Bis ins 17. Jahrhundert waren Grönlandwale im Nordatlantik äußerst zahlreich, durch intensiven Walfang wurden sie aber seitdem an den Rand der Ausrottung gebracht. Vor wenigen Jahren wurde in Spitzbergens Gewässern erstmalig seit Jahrzehnten ein Grönlandwal gesichtet. 2006 und 2007 folgten je eine weitere Beobachtung, gefolgt am 05. Juli 2009 von einer schönen Beobachtung eines einzelnen Grönlandwals vor Verlegenhuken, der Nordspitze der Hauptinsel Spitzbergen. Lehrbuchmäßig tauchte der Wal etwa 15 Minuten zwecks Verzehr größerer Mengen von Meeresfrüchten, um anschließend für 4-6 Atemzüge aufzutauchen.
Seltene Sichtung: Grönlandwal vor Verlegenhuken, 05. Juli 2009
Erste Ergebnisse des Forschungsprojektes »Arctic Tipping Points« (ATP) deuten darauf hin, dass hocharktische Planktonarten wie Calanus glacialis ihre angestammten Lebensräume verlassen und in Richtung kälterer Gewässer ausweichen. Das kann künftig u.a. die Nahrungsgrundlage des Krabbentauchers bedrohen, der mit etlichen Hunderttausend Brutpaaren der zahlreichste Vogel Spitzbergens ist. Änderungen der marinen Nahrungsgrundlage werden in jedem Fall weitreichende Folgen für arktische Ökosysteme haben.
Arktisches Plankton an der Nordküste Spitzbergens
Über die Diskussion über mögliche, weitgehende Zugangsverbote wurde auf diesen Seiten bereits mehrfach berichtet (siehe etwa Archiv Dezember 2008). Nachdem eine erste Anhörungsfrist gegen Ende 2008 auslief, gab der Sysselmannen gegenüber den sehr starken Einschränkungen, wie sie vom DN (norwegisches Direktorat für Naturverwaltung) vorgeschlagen wurden, ein negatives Votum ab. Frei nach dem Motto »es wird abgestimmt, bis das Ergebnis stimmt« legt das DN nun den Vorschlag in unveränderter Form erneut vor. Hörungsfrist ist bis 01. September: Bis dahin können Meinungen beim Sysselmannen eingereicht werden (Kontakt Sysselmannen). Im September wird ein neuer Sysselmannen sein Amt antreten. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt…
Dem DN-Vorschlag zufolge werden Landungen im Osten der Inselgruppe verboten, mit Ausnahme von 16 speziellen Orten. Bislang sind Orte für Landungen frei wählbar (mit Ausnahme von Kong Karls Land, das schon lange komplett geschützt ist). Während einer Konferenz, die von AECO organisiert wurde und im Oktober 2008 in Longyearbyen stattfand, hatten norwegische Polarforscher ausdrücklich keine Bedenken hinsichtlich der grundsätzlichen Zugänglichkeit der Naturreservate für die Öffentlichkeit, wobei die Notwendigkeit für Regelung im Detail, etwa ortsspezifische Verhaltensregeln oder potentiell Schließung einzelner, empfindlicher Lokalitäten, festgestellt wurde.
Für die rot markierten Gebiete gilt künftig möglicherweise »Betreten verboten« (auf die Karte für eine größere Version klicken.)
… oder besser gesagt: Sie sind IMMER teuer, die Frage ist nur, wer zahlt. 2009 hat es bereits 52 Rettungsaktionen mit Hubschraubereinsatz gegeben, darunter kürzlich ein aufsehenerregender Langstreckenflug nach Nordgrönland, wo ein kranker Däne abgeholt wurde. Wiederholt wurden in Spitzbergen Personen während Motorschlitten- und Skitouren wegen einsetzender Frostschäden oder anhaltend schlechten Wetters abgeholt.
Die Häufigkeit derartiger Aktionen ist deutlich angestiegen (2008: insgesamt 72, 2007: 60). Ursachen hierfür sieht der Sysselmannen u.a. darin, dass die Bereitschaft steigt, frühzeitig zum Satellitentelefon oder Notpeilsender zu greifen. Auch scheinen die Gefahreneinschätzung und Ausrüstung nicht immer den hocharktischen Realitäten angemessen zu sein.
Künftig will der Sysselmann in solchen Fällen die Betroffenen bzw. deren Versicherung verstärkt zur Kasse bitten.
Ein teurer Spaß: Der Helikopter des Sysselmannen
(hier bei einer Übung)
Kapitän und Steuermann des am 11. Mai bei der Bjørnøya auf Grund gelaufenen russischen Kühlschiffes Petrozavodsk sind vom »Nord-norwegischen Tinggericht« zu 15 bzw. 40 Tagen Gefängnis verurteilt worden. Ihnen wird Trunkenheit im Dienst vorgeworfen, dem Steuermann zusätzlich das Verursachen der Havarie sowie Navigation innerhalb eines gesperrten Schutzgebietes. Da beide bereits 15 Tage in Untersuchungshaft verbracht hatten, wurde der Kapitän mit dem ersten Flugzeug heimgeschickt, der Steuermann hat noch ein paar Wochen hinter norwegischen Schwedischen Gardinen vor sich.
Der Kapitän des am 11. Mai bei der Bjørnøya auf Grund gelaufenen russischen Kühlschiffes Petrozavodsk hatte zur Zeit des Unglückes mindestens 1,7 Promille Alkohol im Blut, der Steuermann, der zur Unglückszeit das Ruder führte und dabei eingeschlafen war, mindestens 0,3 Promille. Das haben Untersuchungen im Rahmen der polizeilichen Nachforschungen ergeben. Beide sind in Norwegen in Haft und warten auf ihren Prozess.
Zunächst war Diesel ausgetreten, seit dem 12. Mai wurden jedoch keine Verunreinigungen beim Wrack oder sonstwo bei der Insel festgestellt. Mehrere tote Vögel wurden aufgefunden, diese waren jedoch nicht von Diesel oder Öl verunreinigt und sind möglicherweise an natürlichen Ursachen gestorben, Ergebnisse hierzu liegen noch nicht vor. In unmittelbarer Nähe brüten über 100.000 Lummen. Es sieht derzeit danach aus, als habe reines Glück eine große Umweltkatastrophe verhindert, aber für endgültige Entwarnung ist es noch zu früh: An Bord kann sich noch Öl befinden.
Der Sysselmannen hat ein Verbot erlassen, sich dem Wrack auf weniger als 250 Meter zu nähern. Schiffe, die länger als 40 Fuß (12,2 Meter) sind, dürfen die 1-Meilen-Schutzzone um die Vogelfelsen am Südende der Insel ohnehin nicht befahren.
Die Eiskappen Vestfonna und Austfonna/Vegafonna bedecken mit 2450 beziehungsweise 8450 km2 den größten Teil des Nordaustland, der zweitgrößten Insel im Nordosten Svalbards. Beide Eiskappen wurden in jüngerer Vergangenheit, während des kürzlich zu Ende gegangenen internationalen Polarjahres, intensiv von Glaziologen untersucht. Eines der vorläufigen Ergebnisse lautet, dass beide Eiskappen derzeit anscheinend stabil und von der Klimaänderung nicht beeinflusst zu sein scheinen.
Kleinere Gletscher Spitzbergens hingegen sind in den letzten Jahrzehnten deutlich geschrumpft; ein Trend, der sich derzeit zu beschleunigen scheint.
Die Abbruchkante der Eiskappe Austfonna an der Südküste des Nordaustland.
Das russische Kühlschiff Petrozavodsk ist am 11. Mai an der Südspitze der Bäreninsel (Bjørnøya) auf Grund gelaufen. Das Meer im Umkreis einer Seemeile von der Südküste der Insel darf vom 01. April bis 01. August nicht mit Schiffen über 40 Fuß (12,2 m) befahren werden, da sich auf den Küstenklippen einige der größten Seevogelkolonien des Nordatlantiks befinden; die Zahl brütender Dickschnabel- und Trottellumen geht in die Hunderttausende, und der Beginn der Brutsaison steht derzeit unmittelbar bevor. Die Petrozavodsk liegt direkt unterhalb der steinschlaggefährdeten Klippen, was eine Bergung schwierig oder eventuell sogar unmöglich macht. Das Schiff, das im Zusammenhang mit der russischen Fischereiflotte in der Region war, ist beschädigt und verliert anscheinend Öl unbekannten Typs, vermutlich Schweröl, von dem etwa 53 Tonnen an Bord sein sollen.
Kapitän und erster Offizier wurden in Longyearbyen vom Sysselmannen vernommen und werden in Norwegen vor Gericht gestellt. Beide hatten Alkohol im Blut. Zur Zeit des Unglücks war der erste Offizier auf Wache, er scheint zur fraglichen Zeit geschlafen zu haben (wirklich!).
Die Südspitze der Bjørnøya. Um die Ecke liegt derzeit ein russisches Wrack und verliert Öl.
Die norwegische Regierung hat Anfang Mai die Genehmigung zur Ausbeutung von geschätzten 174 Millionen Fass Öl im Feld »Goliat« in der Barentssee, nördlich von Hammerfest, erteilt. Goliat soll 2013 unter strengen Umweltschutzbedingungen in Betrieb gehen und wird dann das erste norwegische Ölfeld in der arktischen Barents-See sein; das bereits betriebene Feld »Snøhvit« ist ein reines Gasfeld.
Fossile Brennstoffe: nach norwegischer Vorstellung eine arktische Zukunftstechnologie
(hier, zugegebenermaßen etwas polemisch, das Kohlekraftwerk in Barentsburg)
Oft wurde gesagt, dass die Lokalpostille »Svalbardposten« Konkurrenz braucht, jetzt hat es endlich einer gemacht: Der amerikanische Journalist Mark Sabbatini, derzeit in Longyearbyen ansässig, veröffentlicht »Icepeople – The world’s northernmost alternative newspaper«, im Internet (hier). Viel Erfolg!
Im April fällte das Gericht (»Nord-Norsk Tingrett«) sein Urteil: Die russische Helikopterfirma Spark Plus muss 50.000 norwegische Kronen Strafe zahlen (knapp 5.400 Euro). Spark Plus sieht hingegen eine Verletzung des Artikels 3 des Spitzbergenvertrages, der Gleichbehandlung ungeachtet der Nationalität fordert, und wird möglicherweise in Berufung gehen.
Bjørn Arnestad, Direktor der norwegischen Bergbaugesellschaft »Store Norske Spitsbergen Kullkompani« (SNSK), hat sich zur Zukunft seiner Firma und zum kürzlich veröffentlichten Svalbard-Strategiepapier der Regierung geäußert. Abbaubare Kohlereserven − teilweise noch nicht erschlossen − gibt es bis 2023, darüber hinaus ist der Fahrplan für die SNSK noch unklar. Schifffahrt über den dann wahrscheinlich eisfreien Arktischen Ozean könnte laut Arnestad ein neues Geschäftsfeld werden. Zum Strategiepapier meinte Arnestad, er sei sehr zufrieden mit den Vorstellungen der norwegischen Regierung hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Kohlebergbaus in Spitzbergen und der Text wäre, als hätte die SNSK ihn selbst geschrieben.
Der Gedanke, dass Kohlebergbau und Klimaschutz etwas miteinander zu tun haben könnten, konnte die Entscheidung der Regierung offensichtlich nicht beeinflussen, obwohl höchste Umweltstandards offiziell der Maßstab für sämtliche Aktivitäten sein sollen und Klimaänderung als bei weitem größte Bedrohung für die arktische Umwelt erkannt worden ist.
Dass die SNSK mit dem Gedanken spielt, durch Schifffahrt über ein künftig teilweise eisfreies Polarmeer ökonomisch vom Treibhauseffekt zu profitieren, wirkt in diesem Licht schon zumindest ironisch.
Kohlebergbau: Zukunftsweisende Nutzung der Arktis?
(Grube 7 bei Longyearbyen)
In Ny Ålesund gibt prominenter Besuch sich zur Zeit die Klinke in die Hand: Am 16. April besuchte EU-Kommissionsvizepräsident Günther Verheugen die kleine Forschersiedlung am Kongsfjord, die Zeit reichte immerhin für eine Besichtigung der deutsch-französischen Station und einen Abstecher zum Souvenirladen. Am 29. April folgte Italiens Außenminister Franco Frattini, um den neuen italienischen »Amundsen-Nobile« Klimaforschungsturm zu eröffnen. Im Februar und März hatten bereits zwei norwegische Minister Ny Ålesund besucht (Lars Peder Brekk, Landwirtschaft und Lebensmittel, sowie Helga Pedersen, Fischerei und Küstenangelegenheiten).
Der erste Turm in Ny Ålesund wurde 1926 gebaut, ebenfalls mit wesentlicher italienischer Beteiligung
Etwa alle 10 Jahre veröffentlicht die norwegische Regierung ein neues Strategiepapier, um den Rahmen für die künftige Entwicklung Spitzbergens zu umreißen. Die neue »Stortingsmelding« (Nr. 22, 2008-2009) erschien am 17. April und unterstreicht die Bedeutung von Bergbau und Forschung für die künftige Ausrichtung der lokalen Wirtschaft. Hinsichtlich Tourismus wird der weitere, vorsichtige Ausbau angestrebt, wobei die Priorität auf der Schaffung lokaler, ganzjähriger Arbeitsplätze liegen soll (im unausgesprochenen Gegensatz zu sonstwo angesiedelten) und auf Ausweitung der Saison. Hinsichtlich Schiffstourismus in die Naturreservate im Osten Svalbards wird Wert darauf gelegt, dass die Qualität wissenschaftlicher Referenzgebiete nicht beeinträchtigt werden soll.
Wichtiger Wegweiser in die Zukunft Spitzbergens: die »Stortingsmelding nr 22«
Das Svalbardmuseum in Longyearbyen hat einen neuen Ausstellungsteil eröffnet: Eine Sammlung historischer Annexionsschilder informiert über die gesetzlosen Tage vor Inkrafttreten des Spitzbergen-Vertrages 1925. Damals konnte jeder einfach Land in Besitz nehmen, etwa um Bergbau zu betreiben.
Im frühen 20. Jahrhundert sorgte der Ansturm verschiedener, kleiner Bergbaugesellschaften für mitunter chaotische Besitzverhältnisse durch teilweise sich überlappende Ansprüche. Menschen verschiedener Nationalitäten stellten Schilder auf Grundstücke und beanspruchten diese einfach für sich. Viele blieben allerdings erfolglos und gaben das Gelände später wieder auf oder verkauften es. Langfristig erfolgreich waren hingegen die Amerikaner in Longyearbyen, die Schweden in Svea und Pyramiden, die Niederländer in Barentsburg und die Russen in Grumant.
Reste eines Annexionsschildes im Ebbadalen (Billefjord).