Die Tage werden länger, und die Zeit fliegt nur so dahin. Nun ist bereits die Frühjahrs-Tagundnachtgleiche verstrichen, dieses Jahr war der genaue Zeitpunkt, an dem die Sonne den Himmelsäquator überschritt, übrigens schon am 20. März um 22:58 Uhr.
Damit sind die Tage auf der Nordhalbkugel nun wieder länger als die Nächte, und je weiter nördlich man sich befindet, desto mehr Helligkeit gibt es und entsprechend umso weniger Dunkelheit. Der Norden holt lichtmäßig auf.
Damit geht auch die Nordlicht-Saison in Spitzbergen nun langsam dem Ende entgegen. Am Samstag (16.3.) hatten wir noch mal eine rattengeile … äh, Entschuldigung … sehr beeindruckende Aurora-Show am Himmel.
Auroa boralis über dem Operafjellet.
Die Nordlicht-Saison in Spitzbergen geht nun langsam zu Ende.
So ein intensives Nordlicht hat man nicht alle Tage! Um die teilweise sehr schnellen Bewegungen einzufangen, bin ich mit der Belichtungszeit teilweise auf 0,3 Sekunden gegangen, und selbst das hat für die filigranen, aber äußerst lebhaften Details wohl nicht nicht ganz gereicht. Da glüht der Vollformatsensor, das Festbrennweitenobjektiv freut sich und das Stativ rotiert! Mehr zu Nordlicht und Nordlichtfotografie: hier klicken.
Nordlicht-Aureole (Dom) über dem Adventdalen.
Die letzten Tage waren voll mit allen möglichen schönen und / oder sinnvollen Dingen, da komme ich nicht mehr ganz nach mit dem Blog … demnächst geht’s wieder weiter.
Die bereits vor Wochen angekündigten und heiß diskutierten Sperrungen des Fjordeises im Tempelfjord sind Mittwoch (13.03.2019) in Kraft getreten. Eine Ankündigung nach Beschluss hat es nicht gegeben, die Sperrung trat mit der Verkündung unmittelbar in Kraft.
Im Frühjahr sind auf dem Fjordeis im Tempelfjord häufig Eisbären zu sehen. Auch derzeit halten sich dort mehrere auf. Zudem beginnt bald die Wurfsaison der Ringelrobben. Es wird befürchtet, dass der in den letzten Jahren zunehmende Motorschlittenverkehr auf dem Eis die Eisbären und Robben beim Jagen beziehungsweise Ausruhen stört.
Fahrverbote für Motorschlitten im Tempelfjord: das rot schraffierte Gebiet ist vollständig gesperrt. Das blau schraffierte Gebiet darf auf kürzester möglicher Route gequert werden. Karte: Sysselmannen på Svalbard (Ausschnitt).
Tatsächlich waren in vergangenen Jahren und auch diese Saison bereits Zwischenfälle beobachtet worden, bei denen Tiere durch rücksichtsloses Verhalten von Motorschlittenfahrern gestört wurden. Dabei handelt es sich um rücksichtsloses und auch bisher schon regelwidriges Verhalten Einzelner. Die bei weitem überwiegende Mehrheit, sowohl Einheimische als auch Touristen in geführten Gruppen, verhält sich regelkonform und hält weiten Abstand von Tieren ein. Dieses rücksichtsvolle Nebeneinander hat bislang weitgehend gut funktioniert, nur das rücksichtslose Verhalten Einzelner sorgte für Störungen und Aufsehen.
Da der Sysselmannen sich nicht in der Lage sieht, das bislang bereits geltende Recht durchzusetzen, kommt es nun zum flächendeckenden Verbot für alle: ab 13.03.2019 ist das Fjordeis im inneren Tempelfjord, ab der Linie Kapp Schoultz-Kapp Murdoch (siehe Abbildung), für den motorisierten Verkehr (sprich: Motorschlitten) vollständig gesperrt.
Das Fjordeis westlich dieser Linie darf zum Zweck der direkten Querung auf kürzester möglicher Route befahren werden. Dabei darf nicht angehalten werden, es sei denn, es ist aus Sicherheits- oder technischen Gründen erforderlich. Diese Querung ist Bestandteil häufig genutzter Routen nach Norden, etwa nach Pyramiden.
Damit ist die Gletscherfront des Tunabreen, bislang ein unter Einheimischen und Touristen beliebtes Ausflugsziel, ab sofort nicht mehr aus der Nähe zugänglich.
Das Verbot gilt zunächst bis auf weitere Ankündigung, maximal aber bis zum 1. Juni.
Nicht motorisierter Verkehr (Skiwanderer, Hundeschlitten) ist nicht betroffen. Schiffsverkehr nach Aufbrechen des Fjordeises ist ebenfalls nicht betroffen.
Sola e‘ tilbake! Das war das Motto am Freitag (schon wieder mehrere Tage her – die Zeit rennt …), dem großen Tag: Solfest – Sonnenfest – in Longyearbyen!
Wie erwähnt, zeigt sich die Sonne am unteren Rand des Ortes, am Adventfjord-Ufer, schon mehrere Tage vorher …
Sonne im unteren Teil von Longyearbyen, Freitag (8.3.) Vormittag.
… aber da es diese Ortsteile früher nicht gab, wird traditionell am 08. März mittags gefeiert, kurz nach 12.30 Uhr, wenn die Sonne die Treppe des alten Krankenhauses erreicht. Das alte Krankenhaus selbst steht schon längst nicht mehr, aber die Treppe vom Hintereingang gibt es noch. Wobei es sich bei der Treppe wohl sogar um ein Rekonstruktion handelt, damit man weiß, wo man das Sonnenfest feiern soll … egal. Jedenfalls steht unterhalb des Kindergartens bei der Svalbard Kirche diese alte Holztreppe in der Landschaft, und da versammelt man sich am Solfest-Tag um 12.30. Da kommen hunderte Menschen! Vor allem natürlich sind alle Kinder dabei, ganz süß als kleine Sonnen verkleidet. Und dann wird gesungen und die Sonne, die sich Mühe gibt, über die Berge zu klettern, wird stimmgewaltig angefeuert: Sol! Sol! Komm igjen! Sola er min beste venn! – Sonne! Sonne! Du schaffst das! Die Sonne ist mein bester Freund!
Sonnenaufgang über dem Lars Hiertafjellet beim Solfest in Longyearbyen,
Freitag Mittag (8.3.).
Und schließlich schafft die Sonne es, die gleißenden Strahlen brechen über dem Lars Hiertafjellet über dem Larsbreen hervor, und alles bricht in Jubel aus. Das ist wirklich ein emotionaler Moment! Immerhin hat Longyearbyen bis dahin wegen der Lage im Tal seit etwa 5 Monaten kein direktes Sonnenlicht mehr bekommen.
Sonniger Blick Richtung Gipshuken und Billefjord.
Ja, die Sonne ist wieder zurück. Es ist schön, draußen unterwegs zu sein, die lichtüberflutete Landschaft zu genießen und die Sonne im Gesicht zu spüren.
Sonne über dem Nordenskiöld Land.
Auch wenn es nach wie vor eisig kalt ist, das Thermometer hält sich konstant in der Nähe der -20 Grad-Marke. Auf dem Adventfjord treibt junges Eis am Ufer, aber fester will die Eisdecke irgendwie trotz der dauerhaften Kälte bislang nicht werden. Der Warmwassernachschub vom Golfstrom scheint dafür zu gut zu funktionieren. Leider. Ein zugefrorener Adventfjord, das wäre doch auch mal wieder etwas.
Junges Eis am Adventfjord-Ufer, bei Hiorthhamn.
Der Winter präsentiert sich weiterhin mit kaltem, stabilem Wetter und die Sonne schafft es mittlerweile für etliche Stunden über den Horiozont. Natürlich nutzen wir die guten Bedingungen immer wieder für Touren in diese herrliche, lichtüberflutete Landschaft.
Sassendalen.
Hier sind wir im ewig weiten Sassendalen, einem der größten Täler Spitzbergens. Zu dieser Jahreszeit ist es eine vielbefahrene Motorschlittenroute zur Ostküste und zum Tempelfjord, aber es ist so riesig, dass man auch hier schnell ruhige Winkel findet, wo man niemanden sieht oder hört.
Wanderung beim Sassendalen.
In so einem Winkel bleiben die Motorschlitten stehen und wir machen uns zu Fuß auf, die ewig weiten Berghänge hinauf. Der Wind hat den Schnee auf großen Flächen vom kargen Untergrund gefegt, die Landschaft erscheint polarwüstenhaft. Dennoch sind hier viele Rentiere unterwegs, die den teilweise schneefreien Untergrund nutzen, um nach Nahrung zu suchen.
Rentier in polarwüstenhafter Landschaft auf Nahrungssuche.
Schließlich fahren wir noch ein Stück Richtung Tempelfjord. Hier waren wir ja schon vor ein paar Wochen. Nun erstrahlt die Landscchaft in einem ganz anderen Licht, dessen Intensität kaum in Worte zu fassen ist.
Selbst bei „normalen“ Lichtverhältnissen ist der Blick vom kleinen Berg Fjordnibba über Tempelfjord und Sassenfjord unglaublich schön. Als der liebe Gott diese Landschaft schuf, muss er einfach richtig gut gelaunt gewesen sein. Einfach grandios.
Ja, und dann bei desem Licht …
Gletscherfront des Tunabreen im Tempelfjord bei Sonnenuntergang.
Man kann an solchen Orten einfach nicht genug Zeit verbringen! Hierher muss ich immer wieder zurück, so oft die Gelegenheit sich bietet.
Zumal das Timing perfekt ist. Gerade jetzt – es ist kurz vor 16 Uhr – verschwindet die Sonne hinter den Bergen und ergießt das letzte Licht des Tages in feuerroten Strahlen über Berge, Fjorde und Gletscher.
Sonnenuntergang über Sassenfjord und Nordenskiöld Land.
Der innere Tempelfjord ist weitgehend solide zugefroren – nur bei Fredheim selbst war das Eis kürzlich noch einmal aufgebrochen – und derzeit bildet sich auch im Sassenfjord eine Eisdecke. Mal schauen, wie weit die Entwicklung geht. Hier haben wir den Diabasodden im äußeren Sassenfjord im Blick.
Blick vom Fjordnibba Richtung Sassenfjord und Diabasodden.
Ein letzter Abstecher von bergigen Höhen hinab zum eisigen Ufer bei Fredheim. Eisig ist es heute wirklich, die Temperatur liegt um -25 Grad. Die Kälte ist den in der Luft liegenden Farben anzusehen.
Zuguterletzt noch ein Blick in die andere Richtung. Farben der Kälte! Was ein Foto leider nicht transportiert, sind die Geräusche: Das Eis am Ufer arbeitet, die Gezeiten machen sich bemerkbar und vielleicht auch ein wenig Seegang, kilometerweit entfernt im offenen Wasser. Das Eis stöhnt und ächzt, es reibt und kracht, quietscht und schreit leise, aber unaufhörlich.
Abschließend mal wieder mein ceterum censeo – ich habe es ja schon wieder eine Weile vernachlässigt: ich erlaube mir darauf hinzweisen, dass ich ein neues Fotobuch gemacht habe, mit fotografischen Blicken auf die Arktis aus einer ganz neuen, ungewohnten Perspektive.
Noch vor wenigen Wochen herrschte Polarnacht, und nun kommt das Licht mit Macht zurück. Jeden Tag steht die Sonne sichtbar höher, das Hiorthfjellet wird zur Mittagszeit schon vollständig von der Sonne beleuchtet. Die Rückkehr der Sonne wird in Longyearbyen eine Woche lang mit der „Solfestuke“ (Sonnenfestwoche) gefeiert, da gibt es allerhand Ereignisse. Eröffnet wurde die Solfestuke mit Feuerwerk am Nachthimmel.
Da hatte die Sonne es mal wieder so richtig krachen lassen und sich, selbst unsichtbar, von ihrer besten Seite gezeigt! Das Spektakel hielt eine ganze Weile an, so konnten wir zwischendurch mal die Position und Perspektive wechseln:
Eröffnet wurde das Sonnenfest traditionell mit der „Spitsbergenrevye“, die dieses Jahr immerhin ihren 25. Geburtstag feiert. Dabei werden Ereignisse, die Longyearbyen im vergangenen Jahr bewegt haben, im Huset auf die Bühne gebracht, wobei satirischer Humor und Musik anhand bekannter Melodien nicht zu kurz kommen. Ein großer Spaß, jedenfalls wenn man lokal geprägtes Norwegisch versteht und fleißig die Svalbardposten (oder natürlich diesen Blog) gelesen hat.
Spitsbergenrevye im Huset, Sonnenfestwoche, Longyearbyen.
Eisbären und Bergbau sind immer dabei.
Ebenfalls traditioneller Bestandteil der Sonnenfestwoche ist ein Gottesdienst im Freien am Telelinken am Hiorthfjellet. Eisig kalt war es bei unter -20 Grad und Wind, aber sehr schön.
Gottesdienst im Freien am Telelinken (I). Sonnenfestwoche, Longyearbyen.
Gottesdienst im Freien am Telelinken (II). Sonnenfestwoche, Longyearbyen.
In Longyearbyen selbst ist die Sonne offiziell ab 08. März wieder zu sehen. Das stimmt praktisch nicht ganz, wie dieses Bild zeigt.
Svalbard Snøskuterutleie in der Sonne – am 05. März.
Bei Svalbard Snøskuterutleie, am untersten Rand von Longyearbyen direkt am Ufer vor dem Adventdalen, schien am Dienstag (05. März) schon die Sonne!
Trotzdem ist das Datum 08. März natürlich aus Gründen der Tradition und Geschichte richtig (wenn nicht gerade Schaltjahr ist). Die unteren Teile von Longyearbyen, wo die Sonne sich bereits ein paar Tage vorher blicken lassen kann, gab es früher nicht. Sobald die Sonne in Skjæringa scheint, dem ältesten Ortsteil Longyearbyens, wo u.a. die Kirche steht, darf offiziell gefeiert werden.
Der Februar kann in Spitzbergen eine wunderbare Zeit sein. Vor allem, wenn er nicht so klimawandelgebeutelt daherkommt wie 2018, wo kräftige Warmlufteinbrüche mehrfach Tauwetter und Regen brachten, sondern wenn er viel Frost bringt. Insgesamt stabiles Wetter mit Sonne, äh, klarem Himmel und nicht allzu viel Wind. Die Sonne kommt natürlich noch nicht so wirklich hinterm Berg hervor, aber seit gut einer Woche fangen die Berge mehr und mehr an zu leuchten und vor ein paar Tagen gab es die ersten Sonnenstrahlen auf die kalte Nase! Dafür muss man derzeit noch einen kleinen Ausflug machen, bis in das im Tal liegende Longyearbyen reicht die Sonne noch nicht. Das kommt erst am 08. März und wird dann mit dem Sonnenfest (Solfest) gebührend gefeiert. Dazu kommen wir demnächst dann noch.
Bei Longyearbyen Camping dauert es noch eine Weile, bis die ersten Zelte stehen.
Die Februar-Durchschnittstemperaturen lagen mit -11,1°C „nur“ 5,1 Grad über dem langjährigen Mittel aus der Normalperiode 1961-1990, so legen die Wetterfrösche das fest. Gut 5 Grad über dem Normalwert, der heute nicht mehr normal ist, sondern unerreichbar, das ist immer noch eine Menge. Trotzdem ist es schön kalt und frostig hier. Sogar der Adventfjord scheint zu überlegen, ob er nicht mal wieder zufriert. Das hat er seit vielen Jahren nicht mehr getan. Wahrscheinlich tut er es auch dieses Jahr nicht wirklich, aber immerhin ist in geschützten Winkeln am Ufer hier und dort initiale Eisbildung zu beobachten.
Eis im Adventfjord und Sonne auf den Bergen Hiorthfjellet und Adventtoppen.
Man muss sich derzeit noch zur Mittagszeit aufmachen, um die ersten Sonnenstrahlen direkt zu erleben. Wer nachmittags unterwegs ist, hat schon wieder Dämmerungs.
Mit Ski und Hund: „Schnurfahren“ (snørekjøring) im Adventdalen.
Großer Beliebtheit erfreut sich derzeit der Hang des Hiorthfjellet gegenüber von Longyearbyen. Dort steht auf einer Terasse eine Hütte mit großen Antennen, die man hier als „Telelinken“ kennt. Beste Lage am Südhang mit prima Aussicht. Dort hat man nun schon eine ganze Weile Sonne!
Erste Sonne über dem Adventfjord.
Auch bei minus 20 Grad genießen wir die ersten direkten Sonnenstrahlen auf den paar Quadratzentimetern freier Haut seit längerer Zeit …
Sonnenanbeter in der Arktis.
… und die wunderbare Stimmung, die dieses Licht über das kalte Land bringt.
Sonnige Blicke über die Berge im Nordenskiöld Land.
Von den standorttreuen Tieren wie Eisfuchs und Rentier abgesehen, sind derzeit wenig Tiere zu sehen. Neulich, noch im Dunkeln, war eine Eiderente am Ufer, die wahrscheinlich im Adventfjord überwintert hat, das kommt im Einzelfall vor. Letzte Woche wurde eine erste Dreizehenmöwe gesichtet.
Der Krabbentrawler Northguider war am 28. Dezember letzten Jahres beim Sparreneset in der Hinlopenstraße auf Grund gelaufen. Wie zuvor auf dieser Seite berichtet, konnte die ganze Mannschaft unverletzt mit Hubschraubern gerettet werden.
Die Mannnschaft hatte die Havarie und die Stunden bis zur Rettung bei Dunkelheit, starker Kälte und kräftigem Wind als sehr dramatisch erlebt.
Der Fischtrawler Northguider auf Grund in der Hinlopenstraße, dicht vor dem Sparreneset auf dem Nordaustland. Foto: Kystverket.
Im Januar konnten die 300 Tonnen Diesel sowie andere Gefahrstoffe (Schmieröle, Farben, …) und umweltgefährliches loses Gut wie Netze geborgen werden. Die Northguider sitzt allerdings weiterhin auf Grund. Experten des Sjøfartsdirektoratet, der norwegischen Seefahrtsbehörde, zufolge, liegt die Northguider derzeit soweit stabil. Der Vorteil daran: Wind, Strömungen und Eis werden sie wohl nicht so schnell von der Untiefe ziehen und schieben, so dass die Gefahr des Versinkens derzeit gering erscheint. Der Nachteil daran: auch Bergungsschiffe werden die Northguider wohl nicht so schnell von der Untiefe weg bekommen. Tatsächlich wird damit gerechnet, dass die Bergung des Schiffes mehrere Wochen Arbeit vor Ort erfordern wird.
Nun haben der Sysselmannen als die für die Unfallstelle zuständige Verwaltungsbehörde sowie die Fachbehörden (Sjøfartsdirektorat, Küstenwache) entschieden, dass die Bergung der Northguider im August vorgenommen werden soll. Zu dieser Zeit sind mit Blick auf Eis, Kälte, Wetter und Licht insgesamt die besten Bedingungen zu erwarten.
Aktuell ist das Küstenwachenschiff KV Svalbard noch einmal zur Unfallstelle in der Hinlopenstraße unterwegs, um sicherzustellen, dass sich an Bord der Northguider keine umweltgefährlichen Gegenstände und Substanzen mehr befinden und dass das Schiff soweit stabil liegt. Die weitere Überwachung soll u.a. durch Bewegungsmelder und Positionssender gewährleistet werden.
Manche gehen ja in den Tempel, um Erleuchtung zu suchen.
Wir fahren in den Tempelfjord und finden das Licht.
Blick durch das Eskerdalen, in der Ferne das Sassendalen
im Licht des beginnenden Polartags im Februar.
Zugegeben, der Start ist etwas holprig. Erst muss ein Auto aus einem tiefen Schneeloch gezogen werden, als das sich ein vermeintlicher Wendeplatz erwiesen hat. Die Stelle hat nicht zum ersten Mal jemanden reingelegt. Man müsste wirklich mal ein Schild aufstellen …
Blick durch den Tempelfjord Richtung Isfjord.
Dann zicken auch die Motorschlitten noch etwas herum, was diese Dinger ja gerne tun. Aber dann geht es los. Es liegt eine gewisse Frische in der Luft, schon um Longyearbyen liegen die Temperaturen weiter unter -20 Grad und im Sassendalen und Tempelfjord sind sie wohl kaum weit von -30 Grad entfernt. Ein Kollege, der heute an der Ostküste war, schätzte die Temperatur auf den Gletschern auf -40 … wie gesagt, es ist frisch.
Blick in den Tempelfjord hinein.
Nicht nur die Luft ist eisig, auch die Fjorde sind es. Ab Fredheim zieht sich eine durchgehende Eisdecke über den Tempelfjord. Auch der Sassenfjord – das ist die Fortsetzung des Tempelfjords, zwischen Fredheim und Billefjord – zeigt deutlich Zeichen des beginnenden Gefrierens. Würde sich das doch nur fortsetzen! Wir werden sehen, was in den nächsten Wochen so passiert.
Lukas genießt den herrlichen Blick über die Landschaft im Tempelfjord.
Nach dem schönen Aussichtspunkt auf dem Berg Fjordnibba machen wir natürlich auch noch einen Abstecher nach Fredheim, der berühmten, alten Trapperstation von Hilmar Nøis. Der hatte dieses schöne, zweigeschossige Häuschen ab 1924 gebaut. Fredheim steht seit 2015 ja auf einer etwas höheren Terrasse, die fortschreitende Küstenerosion hatte den Umzug erforderlich gemacht.
Wir genießen noch ein Weilchen den schönen Ort, die Blicke in die große Landschaft, die Kälte, das Eis, das Licht und nicht zuletzt eine warme Kleinigkeit aus der Suppenthermos, bevor wir uns auf den Rückweg machen. Die Tage sind noch nicht lang. Das ändert sich aber derzeit beeindruckend schnell.
… sind nicht wirklich das, was man im Februar in Spitzbergen erwartet.
Haben wir auch nicht wirklich.
Theoretisch hätte die Sonne sich am Samstag (16.2.) erstmalig wieder über dem Horizont zeigen sollen. Was nicht heißt, dass sie von Longyearbyen aus zu sehen ist; dazu müsste man auf einen höheren Berg steigen, etwa den Trollsteinen, was gerade an diesem Tag bei gutem Wetter eine schöne und beliebte Sache ist.
Aber es war ohnehin bewölkt, da kann man auch im Tal unterwegs sein.
Mondscheintour mit Hunden im Adventdalen.
So richtig klar wurde es erst heute (Montag) wieder. Über den Vormittag hinweg riss der zunächst graue Himmel mehr und mehr auf. Das „blaue Licht“ der ausgehenden Polarnacht weicht nun zumindest in den Mittagsstunden diesem unglaublich schönen, zartblau-rosafarbenen Licht der Übergangszeit von der Polarnacht hin zum Polartag.
Und heute zeigte sich die Sonne – zumindest indirekt, direkt wird sie in Longyearbyen erst am 08. März wieder zu sehen sein, dann wird das Sonnenfest (solfest) gefeiert. Aber auf den Bergen hat man nun ein wunderschönes Alpenglühen, das den Charakterköpfen Adventtoppen und Hiorthfjellet jetzt eine fantastische, rosa-orangefarbene Krone aufsetzt.
Die Sonne bleibt erstaunlich lang über dem Horizont und spendet ihr schönes Licht, während der Mond gleichzeitig direkt über den Bergen wandert.
Ja, und dabei sind es 20 Grad, oder sogar noch mehr. Natürlich unter null!
Die Lunckefjellet-Grube ist ein politisch-wirtschaftliches Phänomen. Im November 2013 wurde die erste Tonne Kohle aus dem Berg geholt – eine Symbolhandlung, der produktive Betrieb hatte noch nicht begonnen. Das war auch bei der offiziellen Eröffnung am 25. Februar 2014 noch nicht der Fall, aber die Grube, die bis dahin bereits mehr als eine Milliarde norwegische Kronen (über 100 Millionen Euro) verschlungen hatte, war immerhin betriebsbereit.
Forschungsfahrt zum Lunckefjellet.
In den produktiven Betrieb sollte sie aber nie gehen. Stattdessen ging es mit den Kohlepreisen auf dem Weltmarkt bergab, und die Gruben bei Sveagruva, dem norwegischen Bergbauort im Van Mijenfjord, gingen in einen Erhaltungsbetrieb, der nur dazu diente, den Verfall aufzuhalten und die Möglichkeit eines künftigen Betriebes für ein paar Jahre offen zu halten.
Sveagruva: norwegische Bergbausiedlung (schwedische Gründung 1917) im Van Mijenfjord.
Im Herbst 2017 schließlich zog die Regierung in Oslo die Reißleine. Die Store Norske Spitsbergen Kulkompani (SNSK), Eigner aller norwegischen Kohlegruben in Spitzbergen, gehört zu 100 % dem norwegischen Staat, so dass dieser als Eigner ganz direkt das Schicksal des Kohlebergbaus auf Spitzbergen lenken kann. Die Entscheidung: der Bergbau im Ort Sveagruva sollte endgültig eingestellt werden. Sowohl die über etliche Jahre profitable Grube Svea Nord als auch die neue Lunckefjellet-Grube sollten abgewickelt werden, und dazu der ganze Ort gleich mit. Weitergeführt wird der norwegische Kohlebergbau in Spitzbergen nur noch in der Grube 7 bei Longyearbyen, dort immerhin seitdem wieder im Zweischichtbetrieb.
Tagesanlagen und Grubeneingang am Lunckefjellet.
Der Grund: wirtschaftlich, so die offizielle Angabe. Sehr auskunftsfreudig ist die Regierung an dieser Stelle allerdings nicht, stattdessen verweisen Regierungsvertreter mitunter gerne auf den nichtöffentlichen Status relevanter Informationen und Unterlagen. Natürlich sehen viele das Ende des Bergbaus in Sveagruva, insbesondere in der gerade erst gebauten Lunckefjellet-Grube, mit großem Missbehagen, da hier Tradition, Arbeitsplätze und eine für Longyearbyen wichtige Industrie abgewickelt werden. Das Ende des Bergbaus in Spitzbergen war so und anders absehbar, das weiß man hier und seit Jahren werden andere Wirtschaftszweige entwickelt, wobei Forschung, Ausbildung und Tourismus ganz oben stehen. Dennoch ist Longyearbyen historisch und bis heute zumindest teilweise gefühlt vom Bergbau geprägt und der absehbare Verlust schmerzt so manchen im Ort zumindest emotional und oft auch wirtschaftlich. Auf Angebote von Investoren, Sveagruva und das Lunckefjellet zu übernehmen, ist die Regierung gar nicht erst eingegangen, was die Angabe von rein wirtschaftlichen Aspekten als Grund für die Schließung etwas fadenscheinig erscheinen lässt.
Stollen in der Kohlegrube im Lunckefjellet.
In diesen Tagen wird die Lunckefjellet-Grube geschlossen. Die Belüftungsanlagen werden derzeit abgebaut, und danach könnte nur noch – theoretisch – speziell ausgebildetes Personal mit taucherartigen Atemschutzvorrischtungen die Kohlemine betreten, und auch das nur noch eine recht kurze Zeit, solange die mechanische Festigkeit des Hangenden (die Decke) einigermaßen zuverlässig ist. Das wird nicht lange der Fall sein. Die Lunckefjellet-Grube wird daher bald ungefähr so gut erreichbar sein wie die Rückseite des Mondes.
Mit solchen Bewegungsmessern, genannt „telltale“, werden Felsbewegungen im Hangenden (Stollendecke) überwacht.
Diese Bolzen zur Sicherung des Hangenden (Stollendecke) sind ständiger Korrosion und Belastung ausgesetzt. Werden sie nicht regelmäßig überwacht und ergänzt, wird eine Kohlegrube schnell hochgefährlich und unbegehbar.
Letzte Woche (5.-7. Februar 2019) waren Geologen der Bergbausgesellschaft Store Norske und von UNIS im Lunckefjellet, um die buchstäblich letzte Gelegenheit zu nutzen, wissenschaftlich wertvolle Proben am Kohleflöz zu nehmen. Die Geologie der Kohle Spitzbergens ist weniger genau bekannt, als man vermuten könnte: wie die Landschaft wirklich ausgesehen hat, in der sie sich bildete, weiß niemand so ganz genau.
Geologe Malte Jochmann bei der Arbeit im Lunckefjellet.
Natürlich handelte es sich um Moore und Sümpfe, wahrscheinlich hat das Salzwasser einer nahen Küste phasenweise einen wichtigen Einfluss ausgeübt. Aber welche Rolle spielte Süßwasser, was für Flüsse und Seen gab es? Was haben kiesführende Sandsteinschichten (Konglomerat) in der Kohle zu suchen, wann stieg und wann sank der Meeresspiegel an der nahen Küste, gab es tektonische Aktivität, und wenn ja, was für welche? Gab es Hügel oder gar Berge in der Umgebung, oder war alles drumherum flach?
Die Geologen Malte Jochmann, Maria Jensen und Christopher Marshall bei der Arbeit im Lunckefjellet: Aufschlüsse und mögliche Probennahmestellen werden begutachtet.
Beim Gang durch die Stollen gibt es alle paar Meter aufschlussreiche Blicke in die geologische Vergangenheit, wobei sich mindestens ebenso viele Fragen wie Antworten ergeben. Nur zwei Tage hatten die Geologen Malte Jochmann (SNSK/UNIS), Maria Jensen (UNIS) und Christopher Marshall (University of Nottingham) Zeit, um Aufschlüsse wenigstens skizzenhaft zu dokumentieren und Proben zu nehmen, deren Auswertung künftig wenigstens ein paar dieser Fragen beantworten könnte.
Auch unter Tage vergisst man nicht, dass man in der Arktis ist: die Temperatur liegt konstant unter null Grad, an den Wänden blühen auf der schwarzen Kohle wunderschöne Eiskristalle.
Nun wird die Grube zurückgebaut, viele Gerätschaften sind schon entfernt worden. Schon bald wird sie niemand mehr betreten können. Auch von Sveagruva wird nach einem umfangreichen und teuren Aufräumen, das bereits in Gang gesetzt wurde, wohl nicht viel übrig bleiben. Nur die Anlagen, die historischen Wert haben (in Spitzbergen allgemein älter als 1946, in Svea wird man die Grenze wohl auf 1949 hochsetzen) werden stehen bleiben und eventuell ein paar einzelne Gebäude zur künftigen Nutzung – Forschung? Begrenzter Tourismus? Das weiß man derzeit noch nicht so wirklich.
Bergbau wird es jedenfalls nicht sein.
Sternenhimmel auf dem Rückweg von Sveagruva nach Longyearbyen.
Für Aufsehen sorgen derzeit Medienberichte über das Auftreten von bakteriellen Resistenzgenen in arktischen Bodenproben, die für die Ausprägung einer Multiresistenz bei Bakterien verantwortlich sind. Viele Medien und Menschen fragen sich, wie diese Resistenzgene in die unberührte Natur Spitzbergens gelangen. Einige Medien sehen sich mit diesem Fakt bestätigt, multiresistente Bakterien als noch größere Bedrohung verglichen mit Klimawandel und Krieg darzustellen.
Fraglos sind der unkontrollierte, globale Einsatz von Antibiotika und das zunehmende Auftreten multiresistenter Bakterien sehr ernsthafte Probleme.
In Bodenproben, die bei Ny-Ålesund genommen wurden, wurden bakterielle Resistenzgene nachgewiesen, die derzeit für mediale Aufregung sorgen.
Zunächst überraschend, aber für Fachleute gar nicht so unerwartet ist das Auftreten solcher multiresistenten Bakterien auch auf Spitzbergen zumindest der Umgebung der Siedlungen, also etwa in dem Bereich im Kongsfjord nahe der Siedlung Ny-Ålesund, wo deren Genmaterial in den Proben für die aktuelle Studie gefunden wurde.
So unberührt, wie oft beschrieben, ist die Natur Spitzbergens im Kongsfjord nämlich nicht. Die Siedlung Ny-Ålesund existiert seit 1916 und war wie alle Siedlungen auf Spitzbergen zunächst ein Bergbauort, in dem Kohle abgebaut wurde. Weltweit berühmt wurde Ny-Ålesund in den 1920er Jahren durch eine Reihe von Versuchen, auf dem Luftweg zum Nordpol zu gelangen. Nachdem 1963 der Bergbau eingestellt wurde, entwickelte sich Ny-Ålesund zu einer Forschungssiedlung, in der sich bis heute Wissenschaftler aus der ganzen Welt aufhalten und Polarforschung in verschiedensten Fachrichtungen betreiben. Regelmäßig legen Schiffe in Ny-Ålesund an, darunter Forschungs- und Versorgungsschiffe und in den Sommermonaten Passagierschiffe. Der Ort liegt außerdem im unmittelbaren Einflussgebiet des Golfstroms.
Der Originalpublikation Understanding drivers of antibiotic resistance genes in High Arctic soil ecosystems (McCann, C.M., Environment International) ist zu entnehmen, dass alle 8 Bodenproben aus der unmittelbaren Nähe der Siedlung stammen. Das dabei gefundene Resistenzgen NDM-1 (Neu Dehli-Metallo-Betalaktamase) wurde erstmals 2008 in Schweden aus medizinischen Proben eines Patienten isoliert, der sich zuvor in einem indischen Krankenhaus hatte behandeln lassen. Bakterien, die dieses Enzym besitzen, sind gegen mehrere Antibiotikagruppen wie auch gegen eine Gruppe sogenannter Reserveantibiotika resistent.
Klebsiella-pneumoniae (Darmbakterium).
In dieser Art wurde 2008 erstmals eine NDM-1 nachgewiesen.
Weitere Untersuchungen in der Folgezeit ergaben, dass Bakterien, die dieses Resistenzgen tragen, insbesondere auf dem indischen Subkontinent weit verbreitet sind, aber sich auch in anderen Ländern z.B. Japan, China, Australien, Kanada oder auch europäische Länder darunter Großbritannien, Frankreich, Österreich, Deutschland, Norwegen, Schweden und Belgien nachweisen lassen. Menschen können stille Träger solcher Bakterien sein, die sich vor allem im Darm aufhalten. Dies führt nicht unbedingt zu einer Erkrankung.
Es ist somit leicht vorstellbar, dass sich diese Bakterien schnell und unbemerkt auch bis in die Arktis verbreiten. Die Wege sind vielfältig. Die Menschen selbst können, wie beschrieben Träger sein. Die Bakterien gelangen ins Abwasser und damit in die Umwelt. Nicht zuletzt sind Wildtiere ebenfalls Träger von multiresistenten Bakterien. Bei Zugvögeln wurde dies gut untersucht. Diese nehmen die Bakterien etwa in den Regionen auf, in denen sie überwintern, und tragen sie bis in die Arktis. Gerade der Kongsfjord an der milderen Westküste Spitzbergens ist ein beliebtes Brutgebiet für eine Reihe von Zugvogelarten.
Insofern schlussfolgern die Autoren der Originalpublikation richtig, dass der Nachweis des Resistenzgens NDM-1 keine gesundheitliche Bedrohung in der Region oder für Ny-Ålesund darstellt, sondern dass dies einmal mehr zeigt, dass die durch den unkontrollierten Einsatz von Antibiotika entstehenden resistenten Bakterien sich schnell global verbreiten. Dies ist an sich wenig überraschend. So traurig die Verbreitung von Resistenzen in entlegene Winkel der Erde wie Spitzbergen ist und so katastrophal multiresistente Erreger für Menschen sein können – der Nachweis von Resistenzgenen in Bodenproben aus der Nähe arktischer Siedlungen bedeutet für diese globale Problematik keine Steigerung, sondern zeigt, dass der Mensch seine hausgemachten Probleme auch ungewollt global verteilt. Die reißerischen Schlagzeilen vieler aktueller Medienberichte, die Vergleiche mit Weltuntergangszenarien wie Krieg und drastischen Folgen des Klimawandels bemühen, werden der Komplexität des Problems nicht gerecht.
Interessant wäre in diesem Zusammenhang eine vergleichbare Analyse von einer tatsächlich nahezu unberührten Region Spitzbergens, die den oben beschriebenen Einflüssen zumindest weniger ausgesetzt ist.
Text: Dr. Kristina Hochauf-Stange (med. Mikrobiologin)
Die Information, dass die Erderwärmung kaum eine Region der Welt so stark betreffen und wohl auch verändern wird wie die Arktis, ist zwar alles andere als neu. Trotzdem wurde es still im Saal, als auf einer gut besuchten Bürgerversammlung in der Universität von Longyearbyen am letzten Montag der Klimabericht „Climate in Svalbard 2100“ vorgestellt wurde.
Das Ergebnis des Berichtes: Eine um sieben bis zehn Grad erhöhte Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100, deutlich mehr und intensivere Niederschläge, schmelzende Gletscher, tauende Permafrostböden, der Rückzug des Meereises und ein deutlich kürzerer Winter könnten den Alltag von Mensch und Natur auf Svalbard innerhalb von nur zwei Generationen radikal verändern. Schnee- und Schlammlawinen würden zunehmen, das Wasser in den Flüssen ansteigen und die Höhe der Gletscher um mehr als zwei Meter jährlich absinken.
Was klingt wie das düstere Horrorszenario eines schlechten Umweltthrillers, ist tatsächlich ein vom Norwegischen Klimaservicecenter für das Umweltministerium erstellter Bericht, hinter dem renommierte Institutionen aus dem Bereich Meteorologie, Energie und Polarforschung stehen. Im Klimabericht formulieren die Forscherinnen und Forscher Prognosen für den Fall, dass die Ziele der Pariser Klimakonferenz von 2015 nicht erreicht werden.
Bereits jetzt ist die Durchschnittstemperatur auf Spitzbergen um zwei Grad gegenüber vorindustrieller Zeit angestiegen, und das ist auch spürbar. Berichte über Temperaturrekorde häuften sich in den letzten Jahren in schöner Regelmäßigkeit. Den meisten Einwohnerinnen und Einwohnern von Longyearbyen dürfte zum Beispiel der Winter 2012 noch gut im Gedächtnis geblieben sein, wo Regen, Überschwemmungen und Glatteis im Januar eher an herbstliches Schmuddelwetter in Norddeutschland erinnerten als an einen echten Polarwinter in der nördlichsten Stadt der Welt, rund 1000 Kilometer vom Nordpol entfernt. Auch im letzten Jahr gab es im Januar Plusgrade und Regen in Longyearbyen, und seit 2010 gab es keinen Winter mehr, der unterhalb der üblichen Durchschnittswerte lag.
Paradox dabei: Spitzbergen selbst trägt nicht unerheblich zu dieser Entwicklung bei. Die Siedlungen werden durch Kohlestrom mit Energie versorgt, genau dem Energieträger, der am meisten CO2 in die Atmosphäre bläst. Neben dem Kohlebergbau ist der Tourismus der wichtigste Arbeitgeber auf Spitzbergen. Doch Touristen, die nach Svalbard reisen, nutzen vor allem die beiden treibhausgasintensivsten Verkehrsmittel Flugzeug oder Kreuzfahrtschiff. Und auch die Einheimischen sind bisher bei der Wahl ihrer Transportmittel auf das Flugzeug und mit Verbrennungsmotoren betriebene Schneemobile und Autos angewiesen.
Eher halbherzig wurden auf dem Treffen dann auch mögliche Maßnahmen diskutiert, die Svalbard anstrengen könnte, um zum Erreichen der norwegischen Klimaziele beizutragen und die Erderwärmung zu begrenzen. Vielleicht die Anzahl der Flüge von und nach Spitzbergen reduzieren? Zu erneuerbarer Energieproduktion übergehen? Weder der Chef der Gemeindeverwaltung Hege Walør noch Sysselmannen Kjerstin Askholt hatten Antworten auf diese Fragen.
Lediglich Gemeinderat Arild Olsen ließ sich nicht von der Schockstarre beeindrucken und formulierte die Idee, Longyearbyen zu Norwegens erster Null-Emissions-Gemeinde zu machen.
Ob das realistisch ist, bleibt abzuwarten. Kaum jemand bestreitet jedoch, dass Anpassungen an den Klimawandel dringend nötig sind, eine Menge Geld kosten werden und eventuell auch zu veränderten Gesetzen führen könnten.
Auch im Dezember 2015 sorgten Temperaturen bis zu neun Grad plus für Tauwetter und Überschwemmungen. Dieser Fluss im Bolterdalen ist im Winter normalerweise trockengefallen und gefroren.
So verschiedene Erlebnisse kann ein Sonntag Anfang Februar in Spitzbergen bringen: eine kleine Skiwanderung ins Adventdalen mit tierischer Begleitung bringt Bewegung, frische Luft, Blicke in Licht und Landschaft und überhaupt Spaß und Freude.
Allen Beteiligten.
Kleine Skitour mit Hund im Adventdalen.
Wenige Stunden später sitzt man in einer alten Halle der Tagesanlagen der alten Grube 3. Kohle wird hier nicht mehr abgebaut, dafür gibt gelegentlich Veranstaltungen. Heute klingt hier das Polarjazz-Festival aus. Eine experimentelle Spitzbergen-Jazz Oper – darunter kann man sich richtig was vorstellen, nicht? 🙂 Unter dem Titel „Spor“ (Spuren) werden Erzählungen, Eindrücke und Stimmungen aus Geschichte und Natur, Jagd und Bergbau in Spitzbergen von einem Trio in Klänge und Töne umgesetzt, von sphärisch bis rhythmisch, streckenweise mit Verstärkung durch den bereits erwähnten Store Norske Mannskor.
„Spor“: Spitzbergen in Klängen – Polarjazz 2019, hier in Grube 3.
Die Stimmung wird durch den Veranstaltungsort natürlich noch einmal passend verstärkt.
Das feste Eis in den Fjorden Spitzbergens, so es denn ausreichend fest wird, ist für Tiere wichtig und bei Menschen beliebt: Ringelrobben bringen hier im Frühjahr ihren Nachwuchs zur Welt, Eisbären streifen umher und jagen.
Früher sind auch Menschen in der Arktis auf dem Fjordeis auf Jagd gezogen, heute genießen sie dort die beeindruckende Landschaft und gegebenenfalls Tiere. Früher – vor vielen, vielen Jahren – waren es ein paar Jäger und Forscher und die wenigen Einheimischen, die mit Ski und Hundeschlitten in den einsamen Fjorden unterwegs waren.
So einsam sind die Fjorde nicht mehr. Touristen haben die Arktis seit mehreren Jahrzehnten als spannendes Reiseziel entdeckt, und Motorschlitten machen auch weiter entfernte Gebiete im Winter relativ einfach zugänglich. Das Fjordeis etwa im Tempelfjord und an der Ostküste sind im Frühjahr traditionell beliebte Ausflugsziele, sowohl für Einheimische als auch für geführte Touristengruppen.
Wichtiger Lebensraum für Eisbären und Ringelrobben: Fjordeis.
Im Gegensatz zur kurzfristig verhängten Maßnahme von 2018 hat der Sysselmannen nun frühzeitiger eine öffentliche Hörung initiiert, um einerseits Betroffenen die Möglichkeit zu geben, sich zu äußern, und andererseits durch die öffentliche Diskussion dafür zu sorgen, dass alle sich der Entwicklung bewusst sind und Bescheid wissen, so es zu entsprechenden Fahrverboten kommt.
Beliebtes Exkursionsziel für Einheimische und Touristen: Fjordeis.
Es ist absehbar, dass ein prinzipielles Fahrverbot auf dem bislang bei Einheimischen und Touristen beliebten Fjordeis für scharfe Diskussionen sorgen würde. Der Sysselmannen hat bereits darauf hingewiesen, dass solche Maßnahmen bei Bedarf kurzfristig und ohne Gesetzänderung verhängt werden kann, wie bereits 2018. Denkbar ist aber auch, solche Verbote gesetzlich zu verankern.
Ob es dabei Unterschiede zwischen Einheimischen und Touristen geben wird, ist nicht absehbar. Entsprechende Forderungen wurden bereits laut.
Konkret betroffen sein können der Tempelfjord, der Billefjord, die Rindersbukta und die Ostküste Spitzbergens zwischen Mohnbukta und Negribreen. Querungen auf vorgegebener Strecke können teilweise, wie auch 2018, erlaubt bleiben, um häufig genutzte Routen nicht vollständig zu verhindern, wie die Querung von Tempelfjord und Billefjord auf dem Weg nach Pyramiden.
Bislang ist nur die Rede davon, diese Fjorde für den motorisierten Verkehr (Motorschlitten) zu sperren. Skitouren und Hundeschlitten wären wohl weiterhin möglich.
Die Zeiten, in denen Longyearbyen eine kleine, kohlestaubige Bergbausiedlung war, in der Rentier und Eisfuchs sich gute Polarnacht sagen, sind seit Jahrzehnten vorbei. Mittlerweile ist Longyearbyen ein kulturell sehr lebendiger, international geprägter Ort.
Der Store Norske Mannskor, hier beim „Vorspiel“ zum Polarjazz Festival 2019, ist eine feste Größe im kulturellen Longyearbyen.
Die aktive Kulturszene findet in diversen Chören und Kulturveranstaltungen ihren Ausdruck, von denen mehrere es in die internationalen Veranstaltungskalender geschafft haben. Neben dem Dark Season Blues Festival, das traditionell Anfang Oktober stattfindet, gibt es unter dem Motto „Cool Place Hot Music“ das Polarjazz Festival. Eröffnet wurde es Mittwoch Abend mit dem sogenannten „Vorspiel“, das lokale Künstner im Kulturhaus gestalten. Dabei gaben sich Künstler von jungen, neuen Talenten über den beliebten Store Norske Mannskor (Männerchor) bis hin zur mit mehreren CDs etablierten Liv Mari Schei das Mikrofon in die Hand.
Liv Mari Schei: bekannter Singvogel in und aus Longyearbyen.
Der Kartenvorverkauf blieb hinter den Erwartungen zurück, aber zumindest beim „Vorspiel“ des Polarjazz-Festivals waren die Reihen voll bis hin zu Treppen und Gängen.
In den nächsten Tagen werden bekannte Künstler aus Norwegen Longyearbyens Bühnen beherrschen.