Wieder erstrahlte die schneebedeckte Arktis um uns herum im Sonnenschein. Schnee und Eis, Land und Fjord, Gletscher und Berge, wohin das Auge schaut. Spitzbergen zeigte sich heute in bester Laune.
In der Ymerbukta.
Und Rentiere. Zahlreich auf schneebedecktem Flachland, sie freuen sich darauf, dass die Tundra bald schneefrei werden wird.
Rentiere am Erdmannodden.
Der Nachmittag bot einen starken visuellen Kontrast und eine Portion Geschichte in Colesbukta, einer alten russischen Grubensiedlung, zu der die Kohlegrube Grumant gehörte. (Hier klicken für etwas mehr Hintergrundinfo zum russischen Bergbau auf Spitzbergen).
Der Tag begann im Van Mijenfjord, wieder mit strahlendem Sonnenschein. Große Teile des Fjords sind noch solide gefroren, und wir haben uns eine Weile von der Eiskante faszinieren lassen.
Die Meander an der Eiskante im Van Mijenfjord.
Der Nachmittag brachte uns tatsächlich entgegen sonstigem Erleben der letzten Tage auf sehr erfreuliche und angenehme Art und Weise unter Segeln nach Norden in den Isfjord, wo uns zu mitternächtlicher Zeit kurz nach Erreichen der Ankerstelle tatsächlich noch ein Eisbär begegnete!
Ach ja, zuerst kam ja noch die Überfahrt von der Bäreninsel nach Spitzbergen. Schon verdrängt 🙂 nun, wenn der Wind zur Abwechslung mal nicht von vorn gekommen wäre, wäre es schöner gewesen … aber wir sind angekommen, was will man letztlich mehr.
Treibeis in der Barentssee nördlich der Bäreninsel.
Im Bellsund kamen dann gleich mehrere Belohnungen. Ein schöner Landgang in der Winterlandschaft am Midterhuken. Mit Eisbär (ganz friedlich und schön).
Eisbär im Bellsund.
Teile der Fjorde sind noch zugefroren, es ist ja auch noch mehr Winter als alles andere. Vielerorts sind die Ufer von Eisgürteln versperrt. Schön anzuschauen, schöne Spielwiesen für kleine Ausfahrten mit den Booten.
Die Bäreninsel! Es hatte ja eine ganze Weile gedauert, bis das Wetter uns die passende Gelegenheit zur Passage hierher bot (von Corona gar nicht zu reden – das Virus ließ die Insel für uns ja zwei Jahre lang von der Land- beziehungsweise Seekarte verschwinden).
Aber Sonntag Abend lag sie vor uns, sichtbar schon aus über 70 Kilometern Entfernung.
Während der Nacht stellten wir allerdings fest, dass große Teile der Insel im Treibeis lagen – heutzutage ein eher seltenes Ereignis. Darunter die gesamte Südspitze mitsamt der Bucht Sørhamna, wo wir eigentlich hatten ankern wollen. Nun, dann eben nicht.
So waren wir dann auf einmal im Nordwesten der Bäreninsel und fanden dort den einzigen Fleck, wo die Kombination aus Dünung, Wind und Eis es derzeit zuließ, etwas zu unternehmen. Es wurde eine kleine Zodiacfahrt mitsamt kurzer Landung an einem kleinen, eisigen Strand. Es hat schon längere Touren auf der Bäreninsel gegeben, aber diese wilden, teilweise eisverkrusteten Felsküsten im Sonnenschein … herrlich!
Auch Richtung Spitzbergen sorgen Treibeisfelder derzeit für den einen oder anderen Umweg. Zwischendurch hatten wir schon Kurs auf Grönland 🙂
Das Wetter spielt uns derzeit schon Streiche. An die Überfahrt Richtung Bäreninsel ist nach wie vor nicht zu denken – wobei, natürlich denken wir an diese Überfahrt, aber passieren wird sie sicher erst in ein paar Tagen. Daher wollten wir also erst einmal nach Oksfjord. Aber auch da hatte das Wetter etwas dagegen, und so landeten wir schließlich in Lille Kvalfjorden auf Stjernøya. Schon mal gehört? Vermutlich nicht …
Lille Kvalfjord auf Stjernøya im Altafjord.
Dabei gab es in dieser ziemlich einsamen Bucht sogar mal eine kleine Siedlung. Die ist aber verlassen. Überhaupt passt die Überschrift „lost places“ bestens zu Lille Kvalfjord. Aber schön ist es! Tiefer Schnee, Felsen und Berge, einsame Häuschen im niedrigen Wald … da haben wir uns natürlich erst mal umgesehen.
Die Stjernøya, auf samisch Stierdná, hat von alters her eine wichtige Rolle für die samische Bevölkerung gespielt, die im Sommer hier auf der Insel immer noch Rentiere hält.
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Später haben wir Kurs auf Hammerfest gesetzt.
Hammerfest
Hammerfest! Wer hätte es gedacht? In diesem Städtchen weit im nördlichsten Norwegen war ich ja noch nie, aber nun hat der Wind uns im wahrsten Sinne hierher gepustet. Auch nicht schlecht!
Das „alte“ Zentrum von Hammerfest bei Wetter, das zur Breitenlage passt.
Hammerfest gehört zu den Orten, die für sich in Anspruch nehmen, die nördlichste Stadt der Welt zu sein. Das mag ja auch zeitweise mal richtig gewesen sein, wobei es sicher davon abhängt, was man als Stadt bezeichnet. Mit gut 11.000 Einwohnern ist das hier schon deutlich größer als Longyearbyen, keine Frage.
Hier haben wir also den Freitag verbracht, wieder einmal bei beeindruckenden Wetterwechseln, ein mehrfaches Hin und Her zwischen heftigen Schneeschauern mit stürmischen Böen bis hin zu Sonnenschein. Und wieder zurück.
Das Struve-Meridiandenkmal in Hammerfest.
Hammerfest ist, zumindest auf den ersten Blick, einigermaßen überschaubar. Neben dem Ort selbst mit diversen Geschäften, Kneipen und Hafen gibt es als eine der bekannten Sehenswürdigkeiten das Denkmal für die Meridianmessung von Wissenschaftlers Friedrich Georg Wilhelm von Struve aus Altona – wirklich eine beeindruckende Leistung, diese Vermessung eines Meridianbogens vom Schwarzen Meer bis nach Hammerfest in den Jahren 1816-1855. Dann gibt es natürlich den berühmten Eisbärenklub (nein, ich bin nicht Mitglied geworden) und das Museum, das die regionale Geschichte zeigt, von der Steinzeit bis zur totalen Zerstörung im zweiten Weltkrieg. Daher gibt es in Hammerfest auch überhaupt keine älteren Gebäude mehr.
Und dies und das und jenes. Man kann hier durchaus einen Tag verbringen.
Wir gehen davon aus, dass wir morgen (Samstag) Kurs auf die Bäreninsel setzen werden.
Ein Nachmittag unter Segeln hatte uns gestern noch in den Kåfjord gebracht, tief hinten im Altafjord. Hier wurde früher Kupfer abgebaut, und Reste der Bergbauanlagen kann man heute noch sehen. Inmitten einer schönen Schneelandschaft, denn es hatte gestern noch kräftig geschneit, so dass wir teilweise richtig durch Pulverschnee stapfen!
Überhaupt macht das Wetter Sachen derzeit … bis wir die Überfahrt zur Bäreninsel angehen können, muss sich das noch etwas ändern.
Im Kåfjord.
Später ging es schön unter Segeln durch den Altafjord nach Norden. Unseren Plan, nach Oksfjord zu fahren, haben wir angesichts des heftigen Gegenwinds im Stjernsund allerdings aufgegeben.
Leinen Los! Und zwar mit der Meander in Alta, ganz im Norden Norwegens, zwischen Tromsø und Nordkapp. Die Meander ist mit Baujahr 1946 – damals als Fischkutter und zwischenzeitlich mehrfach umgebaut – zwar alles andere als ein neues Schiff, aber hier oben eben doch neu, und ich bin sehr gespannt! Nicht nur ich, sondern auch die Gruppe aus 11 Arktis-Reisenden und die vierköpfige Mannschaft, darunter Kapitän/Eigner Mario, Steuermann (sonst auch Kapitän)/Eigner Heine, Deckhand Bastian und Köchin Eek.
An Bord ging es also in Alta. Die Stadt ist nicht unbedingt eine archtektonische Perle, aber wer gerade als Deutscher meint, sich darüber beschweren zu müssen, sollte einen Moment daran denken, wer die ganze Region 1944/45 in Schutt und Asche gelegt hat. Nein, nicht das Arschloch im Kreml. Das war damals noch das Arschloch in Berlin.
In Alta geht’s los. Hier die Nordlichtkathedrale im Zentrum.
Entschuldigung, wenn ich verbal etwas entgleite. Aber es fällt mir da mitunter schwer, die Notwendigkeit höflicher Formulierungen zu sehen, gerade derzeit … aber wir hier freuen uns darauf, eine Weile etwas weiter weg zu sein von all dem Elend, dessen wir uns aber schmerzhaft genug bewusst sind.
Aber mehr als genug davon. Montag Nachmittag ging es also an Bord, und bald darauf auch los.
SV Meander in Alta.
Unser Ziel ist zunächst die Bäreninsel und dann Spitzbergen. Wir werden aber zunächst noch ein paar Tage in den Küstengewässern der Alta-Region verbringen. Mit Blick aufs Wetter eine sehr klare Entscheidung, nicht direkt auf die offene See hinaus zu fahren. Zunächst steuern wir Årøy an, eine kleine Insel im Altafjord.
SV Meander vor der Insel Årøy im Altafjord.
Die Wetterwechsel, die wir Dienstag Vormittag auf dieser kleinen, schönen Insel erlebten, waren schon beeindruckend! Schön war diese erste, kleine Tour. Den Rest erzählen die Bilder:
… so, wie er sein soll. Nach all den teilweise ziemlich heftigen und schnellen Wetterwechseln um Mitte März hat der Winter sich in guter Form zurückgemeldet, zunächst mit Temperaturen teilweise deutlich unterhalb von -20 Grad, strahlend blauem Himmel und wenig Wind, so dass Tourengeher aller Art ihre Freude haben konnten.
Vom Wind geschliffene Schneeoberfläche im Nordenskiöld Land.
Hatten wir auch. Arktische Winter-Eindrücke vom Feinsten. Zumal der März ein Monat ist, der bei passendem Wetter sehr schöne Lichtstimmungen bieten kann: Nachts wird es noch mehr oder weniger dunkel, wobei es ab Mitte März für Nordllichter langsam schon eng wird. Aber noch bringen Sonnenuntergänge abends wunderbare Farben über die eisigen Inseln. Nach der Tagundnachtgleiche am 20. März weicht die nächtliche Dunkelheit dann mit schnellen Schritten der nahenden Mitternachtssonne. Wie auch der Spätsommer eine wunderbare Zeit, um auf langen Touren schönste Lichtstimmungen zu genießen.
Die tief stehende Sonne beleuchtet bei sehr kalten Temperaturen Seenebel über dem Adventfjord, mit dem Flugplatz im Hintergrund. Das Licht des Nordens!
Wir haben das ausgenutzt. Hier einige Eindrücke aus dem Lichtwinter in Spitzbergen in der zweiten Märzhälfte, zwischen Ostküste, Adventfjord und Van Mijenfjord:
Von den eher unerfreulichen Wetterkapriolen der letzten Woche war auf dieser Seite schon die Rede. Am Freitag ist das Polartief über Spitzbergen hinweg gezogen und hat innerhalb von kurzer Zeit ein paar bemerkenswerte Wetterwechsel gebracht: Der Regen hörte endlich auf, stattdessen war wieder etwas Schnee gefallen und die Temperaturen fielen mal wieder unter den Nullpunkt, wenn auch nur knapp.
Erster kleiner Ausflug ins Adventdalen nach dem Tauwetter.
Damit ließ sich endlich mal wieder etwas Sinnvolles anfangen.
Es dauerte allerdings nur Stunden, bis ein Schneesturm losbrach, der sich gewaschen hatte. Ich weiß gar nicht, was für Windgeschwindigkeiten erreicht wurden, aber der Aufenthalt draußen war kaum möglich – Sehen und Atmen waren in dem wirbelnden Gemisch aus Luft und feinem Schnee schwierig, und der Wind konnte einen von den Füßen blasen. Zudem flogen hier und da Gegenstände durch die Luft – der Wind hatte tatsächlich einige kleinere Schäden angerichtet, auch an Gegenständen, die schon seit Jahren unbeschadet im Freien gestanden hatten.
Schneesturm in Longyearbyen.
Der spannende Spuk währte aber nur kurz, und am Samstag konnte man bereits wieder ein Stück weit den arktischen Winter genießen, wobei man sagen muss, dass die Schneeverhältnisse vor allem bei Longyearbyen deutlich unter dem Tauwetter gelitten haben. Allzu viel Spielraum ist im Fall eines weiteren Tauwettereinbruchs nun nicht mehr.
Aber vielleicht fällt ja stattdessen auch erst mal wieder Schnee.
Winterlandschaft am Elveneset im Sassenfjord am Samstag.
Aber es ist und bleibt ein ebenso erstaunliches wie verlässliches Phänomen, dass Tauwetter immer am stärksten in und um Longyearbyen herum wirkt. Dort setzt die Schneeschnmelze – gleich ob verfrüht oder kalendergerecht – mehrere Wochen ein, bevor sie v.a. weiter östlich anfängt, sich ernsthaft bemerkbar zu machen. Während in Longyearbyen alles wegfließt, herrscht im Sassendalen noch tiefer Winter. Sobald man Longyearbyen und das unterste Adventdalen hinter sich gelassen hat, könnte man beinahe meinen, es wäre nichts gewesen.
Ein paar Eindrücke von diesen wettermäßig recht turbulenten Tagen:
Nun, „schlechte Zeiten“ ist natürlich relativ. Hier fallen keine Schüsse und Bomben. Uns geht es gut. Es fällt nur Regen. Davon aber viel zu viel, und ein großer Teil der Schönheit um uns herum ist in den letzten Tagen weggeschwommen.
Ein kräftiges Tiefdruckgebiet saugt warme Luft aus dem Süden an und pumpt sie nach Norden. Diese Luft bringt Wind, Feuchtigkeit und Wärme mit sich. Von allem deutlich mehr, als man gerne hätte.
Unsere kleine Welt hier oben schmilzt.
Longyearbyen: Bäche mit Regen- und Schmelzwasser laufen über die Straßen.
Das war zumindest über Tage hinweg der Eindruck, den man bekam, gleich wohin man schaute. Wasser fiel vom Himmel, Wasser färbte den Schnee erst grau, dann dunkel und verwandelte ihn schließlich vielerorts in kleine Seen auf der Tundra. Wasser brach sich Bahn in Bächen und Flüssen, die eigentlich noch monatelang gefroren sein sollten.
Für einen kleinen Gang nimmt man am besten Gummistiefel, schnell versinkt man bei einem falschen Tritt auch im Ort weit über den Knöchel hinaus im Schneesumpf. Einen Schritt weiter kann es allerdings spiegelglatt sein. Überall gibt es seifenglatte Eisflächen, gerade auch auf den Straßen und Wegen im Ort. Die in Norwegen weit verbreiteten Spikes sind eine ganz hervorragende Erfindung, die sicher schon unzählige schwere Stürze verhindert haben.
In Longyearbyen mussten Abflüsse für Bäche und Flüsse freigelegt werden, um Überschwemmungen zu verhinden. Im Mai oder Juni ist das Routine, im März aber sehr ungewöhnlich.
Wer hinaus will in die winterliche Arktis, wartet besser, bis sie wirklich wieder winterlich ist. Es steht außer Frage, dass es wieder kälter werden wird. Der Winter ist nicht vorbei, er macht nur Pause. Die Flüsse werden wieder zufrieren, aus den Seen werden glatte, solide Eisflächen werden.
Die Frage ist, ob und wann noch mal genügend Schnee fällt, um die so löchrig gewordene weiße Decke wieder zu flicken. Das ist zu hoffen, im Interesse all jener, die in den nächsten Wochen hier Tourenpläne haben. Und das sind im März und April sehr viele.
Aus Motorschlittenrouten werden Sümpfe und Seen im Schnee. Wer jetzt noch fährt, riskiert steckenzubleiben und die Vegetation unter dem geschmolzenen Schnee zu beschädigen.
Bis die Schneeschmelze dann irgendwann im Mai kalendergerecht diesen Winter beenden wird.
Es ist aus gutem Grund verboten, abseits der Wege auf nicht gefrorenem, nicht aufgetautem Untergrund zu fahren. Manche gehen mit diesem klaren Verbot am Saisonende oder in Tauwetterphasen recht liberal um, um es höflich zu formulieren. Das Ergebnis bleibt viele Jahre lang sichtbar, wie hier im Bild (Adventdalen neben der Straße, Bild von Juni 2019).
Die heute wohl unvermeidliche Frage: ist das jetzt Wetter oder Klimawandel? Meine kurze Antwort: sowohl als auch. Ohnehin sind Wetter und Klima ja nicht wirklich voneinander zu trennen, es handelt sich um verschiedene zeitliche Perspektiven auf das gleiche Sammelsurium an Phänomenen, die zusammen den Zustand der Atmosphäre vor allem in Bodennähe beschreiben. Temperatur, Niederschlag, Wind, Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, um die wichtigsten zu nennen. Wetter ist das, was man hier und jetzt sehen, fühlen und messen kann. Klima ist das, was über Jahrzehnte daraus wird. Mittelwerte, Tendenzen und so. Nicht unmittelbar messbar, aber mittels statistisch aufbereiteter Messdaten erfassbar.
Im konkreten Einzelfall ist es sehr schwer zu sagen, ob es ohne den Klimawandel auch eingetreten wäre. Hier hat die Wissenschaft in den letzten Jahren einige Fortschritte gemacht, und es wäre interessant zu hören, was ein Fachwissenschaftler zu dem aktuellen Warmlufteinbruch sagen würde.
Erst mal kann man nur Vermutungen anstellen auf Basis der bekannten Tendenzen. Und die sind klar: weniger stabile, häufiger wechselnde Wetterlagen, häufigere Stürme und mehr Niederschlag ist das, was der Klimawandel in die maritim geprägte Arktis im Nordatlantik bringt. Tauwettereinbrüche auch im tiefsten Winter gab es im Einzelfall auch früher schon, aber ihre Häufigkeit und Intensität ist in jüngerer Vergangenheit gestiegen und diese Tendenz wird sich wohl fortsetzen.
Die Wahrscheinlichkeit ist also wohl sehr hoch, dass es den aktuellen Warmlufteinbruch so ohne den Klimawandel nicht gegeben hätte, beziehungsweise dass er viel weniger intensiv ausgefallen wäre. Ohne tagelangen Regen bei Temperaturen um 5 Grad plus.
Auch Einheimische, die hier schon viele Winter erlebt haben, schauen mit Befremden und mehr oder weniger entsetzt auf das große Schmelzen. Und wer sich gerade diese Tage ausgesucht hatte, um den Winter in der Arktis zu erleben, hat wirklich maximales Pech.
Spitzbergen im schönen Lichtwinter, so wie es sein soll. Schnee und Kälte. Die berüchtigten Warmwettereinbrüche mit Plusgraden, Regen und Schneeschmelze mitten im Winter hatte es bislang noch nicht gegeben in diesem Winter, worüber Menschen und Tiere sich freuen.
Spitzbergen-Winter: Pingos im Adventdalen
Auch wir haben uns darüber gefreut und die schönen Tage gut genutzt, in Longyearbyens näherer und etwas weiterer Umgebung. Auf bekannteren und touristisch eher unüblichen Routen.
Man lernt in der Arktis ja nie aus. Dass schneebedeckte Steinhaufen am Fuß steilerer Hänge zum Bremsen eher ungeeignet sind und dass das Absteigen vom Motorschlitten fliegend nach vorn mit dem (glücklicherweise vorschriftsgemäß behelmten) Kopf durch die Windschutzscheibe hindurch nicht empfehlenswert ist, das weiß ich jetzt. Nicht, dass ich mir das nicht schon vorher hätte denken können 😉 das war nicht auf einer der touristisch üblichen Routen.
Aber kleine Zwischenfälle gibt es immer auf Touren in der Arktis. Solange es bei einem kleineren, schnell behobenen Materialschaden bleibt, ist alles in bester Ordnung. Wie gesagt, wir haben diese schönen Tage genossen. Hier folgen ein paar Eindrücke zwischen Longyearbyen, Nordmannsfonna und Tempelfjord:
Das Sonnenfest (solfest) in Longyearbyen ist für viele ein Höhepunkt im Jahreskalender. Die Wiederankunft der Sonne in dem kleinen Ort zwischen den großen Bergen wird traditionell am 8. März gefeiert, denn an diesem Tag erreichen die ersten direkten Sonnenstrahlen den ältesten Ortsteil Skjæringa, wo man sich ganz in der Nähe der Kirche an der „Alten Krankenhaustreppe“ versammelt und feiert.
Sonnenfest (Solfest) in Longyearbyen.
So auch an diesem 8. März, obwohl Wolken am Südhorizont drohten, das Vergnügen zu trüben. Dennoch versammelten sich hunderte Einwohner und sicher auch etliche Touristen, um das Licht zu begrüßen. Zum moderierten Programm gehört Gesang, und als sich die Sonne gegen Viertel vor eins noch zierte, wurde sie lautstark auf traditionelle Weise angefeuert, bis sie sich tatsächlich blicken ließ!
Sonnenfest (Solfest) in Longyearbyen: „Here comes the sun“ 🙂
Ein Glücksfall – kurz darauf hatte der Südhorizont sich wieder in flächendeckendes Grau gehüllt.
Tatsächlich besteht das Sonnenfest übrigens in einem Kulturprogramm, das sich über die ganze Woche erstreckt. Dieses Programm leidet dieses Jahr allerdings kräftig unter Corona: Mehrere Programmpunkte wie etwa traditionelle „Solfestrevye“ werden mittelfristig verschoben, da ein großer Teil der Darstellenden derzeit an der in Longyearbyen kräftig grassierenden Omikron-Variante erkrankt ist.
Nach fünf Wochen bin ich nun von Farmhamna wieder in die Zivilisation zurückgekehrt. Also, in etwas weiterem Sinne. Longyearbyen. Rechtzeitig zum hiesigen Sonnenfest, dem zweiten für mich dieses Jahr, in Farmhamna hatten wir das ja schon einmal, am 16. Februar 🙂
Die Zeit in Farmhamna war wunderbar in vieler Hinsicht, sehr erlebnisreich, spannend und interessant. Viel für Herz und Seele, viel Futter für einen Arktis-hungrigen Geist und viel für die Kamera.
Jetzt ist diese Zeit vorbei. Ich war ja in Farmhamna etwas schreibfaul, habe mich lieber dem dortigen „hier und jetzt“ hingegeben als dem Computer. Ich muss da noch mal irgendwie drauf zurückkommen. Aber nicht hier und jetzt.
Farmhamna ist schon etwas am Ende der Welt. Dort hinzukommen ist kein Selbstläufer. Dort wieder wegzukommen auch nicht unbedingt, wie diese Bilder zeigen:
Brandung kann einem das Leben an der Westküste immer schwer machen …
Dieses Jahr erscheint aktuell übrigens recht eisreich, auch an der Westküste gibt es derzeit vielerorts Treibeis, wie die Eiskarte zeigt. Das war in jüngeren Jahren zu dieser Zeit nicht unbedingt immer so.
… und Eis ist auch kein ganz unbekanntes Phänomen in Spitzbergen.
Auch um Farmhamna herum gab es in den letzten Wochen ziemlich viel Eis. Mitunter war die kleine Halbinsel komplett von Eis versperrt, wie auch andere Buchten in der Umgebung.
So hatte die Bucht Farmhamna wochenlang ausgesehen.
Die Kombination aus Brandung auf der einen Seite der Halbinsel und Eis auf der anderen Seite hat den Mannschaftswechsel in Farmhamna – Rico wird mich los und bekommt dafür seine Familie zurück 🙂 – definitiv nicht vereinfacht. Letztlich gelang es den beidens Henningsens von Henningsen Transport und Guiding, die mit ihrem kleinen Schiff Farm (die Namensverwandschaft zum Ort ist kein Zufall) für den Transport standen, aber, Menschen und Gepäck hin- und herzubringen, wenn auch unter erschwerten Umständen.
Die Abholung läuft, trotz Eis.
An Bord gab es noch eine kleine Gruppe nahestehender Menschen, darunter Kristina, die gerne die Gelegenheit zu einem kleinen Besuch auf Farmhamna genutzt hätte. Diese Gelegenheit ergab sich unter diesen Umständen leider nicht, stattdessen wurden die Menschen auf dem Boot zeitweise ganz ordentlich durchgeschüttelt. Aber immerhin gelang der Mannschaftswechsel, und da waren wir unter den gegebenen Umnständen schon froh.
Nachdem die Sonne wieder da ist, werden die Tage ja direkt wieder deutlich länger 🙂 das ist tatsächlich so, es ist unglaublich, wie schnell das geht. Schon 2-3 Tage nach dem ersten Sonnenaufgang steht die Sonne bereits wieder mehrere Stunden über dem Horizont.
Wobei auch der Umstand, dass wir nach einer ziemlich wolkenreichen Woche nun wieder einen klaren Himmel haben, sicher zu diesem Eindruck mit beiträgt.
Zeit also, sich etwas in die Umgebung zu begeben. Die Eidembukta, einigen von den sommerlichen Segelschifftouren bekannt, liegt ja nur ein paar Kilometer nördlich von Farmhamna. Ein naheliegendes Ziel, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne.
Kleine Skiwanderung von Farmhamna zur Eidembukta. Der Sonne entgegen 🙂
Der längere Aufenthalt im Freien ist durchaus ein erfrischendes Erlebnis. Eine ganz genaue Temperaturmessung haben wir nicht. Wenn wir die Werte aller hier verfügbaren Thermometer mitteln, liegt man bei etwa -15 Grad, was gefühlt sicher nicht zu warm gemessen ist. Dazu kommt der eisige und ziemlich ausdauernde Ostwind.
Ich teile mir die Zeit so ein, dass ein guter Teil der Tour während der „sonnigen“ Stunden des Tages erfolgt, wobei die Vorstellung, Farmhamna aus der Entfernung mit dem Tele vor der untergehenden Sonne zu fotografieren, an einer Wolkenbank scheitert. Macht nichts, schöne Eindrücke und Fotomotive gibt es überall, ganz egal, in welche Richtung ich schaue. Das weite, schneebedeckte Land im zarten, rot-rosa-blauen Licht, der vom Wind über die flachen Hügel geblasene Treibschnee. Die weit geschwungene Eidembukta mit ihrem großen Strand, dem ich ein Stück weit folge, ohne ein einziges Stück Treibholz zu entdecken. Ein kleiner Canyon, geschaffen vom Schmelzwasserfluss des Venernbreen, eines der großen Gletscher, die direkt hinter der Küstenebene zwischen den Bergen herab fließen. Ich folge dem Canyon ein Stück, wobei ich ein sehr waches Auge auf die überhängenden Schneewächten habe; an den fraglichen Stellen ist es aber möglich, weit genug auf die gegenüberliegende Seite auszuweichen.
Der mutmaßlich windgeschützte Platz, den ich mir für eine kleine Futterpause ausgesucht habe, erweist sich als der wohl windigste Platz weit und breit. Allzu lange bleibe ich nicht hinter der nicht schützenden Felswand sitzen, lieber mache ich mich auf den Rückweg und freue mich auf den knisternden Ofen in der Hütte.
In Longyearbyen wird das Sonnenfest ja erst am 8. März gefeiert, nicht zuletzt, weil der Ort gerade nach Süden so von Bergen umgeben ist.
Das ist in Farmhamna ausgeprägt anders 🙂 und daher hatten wir schon heute, am 16. Februar, die Freude, hier ein kleines Sonnenfest zu feiern. 112 Tage hat die Polarnacht hier gedauert, am 25. Oktober war die Sonne letztmalig auf- und untergegangen und hat sich seitdem nicht mehr blicken lassen. Auch wenn man, wie ich, noch nicht mal drei Wochen hier ohne Sonne verbracht hat, ist ihre Rückkehr ein Grund zur Freude. Umso mehr für Rico, der diesen schönen Anblick monatelang nicht hatte.
Freier Blick nach Süden: in Farmhamna kein Problem.
Also haben wir uns am späten Vormittag auf dem Telefonhügel installiert, wobei wir fototechnisch schon ganz gut ausgestattet waren. Kamera mit Flügeln oder drei Beinen – alles war dabei.
„Sonnenfest“ in Farmhamna. Von einem Massenauflauf konnte man nicht unbedingt reden.
Und etwas Glück war auch dabei, denn tatsächlich war der Himmel vormittags komplett bewölkt gewesen. Rechtzeitig bildete sich aber am südlichen Horizont unter der Wolkendecke ein freier Streifen, in dem das orange Glühen über den flachen Hügeln der Westküste heller und heller wurde, bis die Sonne sich tatsächlich zeigte – ein schöner, intensiver Augenblick!
Der erste Sonnenaufgang nach 112 Tagen.
Umso schöner, als dass die Wolken bald wieder den gesamten Himmel verhüllten …
Wer Lust hat, etwas mehr über das Phänomen von Polarnacht und Mitternachtssonne zu lesen, ist hier genau richtig. Oder bei der nächsten Auflage meines Vortrags „Das Licht des Nordens“. Dann gibt’s die gesamte Geschichte im Detail. Könnte im Herbst passieren, mal schauen.
Hier und jetzt aber erst noch ein paar Eindrücke von diesem schönen Tag in Spitzbergen – Vollmond war nebenbei heute ja auch noch.