Erleben Sie von zu Hause Reisen nach Jan Mayen und um Spitzbergen mit! Rolf Stange wird während des arktischen Sommers mehr oder regelmäßig kleine Reiseberichte aus dem hohen Norden als Blog veröffentlichen. Unterhaltsame Schilderungen und Eindrücke von spannenden Reisen aus erster Hand gibt es hier: Spitzbergen.de Arktis-Blog: Jan Mayen, Spitzbergen.
Anflug auf Ísafjörður: Beginn des Jan Mayen Abteneuers.
Seit vielen Jahren ist die MS Langøysund ein beliebtes Boot für Tagestouren im Isfjordgebiet. Von Juni bis September fährt das Schiff mit bis zu etwa 70 Gästen nach Barentsburg oder Pyramiden, auch die Vorbeifahrt an landschaftlichen Schönheiten wie einer Gletscherfront oder einem Vogelfelsen steht auf dem Programm.
Dieses Jahr läuft es aber bislang nicht gut für die Langøysund. Zu Saisonbeginn lief das Schiff in der Borebukta auf Grund. Der Rumpf wurde beschädigt, die Gäste mussten die Fahrt nach Longyearbyen mit einem anderen Schiff fortsetzen. Immerhin dauerte es nicht lange, bis der Schaden repariert und das Schiff für die weitere Fahrt freigegeben war.
Nun steht der Eigner, die Firma Henningsen Transport og Guiding (HTG) aus Longyearbyen, wegen Sozialdumping im Verdacht. Bereits im April hatte die Seefahrtsgewerkschaft (Norsk Sjømannsforbund) eingreifen müssen, damit die teilweise aus Philippinern bestehende Mannschaft norwegische Verträge mit norwegischen Tarifen bekommt, wie es auf Schiffen vorgeschrieben ist, die unter norwegischer Flagge fahren.
Nun stellte sich bei einer Kontrolle in Longyearbyen heraus, dass die Mannschaft zwar norwegische Verträge bekommen hat, aber nach wie vor deutlich geringere Löhne erhält, als ihnen nach Vertrag und Gesetz zusteht.
Bei HTG beruft man sich darauf, dass der Vertragspartner der Mannschaft eine philippinische Agentur in Manila ist, der man vertraue und der man die Löhne überweise.
Die Zusammenarbeit mit den betroffenen Mannschaftsmitgliedern gestaltet sich für die Gewerkschaft schwierig, da diese Angst haben, bei der Vermittlungsagentur auf eine schwarze Liste zu kommen, selbst wenn ihnen nach norwegischem Recht deutlich höhere Löhne zustehen. Die Rede ist von 5000 US-$ Lohn zuzüglich bezahlter Überstunden, was im harten Tagestourengeschäft einen wesentlichen Anteil ausmachen dürfte. Tatsächlich sollen die Löhne bei etwa 1500 US-$ liegen, wovon die Vermittlungsagentur in Manila noch einmal 20 % einkassiert.
Der Eigner, HTG, äußerste gegenüber der Svalbardposten, dass Verträge und Löhne in Ordnung seien und man nicht daran denke, die Zahlungen nachzuweisen. Nachdem diesbezüglich am heutigen Donnerstag eine Frist abgelaufen war, wurde angekündigt, die Langøysund in „Arrest“ zu legen.
Ähnliche Vorwürfe wurden gegenüber der MS Billefjord laut, wo HTG ebenfalls das Management bestreitet, wenn auch nicht als Eigner. Auch hier wurde von der Gewerkschaft schon ein Eingreifen angekündigt.
MS Langøysund auf Tagestour in der Ymerbukta. Werden der Mannschaft illegale Dumpinglöhne gezahlt?
Das Norwegische Polarinstitut hat ein Video aus etwa 1000 Einzelbildern von Satelliten zusammengestellt und auf Youtube veröffentlicht. Es zeigt auf beeindruckende Weise, wie Teile der Gletscherfront von Austfonna über 4 Kilometer vorrücken. Die beschleunigte Bewegung hatte 2012 ihren Höhepunkt.
Mehr zum plötzlichen Vorstoßen von Gletschern (Surge) und zur Eiskappe Austfonna in Steine und Eis.
Das Vorstoßen einer so großen Eiskappe wie Austfonna hat Folgen: Einerseits trägt Austfonna derzeit mehr zum Meeresspiegelanstieg bei als alle anderen Gletscher Spitzbergens zusammen. Lokal führte der „Surge“, wie das beschleunigte Vorstoßen neudeutsch-wissenschaftlich heißt, schon zu Warnungen für die Schifffahrt: Es muss sowohl mit einer größeren Zahl von Eisbergen gerechnet werden als auch mit Veränderungen des Meeresbodens, der unter Wasser zu Stauchendmoränen aufgeschoben sein kann.
Spitzbergens berühmteste Trapperhütte, Fredheim im Tempelfjord, ist jetzt als virtuelle Tour zugänglich. Die zweigeschossige Hütte des legendären norwegischen Jägers Hilmar Nøis liegt landschaftlich schön, aber außerhalb der winterlichen Motorschlittensaison schwer erreichbar, und wer es dorthin schafft, steht vor verschlossener Tür.
Jetzt lässt sich die berühmte Hütte rund ums Jahr ganz ohne Aufwand vollständig besichtigen: Ende März konnte ich Fredheim vollständig mit Panoramatechnik fotografieren und habe daraus eine virtuelle Tour gemacht, die jetzt online ist und den Besuch jederzeit ermöglicht, Raum für Raum. Die Tour läuft wie ein Film von alleine ab; es ist aber auch möglich, die einzelnen Räume (Panoramen) einzeln anzuwählen. Kurze Texte erzählen die zugehörigen Geschichten aus der Trapperzeit in Spitzbergen.
Die Lokalzeitung Svalbardposten hat ihre Leser in ihrer Online-Ausgabe bereits auf die Möglichkeit hingewiesen, Fredheim im Internet zu besuchen. Schon über 1000 Besucher hat die alte Trapperhütte seitdem virtuell zu verzeichnen, deutlich mehr als der „Tag der offenen Tür“, der während der Wintersaison zweimal vor Ort abgehalten wird: Die einzige Gelegenheit für die Öffentlichkeit, einen Blick in das Innenleben von Hilmar Nøis alter Hütte zu werfen.
Fredheim, die berühmte Trapperhütte von Hilmar Nøis im Tempelfjord, ist schwer erreichbar und abgeschlossen. Virtuell kann man jetzt jederzeit durch alle Räume gehen.
Die Umweltprobleme, die für Polargebiete tatsächlich existenzbedrohend sind, lassen sich recht gut eingrenzen: neben dem Klimawandel und langlebigen Umweltgiften sowie regional der Öl- und Gasindustrie sind es die gewaltigen Mengen Plastik, die in den Weltmeeren driften und selbst die entlegenen Regionen erreichen. In Spitzbergen sehen wir nahezu täglich Plastikmüll an den Stränden liegen oder im Meer treiben. Vieles davon stammt aus der Fischerei: Riesige Netze, Plastikseile, bunte Netzbälle, Fender, um nur einige Beispiele zu nennen. Darüber hinaus ist es aber auch der alltägliche Zivilisationsmüll, von Feuerzeugen über Zahnbürsten, endlose Mengen von Plastiktüten, die man bei jedem Einkauf fast aufgedrängt bekommt (vermutlich da es sich um Werbeträger handelt), Flaschendeckel … die Liste ist endlos. Für ein paar konkrete Eindrücke lohnt sich beispielsweise ein Blick in die Fotogalerie von Chris Jordan (hier klicken), der auf den abgelegenen Midway Islands im Pazifik Albatros-Küken fotografiert hat, die an Plastikmüll gestorben sind.
Auf praktisch jeder Spitzbergen-Reise sammeln wir kubikmeterweise Plastikmüll von den Stränden, was über die letzten 10 Jahre zu deutlich sichtbaren Verbesserungen geführt hat (übrigens ist der Tourismus der einzige Akteur, der die Kapazitäten hat, dies in diesem Umfang in so abgelegenen Gebieten tun zu können. Ein guter Grund, die Bewegungsfreiheit der kleineren Touristenschiffe nicht weiter einzuschränken), angesichts der Größenordnung des globalen Plastikmülls aber natürlich keine echte Lösung sein kann.
Ein paar Eindrücke von den Plastikmüllmengen, die sich an den Stränden in Spitzbergens finden, und von den Müllsammelaktionen, die wir regelmäßig dort machen. Die Fotos stammen von weiten Teilen der Inselgruppe, von der Bäreninsel im Süden bis zum Nordaustland im Norden.
Klicken Sie auf die Bilder, um eine vergrößerte Darstellung des Bildes zu erhalten.
Um wirksam gegen den Müll vorzugehen, dem ständig Fische, Seevögel, marine Säuger von Robben bis zu Walen, Schildkröten usw. in dramatischer Zahl und somit letztlich ganze marine Ökosysteme zum Opfer fallen und der (vielleicht noch schlimmer) in zerkleinerter Form die Nahrungskette eingeht, wäre es nötig:
Viel weniger Plastik im Alltag nur kurz zu Verwenden und anschließend wegzuwerfen. Hier sind wir alle gefragt, gut 7 Milliarden Menschen. Wie wäre es mit einer Baumwolltasche beim nächsten Einkauf, nur so als Anfang?
Plastik durch abbaubare Materialien zu ersetzen. Hier sind neben Verbrauchern vor allem Industrie, Forschung und Politik gefragt.
Die in den Ozeanen bereits vorhandenen Riesenmengen Plastik möglichst wieder zu entfernen. Hier wird es gerade spannend: Nach mehreren Jahren Arbeit hat das Projekt The Ocean Cleanup ein Konzept vorgestellt, das es ermöglichen soll, über einige Jahre Plastikmüll in global relevanten Mengen aus den Ozeanen zu entfernen. Kern der Idee ist, Strömungen zu nutzen, damit Plastikmüll sich in Barrieren verfängt, konzentriert wird und dann mit vergleichsweise wenig Aufwand abgeschöpft werden kann. Das Wasser strömt unter den recht flachen Barrieren durch, wodurch auch Beifang von Tieren verhindert werden soll. Anfang Juni wurde ein umfangreicher Bericht veröffentlicht, der die Machbarkeit dokumentiert. Die Kosten werden mit 4,50 Euro pro kg Plastik angegeben, was um den Faktor 33 geringer sein soll als andere Methoden. Über einen Zeitraum von 10 Jahren sollen sich so etwa die gigantischen Müllmengen im riesigen Müllstrudel im Pazifik halbieren lassen, zu Kosten, die im Vergleich zu den Schäden geringfügig sind.
Der Eindruck scheint berechtigt zu sein, dass das The Ocean Cleanup Projekt in der Lage wäre, einen wichtigen Beitrag zur Lösung des ozeanischen Müllproblems zu leisten. Um das Projekt auf die nächste Stufe zu heben, wird aktuell ein Crowdfunding durchgeführt. Derzeit (18.6.) wurde schon über eine halbe Million Dollar gespendet, angestrebt sind 2 Millionen. Spitzbergen.de hat sich bereits beteiligt und ruft dazu auf, The Ocean Cleanup zu unterstützen. Wer den Müll an Spitzbergens Stränden oder sonstwo oder Chris Jordans Fotos aus dem Pazifik gesehen hat, wird das Projekt vermutlich gerne unterstützen. Hier klicken, um The Ocean Cleanup zu unterstützen.
Und beim nächsten Einkauf an eine Baumwolltüte denken … 🙂
Mannschaft und Gäste der SV Antigua bei einer Müll-Sammelaktion in Mushamna im Woodfjord, im Norden von Spitzbergen. Solche Aktionen finden praktisch auf jeder Spitzbergen Reise statt, auch andere Schiffe beteiligen sich.
Eine empfindliche Erinnerung daran, wie abgelegen Spitzbergen weiterhin ist und was für eine Verletzlichkeit dies nach wie vor mit sich bringen kann, bekam man in Longyearbyen am Montag vor knapp 2 Wochen, am 2. Juni, als die gesamte Kommunikation zum Festland für einige Stunden komplett tot war.
Seit über 10 Jahren läuft die Telekommunikation von Spitzbergen zum Festland über Glasfaserkabel, die die davor üblichen Funkverbindungen ersetzt haben. Ein Grund dafür waren und sind die großen Datenmengen, die ständig bei den Empfangsantennen für Satellitendaten um Longyearbyen (SvalSat, die runden Kugeln auf dem Platåberg) anfallen und in Echtzeit Kunden wie NASA und ESA geliefert werden müssen. Seitdem gibt es in Longyearbyen theoretisch auch superschnelles Internet (praktisch ist es teuer und langsam, jedenfalls für normale Menschen).
Dass die Sache einen Haken hat, zeigte sich an besagtem Montag: Der gesamte Datenverkehr zwischen Spitzbergen und der Außenwelt fiel für einige Stunden aus. Grund war ein technischer Fehler in der Anlage in Andenes (Vesterålen), wo das Glasfaserkabel das norwegische Festland erreicht. Theoretisch ist die gesamte technische Infrastruktur doppelt vorhanden, so dass auf Ausfälle umgehend reagiert werden kann. Praktisch versagte dieses Mal schlicht und einfach das gesamte System.
Dies schnitt nicht nur die recht junge und internetaffine Bevölkerung Longyearbyens von dort häufig genutzten Diensten wie Facebook ab, sondern machte es auch unmöglich, Polizei und Rettungsdienste zu erreichen. Das Krankenhaus in Longyearbyen, das bei schwierigen Fällen oft auf medizinische Beratung durch die Uniklinik in Tromsø zurückgreift und Patienten bei Bedarf dorthin transportieren lässt, hatte Schwierigkeiten, mit den entsprechenden Stellen Kontakt aufzunehmen: Die sofort eingesetzten Satellitentelefone funktionieren nur mit freiem Blick zum Himmel, so dass verantwortliche Ärzte zu jedem Gespräch auf die Straße mussten. Zudem ist die satellitengestützte Telefonverbindung ohnehin oft langsam und instabil und in jedem Fall teuer, wie dieser Autor nur zu gut aus eigener, leidvoller Erfahrung weiß. Dazu kam, dass in Longyearbyen mangels anderer Möglichkeiten vielfach Satellitentelefone eingesetzt wurden; diese sind dort in vielen outdoor-affinen Haushalten und vielen Betrieben vorhanden. Daher waren auch diese Verbindungen zeitweise überlastet, so dass noch nicht einmal die satellitengestützte Kommunikation zuverlässig funktionierte.
Der Spuk hatte nach ein paar Stunden ein Ende, machte aber allen vor Ort die Grenzen der Technik klar. Insbesondere Träger lebensnotwendiger Infrastruktur und Bereitschaftsdienste wie Polizei, Rettungsdienst und Krankenhaus sind beunruhigt. Die verantwortliche norwegische Telenor arbeitet zusammen mit Behörden, um dafür zu sorgen, dass sich solche Vorfälle möglichst nicht wiederholen. Vor Ort diskutiert man darüber, zumindest auf wichtigen Verbindungen die guten, alten lokalen Kabel zu erneuern. Eigentlich soll Longyearbyen, das wegen seiner Größe und politischen und technischen Rahmenbedingungen gerne als Aushängeschild genutzt wird, einer der ersten Orte Norwegens werden, in denen die Festnetztelefonie komplett abgeschafft wird. Vielleicht wird jetzt noch einmal anders darüber nachgedacht.
Funktioniert immer: explosions- und brandgeschütztes Grubentelefon (hier im Hafen von Barentsburg). Nur kommt man damit nicht weit.
Die Eiskappe Austfonna bedeckt große Teile des Nordaustland, der zweitgrößten Insel der Spitzbergen-Inselgruppe. Insgesamt bedeckt die Eiskappe, die genau genommen aus mehreren zusammengewachsenen Eiskappen besteht, gut 8400 Quadratkilometer.
Für längere Zeit galt Austfonna als recht stabil: massive Volumenverluste wie bei vielen anderen Gletschern Spitzbergens und sonstwo in der Arktis fanden nicht statt. Randliche Bereiche wurden langsam dünner, zentrale Teile gewannen an Mächtigkeit hinzu. Bei kleineren Gletschern kennt man so ein Verhalten, wenn es über längere Zeit hinweg andauert, als Surge. Dieses plötzliche Vorstoßen, bei dem ein Gletscher innerhalb von 1-2 Jahren viele Kilometer nach vorn „springen“ kann, ist ein Ergebnis der Gletscherdynamik und unabhängig von Klimaänderungen (mehr dazu in Steine und Eis). Auch Teile von Austfonna haben früher bereits „gesurgt“, wie Bråsvellbreen im südlichen Bereich in den 1930er Jahren.
Nun haben Satellitenbilder deutliche Anzeichen geliefert, dass große Teile der Eiskappe sich in beschleunigte Bewegung versetzt haben. Auf breiter Front schiebt sich die Abbruchkante in die Barentssee vor und bringt große Mengen von Eisbergen hervor. Dadurch liefert Austfonna derzeit einen größeren Beitrag zum Meeresspiegelanstieg als alle anderen Gletscher Spitzbergens zusammen. Dennoch gehen Wissenschaftler, die Austfonna schon länger beobachten, davon aus, dass die Eiskappe mittelfristig eher Masse zulegen wird.
AECO, der Verband von Expeditions-Kreuzfahrten-Veranstaltern in der Arktis, hat bereits zu vorsichtiger Navigation in der Region aufgerufen, da vermehrt mit Eisbergen und Änderungen der Küstenlinie zu rechnen ist.
Ein solches Ereignis, wo eine Eiskappe sich auf tausenden von Quadratkilometern in schnelle Bewegung versetzt, ist für die jüngere Zeit, in der die Region genau wissenschaftlich untersucht wird und regelmäßig touristisch bereist werden kann, einzigartig. Die Beobachtung, die wesentlich auf Daten des europäischen Satelliten Sentinel-1a beruht, ist auch deswegen wissenschaftlich beachtlich, weil der Satellit zur Zeit der Aufnahme noch nicht einmal richtig in der Umlaufbahn angekommen war, aber dennoch bereits in der Lage war, sehr wertvolle Daten zu liefern.
Die Eiskappe Austfonna auf dem Nordaustland hat sich auf großer Fläche in schnellere Bewegung versetzt.
Einigen Eisbären (genauer: Eisbärinnen), die jedes Jahr vom norwegischen Polarinstitut mit Sendern ausgestattet werden, kann man schon seit längerem auf einer Internetseite des WWF auf ihren Wanderungen folgen. Oft bleiben die Eisbären über einen Zeitraum in einem mehr oder weniger kleinen Gebiet. Aktuell schlägt aber Eisbärin Kara alle bekannten Rekorde: Sie wurde im Januar 2013 auf einem Gletscher zwischen Hornsund und Hamberbukta (Ostküste) betäubt und mit einem Sender ausgestattet und hat seitdem eine unglaubliche Wanderung von 3703 Kilometern durch die russische Arktis gemacht. Zunächst ging die Reise Richtung Novaya Zemlya und von dort nach Franz Josef Land, ohne aber jeweils Land zu betreten. Das nächste Ziel war die sibirische Inselgruppe Severnaya Zemlja, wo Kara auf Land ging, nachdem sie somit die gesamte Kara-See durchstreift hatte. Anschließend ging es aber wieder weiter, nach Franz Josef Land, wo der Sender aufhörte, Daten zu senden. Möglicherweise ist Kara dort in eine Schneehöhle gegangen und hat Nachwuchs zur Welt gebracht.
Das Weibchen Kara war zur Zeit der Ausstattung mit Sender 13 Jahre alt, 2,2 Meter lang und wiegt 217 kg.
Die Daten von 2014 deuten möglicherweise an, dass die Weibchen aktuell weniger Nachwuchs haben als im langfristigen Mittel: Von 29 Weibchen hatten nur 3 Nachwuchs im zweiten Lebensjahr, normal liegt der Anteil bei gut einem Drittel. Allerdings ist die untersuchte Zahl so niedrig, dass Zufall nicht ausgeschlossen werden kann.
Die Ausstattung mit Sendern ist nicht unumstritten, da durch die Betäubung schon Eisbären zu Tode gekommen sind, nachweislich letztmalig im Herbst 2013 (siehe Spitzbergen.de-Nachrichten Oktober 2013). In einem weiteren Fall vom April 2014 liegt der Verdacht eines Zusammenhangs zwischen dem Tod einer jungen Eisbärin und einer Betäubung zu wissenschaftlichen Zwecken ebenfalls nahe, ein Nachweis steht aber noch aus. In der Frühjahrssaison 2014 wurden in Spitzbergen 73 Eisbären zu wissenschaftlichen Zwecken betäubt und untersucht.
Die Wanderung der Eisbärin Kara: 3703 Kilometer von Spitzbergen durch die russische Arktis. Bildquelle: WWF
Die Arktis-Saison 2014 geht los: Morgen legen wir mit der Antigua in Bodø ab. Es geht zu den Lofoten und dann nach Norden zur Bäreninsel und nach Spitzbergen. Im Juli geht es nach Jan Mayen und bis September folgen mehrere Segelschifftouren in Spitzbergen.
Die Fotogalerien und Reiseberichte werden über die nächsten Monate hinweg also wieder regelmäßig aktualisiert werden, reinschauen wird sich garantiert lohnen!
Am Anfang eines langen Arktis-Sommers 2014 stehen die Lofoten. Die Antigua im Trollfjord, 2013.
Die Evolution der Eisbären ist nach wie vor eine Frage mit vielen Fragezeichen. Viel ist spekuliert worden, von einem sehr jungen Alter von bis zu 100.000 Jahren bis hin zum Vielfachen davon, was die Entstehung der Art tief zurück in frühe Phasen des letzten Eiszeitalters stellen würde (siehe auch „Eisbär als Art älter als bislang gedacht“ Spitzbergen.de-Nachrichten April 2012).
Eine neue Studie basiert auf genetischen Untersuchungen heutiger Eisbären und kommt zu dem Schluss, dass Eisbären sich vor 479.000–343.000 Jahren von den Braunbären getrennt haben, was im Rahmen der Unsicherheit etwa mit den Ergebnissen von 2012 (link oben) übereinstimmt. Somit sammeln sich Hinweise darauf, dass der Eisbär im mittleren Pleistozän (2,6 Millionen-10.000 Jahre vor heute) entstanden ist.
Die Frage ist nicht nur akademisch, sondern auch aktuell von Bedeutung: wäre der Eisbär als Art jünger als 100.000 Jahre, dann wäre die derzeitige Warmzeit die erste, mit der die Art konfrontiert wird, so dass jede weitere Erwärmung Eisbären als Art tatsächlich vor neue Herausforderungen stellen würde. Geht das Alter der Art aber deutlich darüber hinaus, lässt sich schlussfolgern, dass Eisbären als Art schon eine oder mehrere frühere Warmzeiten überlebt haben, was eine entsprechende Anpassungsfähigkeit der Art nahelegt, zumindest im Rahmen der bisherigen Entwicklung. Die jüngeren Ergebnisse bestätigen letztere Sichtweise. Eine Garantie für ein Überleben der Art bei noch stärkeren oder noch schnelleren Erwärmungen ist dies natürlich nicht.
Die Rekonstruktion der Evolution der Eisbären ist auch daher so schwierig, da Fossilien der in jedem Fall geologisch jungen Art meistens unauffindbar im Meer verloren gehen, da Eisbären dort einen großen Teil ihres Lebens verbringen und somit dort auch häufig sterben.
Eisbären: ihre Evolution reicht vermutlich mehrere Jahrhunderttausende zurück. Und das Bild ist aus Spitzbergen, nicht aus dem Zoo.
Im April sind vom Sysselmannen aktuelle Zahlen für den Kreuzfahrttourismus auf Spitzbergen veröffentlicht worden. Sie geben differenzierte Informationen über die Entwicklung bis 2013. Ein starkes Wachstum ist entgegen weitverbreiteter Ansicht nicht zu beobachten.
Die Anzahl großer Kreuzfahrtschiffe, die auf ihrer Route Spitzbergen anfahren, ist 2013 fast konstant geblieben (27, im Vorjahr: 28). Da einige Schiffe mehrmals pro Saison fahren, liegt die Anzahl der Fahrten darüber (2012 waren es 36 Fahrten, 2013 waren es 33). Deutlicher ist die Zahl der Passagiere von 42 363 auf 36 257 gesunken. Hier hatte das Jahr 2012, in dem gegen den Trend der Vorjahre ein ungewöhnlich hoher Anstieg verzeichnet wurde, einen Rekord markiert. In den Jahren davor hatte sowohl die Anzahl der Fahrten von 50 (2005) auf 28 (2011) als auch die Anzahl der Passagiere von 32 781 (2007) auf 24 187 (2011) tendenziell abgenommen.
Diese Zahlen gehen aus dem jährlich erscheinenden Fremdenverkehrsbericht des Sysselmannen hervor. In der Statistik wird zwischen den großen Kreuzfahrtschiffen, die Spitzbergen als eines von mehreren Zielen auf einer größeren Rundfahrt anlaufen, und den kleineren Expeditionsschiffen unterschieden. Anders als die großen Kreuzfahrtschiffe befahren die Expeditionsschiffe schwerpunktmäßig oder ausschließlich die Gewässer um Spitzbergen. Sie starten und beenden ihre Fahrten üblicherweise in Longyearbyen. Die Größe dieser Schiffe variierte im letzten Jahr zwischen 5 und 300 Passagieren. Zu den Expeditionsschiffen zählen sowohl Segelschiffe wie Noorderlicht oder Antigua als auch größere Schiffe wie Plancius und Ortelius von Oceanwide Expeditions oder Quest und Ocean Nova von PolarQuest/Polarkreuzfahrten. Die Zahl der Expeditionsschiffe war 2013 im Vergleich zum Vorjahr 2012 von 35 deutlich auf 24 gesunken, auch hier markierte das Jahr 2012 einen Hochstand. Dafür war jedoch 2012 die Zahl der Passagiere niedriger, sie bewegte sich mit 9 277 im Trend der voran gegangenen Jahre. 2013 allerdings war die Zahl der Passagiere auf Expeditionsschiffen mit 10 530 erstmals höher als im bisherigen Rekordjahr 2008 mit 10 040 Passagieren.
Es zeichnet sich also ein uneinheitliches Bild. Nimmt man die beiden Kategorien ‚große Kreuzfahrtschiffe‘ und ‚kleinere Expeditionsschiffe‘ zusammen, so ist die Zahl der Passagiere gegenüber dem außergewöhnlichen Rekordjahr 2012 von 51 640 auf 46 787 zurückgegangen. Dem relativ starken Rückgang bei Kreuzfahrtschiffen steht ein moderater Anstieg bei Expeditionsschiffen gegenüber. Ein übergreifender, eindeutiger Trend ist nicht auszumachen. Die oft wiederholte Behauptung, schiffsbasierter Tourismus in Polargebieten würde stark und unkontrolliert wachsen, wird durch diese Zahlen jedoch für Spitzbergen widerlegt (ähnliches gilt für die Antarktis, siehe antarktis.net-Nachrichten Mai 2014). Auch mit Blick auf die seit 2010 abnehmende Zahl der Kreuzfahrttouristen in Grönland erweisen sich solche Darstellungen als Mythos. Sie dienten allerdings in der Vergangenheit als Argument für entsprechend restriktive Änderungen gesetzlicher Regelungen, die den Tourismus betreffen (siehe z.B. Spitzbergen.de-Nachrichten vom April 2014).
Wenn man den landbasierten Tourismus hinzunimmt, hat der Tourismus auf Spitzbergen 2013 insgesamt zugenommen, wie der Bericht des Sysselmannen ebenfalls zeigt. Die Zahl der Übernachtungen in Longyearbyen stieg von 84 643 (2012) deutlich auf 107 086 (2013) und die Anzahl der Fluggäste von 40 153 (2012) auf 47 645 (2013). Der landbasierte Tourismus findet weitgehend in und um Longyearbyen statt mit Schwerpunkt auf Motorschlittentouren, ergänzt von Hundeschlittentouren und anderen Aktivitäten.
Schiffstourismus in Spitzbergen: das Spektrum reicht von Segelbooten bis hin zu Ozeanriesen.
Die Spitzbergen-Panoramaseite ist nicht nur wieder deutlich gewachsen, sondern jetzt auch besser sortiert. Das unerwartet schnelle Wachsen der Seite hat eine bessere Struktur dringend nötig gemacht, um Panoramen von bestimmten Orten schneller finden zu können und um zu wissen, von wo genau ein einzelnes Panorama stammt. Mehr und mehr sind jetzt von den einzelnen Gegenden nun Karten eingebaut, wo die genaue Zuordnung der Panoramen zu einem bestimmten Ort sichtbar ist.
Auch die Anzahl ist in den letzten Wochen wieder deutlich gewachsen, und natürlich werden über die nächsten Wochen und Monate viele weitere folgen!
Eines von vielen Spitzbergen-Panoramen: Im winterlichen Eis der Mohnbukta sind viele Eisberge mit fantastischen Formen eingefroren. Diese Bilder entstanden im Inneren eines kleinen, mit ehemaligen Schmelzwasserhöhlen durchzogenen Eisbergs.
Beim diesjährigen Skimarathon, der heute (3. Mai) stattfand, erreichte die Teilnehmerzahl mit über 800 einen neuen Rekord. Unter den Teilnehmern war auch der frühere norwegische Regierungschef und künftige Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Die Ski-Marathonläufer konnten sich bei blauem Himmel, Sonnenschein, Windstille und leichten Minusgraden über allerbestes Wetter freuen. Erwartungsgemäß strich der Norweger Eldar Rønning wie bereits im Jahr zuvor den ersten Platz ein, bei den Damen gewann Celine Brune-Lie.
Unter Einheimischen findet die große Ausweitung und damit einhergehende Kommerzialisierung des früher eher familiären Ereignisses gemischten Anklang, während der Skimararathon unter Marathonläufern weltweit langsam mehr und mehr Beachtung findet.
Am 07. Juni werden Marathonläufer aus diversen Ländern in Longyearbyen für den nördlichsten regulären Marathon weltweit, der regelmäßig stattfindet, an den Start gehen.
Ziel-Einlauf beim Spitzbergen-Skimarathon (Archivbild 2013).
Die markanten und in der Tierwelt einzigartigen Stoßzähne der Narwale dienen den Tieren als sensibles Sinnesorgan, mit dem sie Veränderungen in ihrer Umgebung wahrnehmen können. Diese These konnten Forscher nun bestätigen.
Narwale bilden zusammen mit den Weißwalen (Belugas) die Familie der Gründelwale. Sie sind im Nordpolarmeer, besonders westlich und östlich von Grönland, um Spitzbergen und nördlich der sibirischen Küste verbreitet.
Das Gebiss ist bei Narwalen zurückgebildet und beschränkt sich auf zwei Eckzähne im Oberkiefer. Bei männlichen Tieren wächst der linke dieser Eckzähne spiralförmig durch die Oberlippe hindurch und entwickelt sich zu einem Stoßzahn, der bis zu ca. 2,6m lang werden kann. In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass auch der rechte Eckzahn heraus wächst. Der Wal hat dann zwei Stoßzähne, die allerdings kürzer ausfallen. Auch weiblichen Tieren können Stoßzähne wachsen, dies ist jedoch eher ungewöhnlich.
Welche Funktion die Stoßzähne für die Tiere haben, war lange unklar und wurde kontrovers diskutiert. Anerkannt sind heute zwei Erklärungen: Sie dienen als Dominanzmerkmal der männlichen Tiere, um sich gegen Rivalen durchzusetzen und als Sinnesorgan.
Seit einigen Jahren untersucht Dr. Martin Nweeia von der Harvard School für Zahnmedizin (HSDM) zusammen mit anderen Forschern die Funktion der Narwalzähne. Die These der Forscher, dass die Zähne den Tieren als sensibles Sinnesorgan dienen, konnte nun erhärtet werden. Frühere Untersuchungen hatten bereits ergeben, dass die Stoßzähne, anders als bei Zähnen von Säugetieren üblich, keinen Zahnschmelz haben, der den Zahn nach außen hin schützt. Nun konnte gezeigt werden, dass die äußere Schicht, das Zahnzement, porös ist und dass die inneren Schichten von mikroskopisch kleinen Röhren durchzogen sind, die zum Zentrum des Zahns führen. Das Material des Zahns ist also starr aber durchlässig. Den inneren Kern des Zahns bildet die Pulpa. Dort konnten die Forscher Nervenenden ausmachen, die mit dem Gehirn des Wals verbunden sind. Aufgrund dieser Struktur ist der Zahn sensibel für Veränderungen in seiner Umgebung, wie z.B. Veränderungen der Temperatur, des Salzgehalts im Wasser oder anderer chemischer Parameter. In Versuchen konnte gezeigt werden, dass sich die Herzfrequenz des Wals veränderte, wenn der Stoßzahn unterschiedlichen Salzgehalten im Wasser ausgesetzt war.
Vermutlich dient diese Fähigkeit des Stoßzahns den männlichen Narwalen zum Auffinden und zur Beurteilung der Paarungsbereitschaft von weiblichen Tieren. Außerdem dürfte sie das Auffinden von Beutetieren erleichtern.
Die Forscher um Dr. Nweeia interessiert nun die Frage, ob es sich bei dieser einzigartigen Fähigkeit, den Zahn als sensibles Sinnesorgan zu verwenden, um eine evolutionäre Weiterentwicklung handelt oder um ein Überbleibsel aus einer früheren Entwicklungsstufe.
Stoßzahn und Schädel eines Narwals, gestrandet im Bellsund, Spitzbergen.
Zunächst schien es nur der Lauf der Natur gewesen zu sein, als Einwohner aus Longyearbyen in der Petuniabukta, in der Nähe von Pyramiden, am 7. April einen toten Eisbären fanden. Bald darauf zeigte sich aber, dass das Tier kurz zuvor, am 4. April, von Wissenschaftlern des Norwegischen Polarinstituts zu Forschungszwecken betäubt worden war. Daraufhin holten Mitarbeiter des Sysselmannen den toten Eisbären aus der Petuniabukta zur Obduktion nach Longyearbyen.
Entgegen lokalen Gerüchten war keine äußere Todesursache erkennbar, etwa Verletzungen durch einen anderen Eisbären, was für einen durch Betäubung wehrlosen Eisbären eine reelle Gefahr darstellt. Die Todesursache ist somit weiterhin unklar, Gewebeproben werden derzeit untersucht. Bis Ergebnisse vorliegen, können noch Wochen vergehen.
Dass die Vollnarkose zu wissenschaftlichen Zwecken Nebenwirkungen bis hin zum Tod des Tieres haben kann, ist bekannt. Nach Abschluss der Untersuchungen werden die Eisbären nicht bis zum Aufwachen überwacht, so dass ein anderer Eisbär den wehrlosen Tieren gefährlich werden kann. Auch kann eine Lageänderung zum Erstickungstod führen. Ein solcher Fall kam, soweit bekannt, im September 2013 letztmalig vor, als ein auf der Edgeøya betäubter Eisbär kurze Zeit später tot aufgefunden wurde. Untersuchungen ergaben, dass der Bär infolge einer Lageänderung im noch betäubten Zustand erstickt war (siehe Spitzbergen.de-Nachrichten vom Oktober 2013, Eisbär tot auf Edgeøya nach wissenschaftlicher Betäubung). Die betäubten Bären werden in einer Art stabilen Seitenlage zurückgelassen.
Die Betäubung, die mit einer Verfolgung mit dem Hubschrauber einhergeht, ist für Eisbären ein massiver Stress mit möglicherweise gefährlichen Nebenwirkungen. Zu Verwaltungszwecken werden die Daten nicht benötigt: In Spitzbergen, wie auch in der benachbarten russischen Arktis, sind Eisbären komplett geschützt. Da es keine Jagd gibt, sind auch keine Populationsdaten etwa zur Berechnung einer biologisch tragfähigen Jagdquote erforderlich, um den Bestand zu schützen. Bedrohungen für den Bestand wie der Klimawandel und Belastung mit langlebigen Umweltgiften sind ohnehin nicht national, sondern nur international zu lösen.
Im Spätsommer 2012 wurde eine Eisbärenfamilie mit zwei kleinen (einjährigen) Eisbären im Billefjord betäubt. Die dreiköpfige Familie wies anschließend zumindest für eine Weile deutliche Verhaltensänderungen auf, ein Zeichen dafür, wie massiv der Stress der Verfolgung und Betäubung ist (siehe Spitzbergen.de-Nachrichten vom Oktober 2012: Im Tiefflug hinter Eisbären her: im Namen der Forschung). Möglicherweise ist der nun tot aufgefundene Eisbär, ein knapp 1,5 Jahre altes Weibchen, eines der beiden Jungtiere der Familie von 2012.
Nicht immer der natürliche Lauf der Dinge: toter Eisbär (Archivbild, Kvitøya).