglefjord, in dem so viel Eis treibt, dass man gar nicht in die Nähe des Gletschers kommt. Die wunderschönen Eindrücke prasseln nur so auf uns ein. Da schadet es nicht, dass wir am späteren Nachmittag einfach mal eine Stunde vor Anker liegen und nur in die schöne Landschaft schauen. In der auch irgendwo wieder ein Eisbär unterwegs ist, der sich aber meist hinter Steinen und Eishaufen versteckt hält.
Galerie – Nordwest-Spitzbergen – 03. Juni 2022
Sinn der Sache – zumindest einer der Sinne – einer Fahrt so früh im Sommer ist natürlich die Idee, dass das Eis mit gewisser Wahrscheinlichkeit noch in Reichweite ist. Dazu braucht es natürlich auch noch das passende Wetter.
Beides hatten wir. Das Wetter hat mehr als nur gepasst. So ein unvergesslich schöner Tag im Treibeis!
Galerie – Eis – Biskayarhuken – 02. Juni 2022
Die Tage fliegen nur so dahin, voll und schön. Dieser Juni begann für uns mit nicht weniger als vier Eisbären, die in dieser Bucht unterwegs waren, in der wir ansonsten auf Tour gezogen wären … auf die Schneeschuhtour haben wir dann doch verzichtet 🙂 stattdessen gab es dann Gletscher. Der Smeerenburgbreen.
Galerie – Nordwest-Spitzbergen – 01. Juni 2022
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Im Kobbefjord haben wir nach dem alten Arktis-Briefkasten geschaut. Mittlerweile hat ihn wohl tatsächlich jemand geleert. Sind die Postkarten, die wir vor drei Jahren dort gelassen haben, mittlerweile angekommen?
Wenn es mit den von Marga empfohlenen Sendungen losgeht, heißt es im Norden bereits auf der Antigua: Segel setzen und Kurs ins Eis. Dann gibt es Arktis live und in Farbe, mit frischem Wind um die Nase! Und dem kann man natürlich im Arktis-Reiseblog folgen, der auf der gleichen Seite erscheint wie dieser Beitrag.
Arktis Fernsehtipps: Der Fernseher in der Ritterhütte auf Gråhuken.
Der Empfang ist dort mitunter allerdings eher schlecht.
Die Listen werden bei Bedarf aktualisiert. Sachdienliche Hinweise werden von jeder Spitzbergen.de-Dienststelle entgegengenommen.
Margas Arktis-Fernsehtipps auf Arte im Juni
Freitag, 03.06., 16.55 Uhr: „Kanada – Eine Familie auf sich gestellt in Yukons Wildnis“ (CDN 2014, EA)
Samstag, 04.06., 08.05 Uhr: GEO-Reportage: „Norwegen, die Rentierprinzessin“ (D, 2018)
Ja, der 31. Mai ging noch weiter. Wir hatten noch Zeit, und das Wetter war so gut, dass wir uns die Chance nicht entgehen lassen konnten, abends noch am Fuglehuken vorbeizuschauen, an der Nordspitze vom Prins Karls Forland. Eine dieser Orte, die so ungeschützt im Nordmeer liegen, dass man dort nur selten vorbeikommt. Man muss wirklich einen dieser seltenen, guten Zeitpunkte erwischen. Die schönsten Plätze sind nicht immer die, wo man einfach hinkommt.
Heute war der richtige Tag für diesen wunderschönen Ort. An den steilen Felsen brüten Lummen und Dreizehenmöwen in großer Zahl und sorgen für gute Düngung der entsprechend reichhaltigen Tundra – stellenweise bilden sich dort richtig kräftige Torfschichten unter der Oberfläche aus Moos und Flechten. Hier ist die Tundra auch schon wieder recht weitgehend schneefrei, sodass die zahlreichen Rentiere sich über einen gedeckten Tisch freuen können.
Es ist eine sehr erfreuliche Sache, ein paar Stunden an einem so schönen Ort wie Fuglehuken verbringen zu können! Das bekommt gerne einen eigenen Eintrag im Blog 🙂
Den dichten Nebel von gestern Abend hatten wir jedenfalls hinter uns gelassen. Strahlender Sonnenschein in der Hornbækbukta – was für ein Start in die Reise! Gleißend helle Blicke über Bucht, Berge und Gletscher.
Überhaupt präsentierte der Forlandsund sich beinahe spiegelglatt und so wunderschön, wie es überhaupt vorstellbar ist. Mit einer großen Gruppe Walrosse auf einer Halbinsel.
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Dann ankerten wir in der Engelskbukta für eine kleinere Tour am späteren Nachmittag. Nur wenige Kilometer weiter nördlich als die Hornbækbukta, aber noch ein paar Wochen früher in der jahreszeitlichen Entwicklung: kaum offene Tundra, viel nasser Schnee, viel Wasser. Voll in der Schneeschmelze.
Die Vorbereitungen für eine Reise unter Segeln werden nie wirklich zur Routine, neben all dem Packen, Zeug schleppen, möglichst nichts vergessen und dem eigentlichen Reisen ist auch jedes Mal irgendetwas, was nicht so recht funktionieren will. Einiger Aufwand wurde jetzt noch in das Satelliten-Kommunikationssystem gesteckt, und es scheint letztlich doch noch geklappt zu haben – zumindest hat der erste Test funktioniert. Wenn’s so bleibt, gibt es auch in den nächsten Tagen den Reiseblog ofenfrisch aus dem hohen Norden. Wenn nicht, ist das Schiff nicht gesunken 🙂 sondern die Reparatur des Systems war doch nicht erfolgreich. Aber drücken wir mal die Daumen.
Ja, damit kann man sich beschäftigen … da hängt ja nicht nur der Blog dran, sondern auch sonstige Kommunikation, die durchaus mal wichtig sein kann.
Galerie – Longyearbyen & Adventfjord – 30. Mai 2022
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Aber das lassen wir jetzt erst mal hinter uns. Im strahlenden Sonnenschein ging es an Bord und bald los in den Isfjord. Dort wurde es grau. Irgendwie abenteuerlich, stimmungsvoll, arktisch … die Stimmung ist gut, und wir freuen uns auf die Arktis, auf Eis und Schnee, auf die schönen Landschaften …
Achtung, dieser Beitrag enthält ein polemisches und gerade derzeit möglicherweise geschmackloses Wortspiel, und das vor einem in mehrfacher Hinsicht durchaus ernsten Hintergrund.
Es fing ganz unkompliziert an: Alle, die schon einmal in Longyearbyen waren, kennen die berühmten Eisbärenwarnschilder, die an den Ortsausgängen stehen, am Hafen, im Adventdalen und im oberen Longyeardalen.
Eisbärenwarnschild im Adventdalen bei Longyearbyen.
Nun verschwand das Schild im Adventdalen eines Nachts Mitte Mai – zu Zeiten der Mitternachtssonne ein durchaus gewagter Diebstahl einer so berühmten, symbolträchtigen Attraktion an einer Straße, die zwar scheinbar ins Nirgendwo führt, wo es aber dennoch zu nahezu allen möglichen und unmöglichen Uhrzeiten bemerkenswert viel Verkehr gibt.
Natürlich gingen die Spekulationen hoch, wer es gewesen sein könnte. Wer in Longyearbyen wäre schon so dumm, sich dieses Schild, das wirklich jede und jeder dort kennt, an die Wand zu hängen?
Aber klar, die locals sind natürlich immer die Guten, die Bösen sind woanders zu finden. Und nun wird es peinlich: die Svalbardposten berichtete über das Schilder-Drama. Ein Busfahrer meldete sich als Kronzeuge, der Mann hatte zwar nichts Tatrelevantes gesehen, fährt aber jeden Tag Touristen und muss es daher natürlich ganz genau wissen: „Det er jo turistene som stjeler sånt, sier han.“ „Es sind ja die Touristen, die solche Sachen klauen, sagt er.“ (Zitat Svalbardposten). Nicht nur, dass der Satz so ohne weiteres Hinterfragen durch den Journalisten übernommen wurde – in der Druckausgabe wurde er sogar zur Überschrift, nicht einmal als Zitat gekennzeichnet. Jaja, diese bösen Touristen!
Artikel in der Druckausgabe der Svalbardposten vom 19. Mai:
Überschrift „Es sind ja die Touristen, die solche Sachen klauen“.
In der oben verlinkten Online-Ausgabe des Svalbardposten-Artikels lautet die Überschrift mittlerweile immerhin anders: „Hvem har stjålet isbjørnskiltet?“ („Wer hat das Eisbärenschild geklaut?“).
Die Sache bekam ein paar Tage später immerhin eine erfreulich humoristische Wendung: Das Schild tauchte plötzlich wieder auf – und zwar im am Flughafen geparkten Auto von Lars Fause. Das ist der Sysselmester höchstpersönlich.
Dieser war allerdings zur fraglichen Zeit nachweislich auf dem Festland und daher persönlich unverdächtig, und dass er das Schild für alle gut sichtbar in sein öffentlich geparktes Auto gelegt hätte, erscheint auch eher unwahrscheinlich.
Des Rätsels Lösung (Vorsicht, jetzt kommt das Wortspiel): die Russen waren es. Aber nicht die Russen, die in Barentsburg Kohle abbauen, wobei es ohnehin überwiegend Ukrainer sind, die dort in der Grube arbeiten. Und schon gar nicht die Russen, die in der Ukraine derzeit die Welt in Brand stecken. „Russ“ auf Norwegisch ist der Abiturient, in der bestimmten Form – mit angehängtem bestimmten Artikel – „Russen“. Das heißt tatsächlich gleichzeitig auch „der Russe“, aber der ist hier gerade mal nicht gemeint. In der „russetid“, der Abiturientenzeit, feiern die Schulabgänger wild und ausgelassen, und dabei gibt es natürlich auch Streiche. Das geklaute Eisbärenwarnschild war ein solcher und nichts anderes, und zwar ein durchaus gelungenger Streich, wie auch Sysselmester Lars Fause findet. Immerhin.
Traurig ist es, dass der ressentimentbehaftete Reflex, erst mal Touristen als Urheber allen Übels zu vermuten, unhinterfragt nicht nur am Stammtisch, sondern auch gegenüber einer Zeitung geäußert wird und diese nicht auf die Idee kommt, das zu hinterfragen, sondern den Satz sogar noch zur Überschrift ihres Artikels macht. Man könnte müde darüber lächeln, wenn diese Haltung nicht auch ganz andere, bedeutungsschwere Diskussionen prägen würde, die derzeit laufen, etwa die drohende Schließung großer Teile der Inselgruppe Spitzbergen für die Öffentlichkeit (hier läuft die Diskussion derzeit in den zuständigen Behörden, eine Entscheidung steht noch aus bzw. ist noch nicht öffentlich bekannt).
Vielleicht sollte man lieber noch einen Moment nachdenken, bevor man Touristen (oder wen auch immer) für eine Untat verantwortlich macht, ohne zu wissen, wer es denn tatsächlich war.
Gastbeitrag mit einem Kommentar von Morten Jørgensen zur aktuellen Diskussion, ob Touristen Eisbären „rund um die Uhr“ stören (siehe dieser Beitrag von Rolf Stange, hier klicken). Mortens Beitrag ist nur auf englisch verfügbar. Um ihn zu lesen, wechseln Sie bitte auf die englische Version dieser Seite (Flaggensymbol oben auf der Seite oder einfach hier klicken).
Hinweis: potenziell sicherheitsrelevanter Praxistipp am Ende des Beitrags!
Der Betrieb der Rettungshubschrauber auf Spitzbergen wird nach gesetzlicher Vorschrift alle paar Jahre neu ausgeschrieben. Nach Airlift und Lufttransport ist nun CHC Helikopter Service der Betreiber, eine norwegische Tochter der kanadischen Firma CHC Helicopter.
Das vor Ort befindliche Personal bleibt über den Betreiberwechsel unverändert, um den durchgehenden Betrieb auf Basis langjähriger Erfahrung zu gewährleisten. Selbst im unmittelbaren Zeitraum der Übergabe gab es Rettungseinsätze, die daher reibungslos abgewickelt werden konnten.
Hubschrauber des Sysselmannen (heute: Sysselmester) vom Typ Super Puma:
wird nun modernisiert. (Archivbild von 2015).
Auch die Hubschrauber selbst bleiben dieselben, aber laut Svalbardposten hat CHC Helikopter Service hat angekündigt, die Maschinen technisch zu modernisieren. So sollen sie unter anderem neue Infrarotkameras („Wärmebildkameras“) bekommen sowie Geräte, die es ermöglichen, Mobiltelefone zu orten – und zwar unabhängig davon, ob es im Suchgebiet Mobilnetz gibt, was in großen Teilen Spitzbergens nicht vorhanden ist.
Vorraussetzung ist allerdings – und das ist der oben angekündigte sicherheitsrelevante Praxistipp – dass das Mobiltelefon eingeschaltet und nicht im Flugmodus ist. Dann sendet das Telefon ein Signal, das auch ohne Mobilfunknetz von den am Hubschrauber befindlichen Sensoren empfangen und geortet werden soll.
Eine weitere Voraussetzung scheint zu sein, dass den Rettungskräften die Mobilnummer bekannt ist. Erfahrungsgemäß ist es aber oft so, dass diese Information oft vorhanden ist, wenn Vermisstenanzeigen aufgegeben werden. Wer Freunde, Verwandte oder Bekannte vermisst, hat meist deren Handynummer.
Fazit: Wer sich in Spitzbergen auf Tour begibt, sollte entgegen der bislang weit verbreiteten Praxis das Mobiltelefon für den Fall der Fälle auch dann angeschaltet lassen und nicht in den Flugmodus setzen, wenn es kein Mobilnetz gibt. Und natürlich sollte jemand in der Zivilisation die Tourenpläne kennen und wissen, zu welchem Zeitpunkt ggf. Alarm zu schlagen ist. Dass diese Person die Mobilnummer des Tourengehers haben sollte, ist ohnehin selbstverständlich.