Heute ist der Tag, um zurück zur Westküste zu kommen. Laut Wettervorhersage ist das jetzt das perfekte Zeitfenster. Zunächst ließ der Wind uns allerdings noch etwas im Stich, und statt Windkraft mussten wir auf Diesel zurückgreifen. Immerhin beste Bedingungen, ruhige See. Auf Höhe des Südkaps kam der Wind dann langsam, und ein Segel nach dem anderen ging hoch, bis wir vor der Westküste mit munteren 10 Knoten unterwegs waren – ohne Motor! Herrlich! Und ruhig genug, um sich in Vorträgen mit Eisbären, Spitzbergens Vegetation und historischen Zeichnungen zu beschäftigen.
Ein nächtlicher Sprung nach Südwesten lässt uns im Freemansund aufwachen. Den Morgen verbringen wir auf der Edgeøya in einer weiten Tundralandschaft mit gut entwickelten Phänomenen wie Eiskeilen und alten Strandwällen. Die Artenvielfalt der Tundra ist ebenso erstaunlich wie die Menge von Treibholz am Ufer, und leider auch von Plastikmüll. Davon liegt nach unserem Besuch dort aber immerhin deutlich weniger als vorher.
Morgens haben wir das erschlagend schöne und beeindruckende Alkefjellet vor dem Bug. Ein Ort, wo sich das arktische Leben in einer Masse konzentriert, die kaum fassbar ist.
Nach einem Ausflug in ein polarwüstenhaftes Fossilienparadies auf dem Nordaustland haben wir ein weiteres Weltwunder der arktischen Natur vor der Nase: die Gletscherfront des Bråsvellbreen, eines Teils der großen Eiskappe Austfonna. Ein Hauch von eisiger Unendlichkeit.
Wir haben die schöne Hinlopenstraße erreicht! Von Süden sind wir eingefahren, nachdem wir gestern Abend die weite Gletscherfront der Eiskappe Austfonna passiert haben, leider im Nebel. Aber es gab eine Menge schöner Eisberge.
Wir haben zunächst einer Walrosskolonie die Ehre erwiesen. Die Präsenz war zwar quantitativ nicht gerade rekordverdächtig, was aber nichts machte, die beiden Walrosse waren sehr entspannt und bekamen zwischendurch Besuch von Kollegen und wir verfolgten das Geschehen mit Freude.
Nachmittags wollte ich mit einer kleinen Gruppe mutiger Expeditionisten eine Wanderung mit Zelt und Rucksack und allem Drum und Dran starten, zwecks Querung der Scaniahalvøya mit Übernachtung in einem weiten Tal zwischen großen Eiskappen. Guten Mutes standen wir mit gepackten Rucksäcken an Deck. In der weiten Tundra lag ganz in der Nähe unserer Strecke allerdings ein verdächtiger heller Punkt, der sich bei näherer Betrachtung tatsächlich als schlafender Eisbär herausstellte, so dass aus der Tour leider nichts wurde und die Zeltwanderer sich den „normalen“ Touren anschlossen. Bald waren alle in der Augustabukta an Land und zogen an den Resten einer Hüttenruine vorbei in die weite Küstenebene, die sich stellenweise als artenreiches Blumenparadies entpuppte. Der zeitweise kräftige Wind nahm ab und nach und nach kam die Sonne heraus. Kieshügelchen um einen Bachlauf herum entpuppten sich als Fossilien-Eldorado, und eine kleine Herde Rentiere erwies sich als neugierig und annäherungsfreudig.
Wir haben uns in den abgelegensten Teil Spitzbergens vorgewagt, zur Insel Kvitøya im fernen Nordosten, kurz vor dem russischen Franz Josef Land. Dort gelangten am 05. Oktober 1897 Salomon August Andrée, Knut Frænkel und Nils Strindberg nach 3 Tagen Ballonfahrt und über 2 Monaten Odyssee übers Eis an Land. Sie begannen mit den Vorbereitungen für die Überwinterung, starben aber alle drei bald an Ursachen, die bis heute nicht vollständig bekannt sind.
Es braucht viel Glück, damit an diesem Ort eine Anlandung gelingt. Bis heute ist diese Insel auch im Sommer manchmal mit Treibeis abgesperrt, und wenn das nicht der Fall ist, dann geht die Brandung am ungeschützten Ufer hoch. Und wenn auch das nicht der Fall ist, hängen meistens ein paar Eisbären in der Nähe herum. Der Weg zum Denkmal, das den letzten Lagerplatz von Andrée, Frænkel und Strindberg markiert, ist vom Ufer aus kurz, aber voll mit Hindernissen.
Heute haben wir Glück! Es ist etwas neblig, was sehr gut zur desolaten Stimmung dieses Ortes passt.
Ein selten schöner Tag in einer selten schönen Landschaft am Ende der Welt, in einer kleinen Bucht im fernen Nordosten des fernen Nordaustlandes. Scheinbar leere Polarwüste, voll mit Farben und Strukturen.
Nach einigen Stunden Fahrt durch unbekanntes Gewässer zwischen felsigen Inseln hindurch erreichen wir eine Bucht mit einem großen Gletscher und vielen Eisbergen. Hier und dort schwimmen Walrosse im Wasser, und dann entdecken wir drei Eisbären, die den Fjord auf dem Wasserweg queren. Eine Mutter mit zwei diesjährigen Jungen, die zwischen den Eisbergen hindurchpaddeln, um dann das steile Ufer hinaufzuklettern.
Das Wetter ist so richtig auf unserer Seite! Zunächst gelingt uns bei spiegelglatter See (und ebenfalls sehr glatten Ufersteinen) eine Landung auf der kleinen, abgelegenen Waldenøya. Das ist definitiv eine Insel, wo nicht ständig Leute hinkommen! 1894 war Walter Wellman mit seiner Expedition für ein paar Wochen dort gestrandet. Wir sitzen auf den Steinen in der Sonne und genießen das Dasein und den unverstellten Blick bis zum Nordpol.
Sogar bis hinauf zur Rossøya scheint die Sonne und das Meer liegt still wie ein Spiegel. Wir fahren mit den Zodiacs um diesen nördlichsten Felsen herum, den ganz Svalbard (Inselgruppe Spitzbergen) zu bieten hat. Weiter nördlich kommt nur noch Wasser, flüssig und fest, und der Nordpol. Wir genießen die selten schönen Stunden und feiern die nördliche Breite.
Ein abendlicher Abstecher zur Phippsøya bringt keine Walrosse, wie zunächst erhofft, dann aber ziemlich unverhofft einen Eisbären. Alex hatte das Vergnügen, ihn (bzw. vermutlich sie) aufzuscheuchen. Es hat schon seinen Sinn, erst mal einen (bewaffneten) Guide vorwegzuschicken … alles läuft entspannt ab, der Bär zeigt keinerlei Interesse an uns, sondern wendet seine Aufmerksamkeit recht vergammelten Überresten eines Walrosses zu, wobei wir mit großer Freude und in aller Sicherheit von den Booten aus zuschauen und fotografieren. Ein grandioser Tag auf 80 Grad Nord!
Einen vollen Tag in Spitzbergens Natur unterwegs zu sein macht natürlich viel Freude, zumal bei schönem Wetter. Und die warmen Quellen tief im Tal hinterm Bockfjord sind sehr interessante Ziele für eine lange Tour. Blumenreiche Tundra und eine wattenmeerartige Schwemmebene begleiten uns jeweils über Kilometer, und nach einer gepflegten Mittagspause haben wir die Felder mit den Sinterterassen erreicht. Hier hat die Natur ein paar sehr beeindruckende Kunstwerke geschaffen! Und das vor einer wirklich beeindruckenden Kulisse aus einer ganzen Wand tiefroter Berge und gewaltigen Moränen.
Wir genießen die Landschaft, das Wetter und das Leben in vollen Zügen und lassen uns Zeit. Nach fast 9 Stunden sind wir wieder an Bord zurück.
Natürlich gab es auch Touren im üblichen Rahmen, die zu den ufernahen Sinterterassen der dortigen warmen Quellen führten und zu einem nahegelegenen Gletscher.
Die Zeit fliegt dahin in der sommerlichen Arktis. Weltbewegendes ist in Longyearbyen in jüngster Zeit nicht passiert.
Jemand hat es geschafft, ein Auto in einem Tümpel neben der Straße im Adventdalen zu versenken. Man fragt sich, wie und warum. Verletzt wurde niemand.
Touristen meinen, Hütten in der Wildnis seien prinzipiell offen und für alle. Beides ist nicht der Fall. Es brauchte die Polizei, um diese Botschaft überzeugend zu vermitteln. Auf einem kleineren Motorboot brauchte es ebenfalls die Polizei, um zwei Touristinnen zu vermitteln, dass man nach Ende der Tour das Boot auch dann verlassen muss, wenn das Wetter schlecht und die Tour nicht wie erhofft verlaufen war. Longyearbyen kann sich nicht ganz zwischen Lachen und Weinen entscheiden. In einem weiteren Fall fand die Polizei Wirbelknochen eines marinen Säugetiers im Gepäck eines Touristen am Flughafen. Nicht gut.
Gråhuken! Kurz davor wachen wir auf. Es weht ein schwacher Wind aus Nordwest, aber nur wenig, so dass wir ohne Probleme landen können. Das tun wir gerne, um die Hütte anzuschauen, in der 1934-35 die berühmte Überwinterung aus Christiane Ritters „Eine Frau erlebt die Polarnacht“ stattgefunden hat. Ich habe noch einen besonderen Grund im Gepäck, Ritters Hütte auf dieser Runde die Ehre zu erweisen, was den heutigen Besuch zu einem sehr besonderen, berührenden Erlebnis macht. Mehr hierzu vielleicht später mal.
Dramaturgisch perfekt getimt, tauchte in einem fortgeschrittenen Stadium unseres Besuches ein Eisbär auf. Sobald er uns wahrgenommen hatte, verschwand er zügig, und wir taten dasselbe.
Ein Abstecher auf eine der kleinen Inseln im Liefdefjord gestaltet sich zu einem Ausflug in ein arktisches Paradies. Farben, Strukturen, Vögel. Und zwar von allem reichlich.
Eine ruhige Nacht vor Anker, herrlich! Mindestens so herrlich war die Tour auf der Blomstrandhalvøya. Die Küstenlandschaft ist sehr abwechslungsreich, vor allem, wenn man ein paar bestimmte Ecken kennt. Es gibt nicht nur Ny London, sondern noch so ein paar richtig schöne, versteckte Stellen.
Dann setzen wir Kurs Nord. Der Wind pustet zwar nicht ganz so fröhlich wie erwartet, aber immer noch fröhlich genug, um die Tücher zu füllen, und so genießen wir die Stille unter Segeln und einem Himmel, dessen Farben zwischen Grau, Silber und punktuellem Blau oszillieren.
Unser erster Tag unterwegs! Unser erster Halt ist Ny-Ålesund im Kongsfjord, für einen schrittweisen Abschied von der Zivilisation. Der Ort ist ruhig heute, Gänsefamilien weiden auf der Tundra zwischen +den Häusern. Alex macht eine Führung durch den Ort, Rolf eine Führung zum Mast und zwischendurch begegnen wir zufällig Maarten Loonen, dem Leiter der niederländischen Forschungsstation, der uns noch das Neueste vom Neuesten von den Eiderenten und Weißwangengänsen im Kongsfjord erzählt. Deren Nachwuchs ist dieses Jahr weitgehend Eisbären zum Opfer gefallen.
Nachmittags fahren wir in den Krossfjord und gehen an der alten Rudi-/Mansfield-Hütte Camp Zoë in die Tundra und die Hügel hoch. Die umstehenden Berge sind sehr beeindruckend, Rentiere, Schneehühner und ein einsamer Eisfuchs laufen über die Tundra und auf dem blauen Wasser des Krossfjord tanzen weiße Schaumkrönchen.
Ein Besuch beim Tinayrebreen ist das abschließende Sahnehäubchen auf diesem Tag, einem Freitag dem 13., an dem Anke und Christiane Ritter Geburtstag haben. Herzlichen Glückwunsch!
Über den Erdrutsch beim Friedhof in Longyearbyen und die anschließende Sperrung des Weges 300 vom alten Museum zum Huset wurde bereits berichtet.
Ab sofort ist der Weg 300 für Fußgänger und Radfahrer wieder geöffnet, wie der Sysselmannen mitteilt. Motorisierter Verkehr ist weiterhin nicht zugelassen. Das gilt bis auf Weiteres, bis die Einschätzung der Gefahrenlage durch Erdrutsche, Lawinen, Steinschlag etc. sich nach Ansicht der Behörden verändert.
Am 2. Juli feiert die traditionsreiche Reederei Hurtigruten ihren 125. Geburtstag und macht zugleich der Umwelt ein Geschenk: Ab heute will Hurtigruten alles Einwegplastik von seinen Schiffen verbannen. Kein Plastikstrohhalm, kein Rührstäbchen im Plastikkaffeebecher, kein Plastikdeckel und keine einzige Plastiktüte sollen dann mehr auf den Schiffen zu finden sein.
Das ist nur konsequent: Schiffsreisende sind täglich Zeuginnen und Zeugen der Verschmutzung der Meere mit Plastikmüll. Das meiste Plastik in den Ozeanen stammt zwar aus der Fischerei, aber auch Plastikflaschen, Plastiktüten oder andere Alltagsartikel aus Plastik landen tonnenweise an den Stränden Norwegens und am Ende viel zu oft in den Mägen von Seevögeln, Fischen und Walen.
Plastikmüll in Mushamna/ Spitzbergen
Das Verbot von Einwegplastikartikeln soll für die gesamte Hurtigruten Flotte gelten, also sowohl auf der legendären Postschiffroute von Bergen nach Kirkenes, als auch auf den Kreuzfahrtschiffen in polaren Gewässern sowie in allen landbasierten Einrichtungen und auch auf Spitzbergen.
Ehrgeiziges Ziel von Hurtigruten auf lange Sicht ist es sogar, die erste kunststofffreie Reederei der Welt zu werden. Auch wenn in der Kreuzfahrtbranche grade mit Blick auf den Schadstoff- und CO2 Ausstoß sicher noch viel zu verbessern ist, ist das Verbot von Einwegplastik ein erfreulicher Schritt in die richtige Richtung.
Bald frei von Einwegplastik: Hurtigruten Museumsschiff in Stokmarksnes/ Lofoten
In Longyearbyen ist vor einigen Tage am Platåberg ein Erdrutsch abgegangen. Die Rutschung liegt dicht neben dem Friedhof und ist über die Straße hinweggegangen. Daher hat der Sysselmannen die Straße vom alten Museum am Friedhof vorbei Richtung Huset bis auf Weiteres komplett gesperrt, also auch für Fußgänger und Fahrradfahrer. Verletzt wurde niemand, soweit bekannt, hat auch niemand die aktuelle Rutschung während des Ereignisses beobachtet.
In dem Bereich hat es schon in früheren Jahren vielfach Rutschungen gegeben, was grundsätzlich an derartigen Hängen mit nach oben zunehmendem Gefälle und viel losem Hangschutt im wasserreichen Frühsommer normal ist. Da der Friedhof möglicherweise gefährdet ist, hat es sogar bereits Überlegungen gegeben, diesen zu verlegen, etwa in ein nicht gefährdetes Gebiet in der Nähe der Kirche. Bislang ist aber nichts entschieden worden.
Natürlich ist an das Risiko solcher Rutschungen auch andernorts im Gelände zu denken. Rutschungen dieses Typs gehen eher fließend als fallend ab, so dass Fußgänger normalerweise in der Lage sein sollten, sich rechtzeitig aus der Gefahrenzone zu entfernen. Aber es gibt andere, schnellere und somit gefährlichere Typen von Massenbewegungen auf Hängen, und etwa bei der Zeltplatzwahl auf Trekkingtouren muss man natürlich rutschungsgefährdetes Gelände vermeiden. Das Beispiel aus Longyearbyen zeigt, wie weit solche Rutschungen ins flache Gelände hinein reichen können.
Anders ist die Geschwindigkeit und damit das Gefahrenpotenzial bei Sulzmuren, die zur Zeit der Schneeschmelze in schmalen Tälchen auftreten können. Diese können so schnell werden, dass man sich nicht mehr in Sicherheit bringen kann. Bei einem solchen Ereignis kam im Juni 1992 im Liefdefjord ein Wissenschaftler ums Leben, ein zweiter konnte sich nur knapp retten.