Nachts hatte der Nebel sich gesenkt, und als wir morgens aufwachten, war die Welt um uns herum grau. Gut, dass wir gestern schon bei so schönem Licht an Land waren. Und nun mal schauen, ob wir nicht noch ein paar Meter weiter nach Norden kommen können …
Wir konnten. Wer hätte es gedacht, dass wir ein paar Stunden später vor der Rossøya liegen würden? Svalbards allernördlichste Insel, mehr ein Fels als eine Insel, eine Schäre, schildkrötenrückenförmig. Direkt südlich ragt die Vesle Tavleøya steil in den Nebel wie ein drohender Schatten, dort brüten eine Menge Seevögel, Svalbards nördlichste Kolonie, darunter eine ganze Menge Papageitaucher.
Rossøya ist zwar nur eine Schäre, aber als nördlichster Punkt Svalbard natürlich einer dieser markanten Punkte. Es ist interessant, die Rossøya mal zu sehen, aber dort an Land zu gehen – das ist dann noch mal etwas anderes. Und nicht gerade einfach. Eis und Nebel waren etwas an der Grenze, aber die Sicht war ausreichend und Heinrich ankerte die Arctica II so schön dicht an der Insel, geschützt vor den treibenden Eisschollen, dass es losgehen konnte. Timon und ich haben erst mal zwei Routen getestet, um einen praktikablen Aufstieg zu finden. Die Insel ist ziemlich steil. Aber dann haben wir einen funktionierenden Weg entdeckt, und nach einiger Krabbelei über die Felsen waren alle oben, die sich auf die exponierte Tour aufgemacht hatten. Hoch oben auf Svalbards nördlichster Insel! Jawoll! Es gibt dort sogar ein einsames Löffelkraut, viele Flechten, drei Steinmänner, von denen der größte der nördlichste der Russisch-Schwedischen Gradmessungsexpedition sein dürfte, und ein Paar Schmarotzerraubmöwen. Svalbards nördlichste Brutvögel sind Schmarotzerraubmöwen, wer hätte das gedacht?
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Wieder an Bord, hat der Nebel sich pünktlich wieder gesenkt, und mehr und mehr Eis trieb herein. Also haben wir auf 80°50’N unsere nördlichste Kurve gemacht und sind nach Süden gedampft, Richtung Nordaustland.
Die Weite und Einsamkeit des Nordaustlandes können einen schon ein wenig überwältigen, vor allem, wenn man sich etwas länger, für immerhin gute 9 Kilometer, auf die ewigen Stein- und Geröllhalden einlässt. Stille Seen, der traurige Ruf des Sterntauchers, sanft rollende Steintundra.
Galerie – Franklindalen-Phippsøya – 04. August 2017
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Und dann: mal schauen, wie weit wir bis nach Norden kommen. Wir kamen ziemlich weit. Das Treibeis hat zwar versucht, uns aufzuhalten, dabei aber nicht mit der Arctica II und Heinrich Eggenfellner am Steuer gerechnet. Bis zur Phippsøya kamen wir für heute und wir haben das schöne Wetter noch für eine kleine Wanderung über diese nördlichste einigermaßen große Insel bis zu einem Aussichtspunkt ausgenutzt, von dem aus wir freie Sicht bis auf den Nordpol hatten.
Rein geographisch war der ganze Tag bereits ein Höhepunkt, selbst wenn sonst nichts gewesen wäre. Wer war denn schon mal im Lady Franklinfjord? Genau. Wir wollen ja gerne vor allem dahin, wo nicht ohnehin schon alle anderen ständig herumfahren. Da steht der Lady Franklinfjord ganz, ganz weit oben auf der Hitliste.
Man muss sich das nur mal auf der Seekarte anschauen. Klar, dass die riesigen Futterkutter hier nicht reindonnern. Es bringt schon eine Menge Spaß und den einen oder anderen kleineren Adrenalinschub, auf der Fahrt durch den flachen Sund südlich der Lågøya dem Tiefenmesser zu folgen.
Diese kleine Insel im Lady Franklinfjord sollte eigentlich nur der Schauplatz für einen gemütlichen ersten Landgang sein. Auch dieser Landgang resultierte dann zunächst in einen kleinen Adrenalinschub, als gar nicht so weit weg auf einmal ein Eisbär herumspazierte. Das tat er (oder wohl eher sie) auch weiter ganz gemütlich, als wir schon längst wieder auf der Arctica II waren, wohin wir uns natürlich schleunigst verkrümelt hatten. Es gab noch einige schöne Blicke auf die Eisbärin, während sie dem Ufer folgte.
Von einem Hügel tief hinten im Lady Franklinfjord hatten wir einen grandiosen Ausblick über die karge Uferlandschaft im Norden und die wilden Gletscher im Süden und Osten, die Franklinbreane. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gletschern Spitzbergens ziehen sie sich bislang nicht zurück, sondern sind sogar etwas vorgestoßen. Im Fjord trieben eine Menge Eisberge, schön von der Sonne angeschienen, wie auch die zerklüftete Abbruchkante. Diesen grandiosen Anblick haben wir später noch ausgiebig vom Boot aus genossen, das Heinrich virtuos zwischen den Eisbergen hindurch steuerte. Ein landschaftlicher Eindruck, der schon fast grönländische Qualitäten hatte! Was in Bezug auf Dimensionen, Licht und Farben schon einiges sagen will.
Galerie – Lady Franklinfjord – 03. August 2017
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Mit dem Jäderinfjord, einer Seitenbucht des Lady Franklinfjord, haben wir dann noch eine weitere sehr abgelegene Bucht besucht und einen schönen Abendspaziergang gemacht. Leicht benebelt, aber die Landschaft hatten wir ja vorher schon im schönsten Sonnenschein gesehen, und dafür waren die Lichtstimmungen umso schöner!
Es ist herrlich, wie Heinrich die Arctica II an Ankerplätze in unvermessenen, flachen Buchten manövriert. Das beschert uns immer wieder ruhige Ankerplätze und Landemöglichkeiten, wo man sonst Schwierigkeiten hat. Diese Nacht war es ein schöner Ankerplatz ganz innen in der Mosselbukta. Und ein schöner Landgang bei Nordenskiölds Polhem, der Expeditionsbasis von 1872-73.
Galerie – Mosselbukta-Sorgfjord – 02. August 2017
Der Raudfjord gehört zu Spitzbergens schönsten Fjorden, und die Landschaft dort haben wir bei einer kleinen, feinen Bergtour genossen. Und weiter bleibt das Wetter gut und die See ruhig, so dass später einem Besuch bei der berühmten Hütte von Christiane Ritter bei Gråhuken und einem abendlichen Spaziergang an der offenen Nordküste Spitzbergens nichts im Wege stand.
Wind und Wetter gibt es derzeit hier praktisch nicht, Fjord und Meer liegen wie ein Ententeich um uns herum, und so konnten wir kurz vorm Kapp Mitra ankern, ganz außen im Krossfjord, kurz vor der Westküste. Dort, wo der berühmte Eisbärenjäger Henry Rudi 1910 eine Hütte gebaut hatte; bald darauf wurde diese auch von Kurt Wegener, Max Robitzsch und ihrer Mannschaft für photogrammetrische Nordlicht-Untersuchungen genutzt. Das waren die, die ein paar Kilometer weiter in Ebeltofthamna das Geophysikalische Observatorium des Grafen Zeppelin betrieben; Wegener war im Frühjahr 1913 auch an einer Hilfsexpedition für Schröder-Stranz beteiligt.
Ich schweife ab, aber genau das kann man ja auch herrlich tun, wenn man an die Orte kommt, an denen sich so etwas abgespielt hat. Dazu eine herrliche Landschaft mit mittelmeerartigen Stränden und Felsufern unter strahlender Sonne – man könnte meinen, wir hätten uns verfahren, wenn da nicht dieser Walrossschädel am Ufer läge …
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Die Fahrt entlang der nördlichen Westküste, genannt Dei Sju Isfjella oder „Die sieben Eisberge“, ist ja sonst schon mal so eine Durststrecke auf See, mit Wind, Wetter und Seegang, wo der Blick aus dem Fenster dem in eine Waschmaschine gleicht. Und heute? Strahlend blauer Himmel, und das Meer liegt so ruhig, dass wir auch genauso gut mit dem Tretboot fahren könnten. Natürlich nutzen wir die Chance, ein oder zwei Vogelfelsen anzufahren und sogar einen kleinen Landgang an einem der wenigen brauchbaren Ufer an diesem sonst so ungastlichen Küstenstreifen zu machen.
Wir wollen die Dinge ja nehmen, wie sie kommen, und gerade kommen sie gut. Im nördlichen Forlandsund ist es weiterhin ausgesprochen ruhig, so dass einem Landgang an einem weiteren Strand auf dem Prins Karls Forland nichts im Wege steht. Schöne Blicke auf die wilde Berg- und Gletscherlandschaft tun sich von einem Moränenrücken aus auf.
Später machen wir einen kleinen Halt in Ny-Ålesund, ein wenig obligatorisches Sightseeing, shoppen und die Dieseltanks auffüllen. So sind wir gerüstet für die nächsten gut 2 Wochen, ganz gleich, woher und wohin der Wind so weht.
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Der Tag ist noch nicht alt genug, um ihn als beendet zu erklären, und so machen wir noch einen dritten Landgang und steigen zu einem Vogelfelsen hinauf. Der etwas anstrengende Anstieg (zugegeben, ein schönes Stück Fisch im Magen verleiht dabei nicht gerade Flügel) ist das Erlebnis wert: mehrere hundert Dickschnabellummen und Dreizehenmöwen haben wir von der Aussichtsterrasse aus vor der Nase! Ganz zu schweigen von der Eisfuchsfamilie, die vor unseren Nasen und Linsen ihr sommerlich-gutes Leben genießt.
Das Wetter hätte besser nicht sein können, als wir gemütlich in den Forlandsund hineindampften. Und während wir gemütlich der Küste nach Norden fuhren, ganz entspannt nach einer Landestelle für eine kleine Nachmittagstour Ausschau haltend, stapfte doch neben diversen Rentieren tatsächlich ein Eisbär über die Tundra! Die erste Eisbärensichtung, gleich am zweiten Tag der Fahrt! Es war nun kein allzu fotogener Eisbär, recht weit weg und überwiegend hinter einem Strandwall verborgen, aber immerhin, während einiger schöner Augenblicke für alle sichtbar.
Galerie – Forlandsund – 29. Juli 2017 (immer noch)
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Und weil wir schon mit den großen Tieren dabei waren, haben wir am Abend gleich noch einer kleinen Gruppe Walrosse einen Besuch abgestattet. Was für ein Tag! Die Tour quer über die Erdmannflya (siehe letzter Blog), das war ja auch schon heute …
Wir haben eine etwas späte, aber wunderbar stille Nacht in der Borebukta verbracht und von dort aus vormittags eine Wanderung über die Erdmannflya gestartet. Flache, weite Tundra, über die die Rentiere streifen. Schönes, friedliches Land! Die Eindrücke lassen sich schwierig in Worte fassen. Wie beschreibt man Weite und zeitlose Landschaftseindrücke?
Nach einigen Stunden erreichten wir die Ymerbukta, wo Heinrich bereits mit der Arctica II auf uns wartete. Die Reste des gestrigen Abendessens erfreuten sich schnell einiger Beliebtheit.
Heute geht es los: die Fahrt „Spitzbergen für Fortgeschrittene“ mit der Arctica II. Ein weiterer Höhepunkt der sommerlichen Arktis-Saison!
Der Himmel lächelt, als wir uns an Bord versammeln, Skipper Heinrich, Kollege Timon, 9 fortgeschrittene Spitzbergenfahrer und ich. 18 spannende Tage haben wir vor uns.
Still und spiegelglatt liegt der Isfjord vor uns, und wir lassen uns die Chance nicht entgehen, am Bohemanneset an Land zu gehen. Diese weitläufe, flache Landzunge liegt so exponiert mitten im weiten Isfjord, umgeben von derartig untiefen Gewässern, dass man einfach Glück mit dem Wetter braucht, um da etwas machen zu können. Und wenn man dieses Glück hat, darf man es natürlich nicht einfach von der Bettkante schubsen! Also machen wir schon heute, am ersten Tag, unseren ersten Landgang, und daraus wird direkt eine mehrstündige Tour. Man könnte den Eindruck bekommen, als hätte die Natur hier einen botanischen Garten angelegt, eine Art Themenpark Tundra-Flora. Meere aus Polarschaumkraut, Stengellosem Leimkraut, Arktischem Hornkraut, Moorsteinbrech, Knöllchenknöterich, … you name it. Wir gehen bis zu den Hütten von Rijpsburg, wo 1899 die Zeit des kommerziellen Steinkohlebergbaus begann. Einige Jahre später überwinterten dort Hjalmar Johansen, seinerzeit Tourenkamerad und Schlafsackgenosse von Fridtjof Nansen, und Theodor Lerner, seines Zeichens Journalist. Auch Hilmar Nøis hat dort später überwintert. Diese Abenteuer sind übrigens beide im Buch „Arktische Weihnachten“ verewigt, das heute früh – heute früh! – in wesentlichen Teilen zur Druckerei gegangen ist. Jawoll! Damit ist die eher seltene Gelegenheit einer Landung am Bohemanneset mit Besuch von Rijpsburg doch auch mehr als hochverdient. Und wie könnte man ein neues Buch besser feiern als mit einem Besuch bei einem der Orte des Geschehens?
Zwischen der Fahrt mit der Antigua und der Tour mit der Arctica II liegen nun einige Tage, in denen die Arbeit des Autors und Verlegers auch wieder zu ihrem Recht kommen. Man kann sich auf den Spitzbergen(.de)-Kalender 2018 und die „Arktischen Weihnachtsgeschichten“ freuen!
Natürlich bleibt daneben aber Zeit für die eine oder andere kleine Tour. Man muss gar nicht weit, um einiges zu sehen. Genau genommen muss ich das heimische Sofa gar nicht verlassen (ich tue es trotzdem, so ab und an), um Schmarotzerraubmöwen und Weißwangengänse auf der Tundra zu sehen, jeweils mit Küken. Unter den Weißwangengänsen ganz in der Nähe sind mindestens zwei leuzistische, also Tiere mit Farbfehlern, die weitgehend weiß sind. Ein Altvogel und ein Küken.
Als Eiderente will man nicht in der Nähe sein, wenn Schmarotzerraubmöwen futtern. Dabei wird nämlich derzeit regelmäßig der schon recht weit entwickelte Inhalt von Enteneiern mit roher Gewalt in schnabelgerechte Teile zerlegt. Nun ja, auch die Schmarotzerraubmöwen wollen leben. Trotzdem bin ich froh, keine Eiderente zu sein.
Etwas weiter im Adventdalen präsentiert sich ein Sterntaucher mit Küken am Nest. Ein Familienfoto habe ich von dieser Art noch nie vorher machen können ! Und das bei dem Licht!
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In Longyearbyen selbst blüht es gerade überall. Der früher recht seltene Svalbard-Hahnenfuß ist lokal jetzt zahlreich, und das berühmte Wollgras steht nun wieder als postkartenbewährtes Fotomotiv bereit.
Wer besonders umweltfreundlich nach Spitzbergen anreisen möchte, sollte sich vielleicht diesen fünf Herren hier anschließen: Der Norweger Tor Wigum, der Waliser Jeff Willis, der Amerikaner Carlo Facchino, der Inder Roy Tathagata und der Isländer Fiann Paul wollen heute von Tromsø aus nach Spitzbergen rudern!
Fiann Paul leitet die Expedition mit dem Namen „Polar Row“. An seiner Qualifikation dürften kaum Zweifel bestehen: Er hat bereits den Atlantik, den Stillen und den Indischen Ozean in Rekordzeit im Ruderboot überquert. Nun hat er sich das Polarmeer vorgenommen und sich ein Jahr lang auf diese Expedition vorbereitet. Da die Ruderer keine Hilfe von Meeresströmungen erwarten können, werden sie ununterbrochen rudern müssen, 24 Stunden am Tag. Dabei wechselt das Team sich mit den Aufgaben ab: Jeweils zwei Stunden wird gerudert. Wer grade Pause hat, darf in dieser Zeit essen, schlafen, notwendige Reparaturen durchführen oder die eigenen Wunden lecken.
Geplant ist, die knapp 1.000 Kilometer lange Strecke in 9 bis 13 Tagen zurückzulegen. Spätestens Anfang August will die Expedition in Longyearbyen ankommen.
Reichlich Ausrüstung und starke Nerven
Um die körperliche Anstrengung oder die Kälte macht sich Expeditionsleiter Fiann Paul kaum Sorgen. Alle Teilnehmer seien physisch und mental sehr stark, verriet er der Zeitung Svalbardposten. Ein Begleitboot ist zwar nicht dabei, jedoch Sicherheitsausrüstung wie u.a. Überlebensanzüge, Rettungswesten, ein Rettungsboot und ein Satellitentelefon. Nur wenn die Ausrüstung streikt oder es Probleme mit dem Boot gibt, könnte es brenzlig werden.
Wenn die Expedition gelingt, dürfte es die erste registrierte Rudertour dieser Art sein. Allerdings gibt es Geschichten von Menschen, die die Strecke zwischen Tromsø und Spitzbergen bzw. einen Teil davon schon früher aufgrund eines Schiffsunglücks unfreiwillig im Ruderboot zurückgelegt haben.
Die Barentssee, auch „Teufels Tanzboden“ genannt, auf einem Segelschiff ist eine Sache. Aber in einem Ruderboot ..?
Rudern für den guten Zweck
Zwei weitere Ziele verfolgt die Expedition außerdem: Zum Einen wird die Universität in Cambridge erforschen, wie sich die Extremtour auf die Psyche der Teilnehmer auswirkt.
Außerdem sollen über eine Crowdfunding Plattform 20.000 britische Pfund (rund 22.600 €) an Spenden gesammelt werden. Von dem Geld soll 2018 der Bau einer Schule in der Himalaya Region finanziert werden.
Und Longyearbyen ist noch nicht das Ende der Expedition. Nach ein paar Tagen Pause geht es von hier weiter zur nördlichsten Stadt Islands nach Siglufjörður – rund 2000 Kilometer, natürlich auch im Ruderboot.
1374 Rentiere hat das Norwegische Polarinstitut im Adventdalen rund um Longyearbyen in diesem Jahr gezählt. Außerdem wurden viele Kälber beobachtet und nur wenige tote Rentiere gefunden. Damit setzt sich ein seit Jahren beobachteter Trend fort: Der Rentierbestand steigt in dieser Region seit Jahren leicht an.
Gut genährtes Spitzbergen-Rentier, eine endemische Unterart des Rentieres
Seit 1979 werden die Rentiere auf Spitzbergen vom Norwegischen Polarinstitut, aber auch vom Sysselmannen – dem Gouverneur Spitzbergens – gezählt. Damals zählte man im Adventdalen nur 457 Rentiere. Schätzungen gehen davon aus, dass heute insgesamt 10.000 bis 11.000 Rentiere auf ganz Spitzbergen leben.
Klimawandel mit unterschiedlichen Effekten
Bisher vermutete man, dass Rentiere unter den zunehmenden Regenfällen leiden. Im Winter legt sich der überfrierende Regen als Eisschicht auf den Boden und die Rentiere kommen schlechter an Flechten und Gräser heran. Höhere Temperaturen im Herbst scheinen diese Verschlechterung der Lebensbedingungen für die Rentiere jedoch auszugleichen. Auch im letzten Jahr führten Plusgrade im Oktober und November dazu, dass die Rentiere sich reichlich Fettreserven anfressen konnten, so dass sie den bevorstehenden kalten Winter besser überstanden.
Etwas anders sieht es bei den Rentieren weiter nördlich auf Spitzbergen aus: Auf der Halbinsel Brøggerhalvøya am Kongsfjorden bleibt der Bestand stabil. Hier führen die in den letzten Jahren eisfrei gebliebenen Fjorde dazu, dass die Rentiere stärker ortsgebunden bleiben und schlechten Nahrungsverhältnissen kaum mehr durch Wanderungen ausweichen können. Die Klimaerwärmung könnte also unterschiedliche Effekte in den verschiedenen Klimazonen auf Spitzbergen haben.
Des einen Tod ist des anderen Brot
Weniger tote Rentiere im Adventdalen könnten allerdings für eine andere Art schlechte Nachrichten bedeuten: Der Polarfuchs ernährt sich gerne von Rentierkadavern. Sterben weniger Rentiere, muss er auf andere Nahrungsquellen ausweichen.
Der letzte Tag dieser langen, schönen Reise. Spät nachts noch haben wir in Pyramiden angelegt, dieser verlassenen, russischen Siedlung. Nach so viel Natur pur ist das ein interessanter Kontrast, und natürlich können wir die damit zusammenhängende Geschichte des 20. Jahrhunderts nicht vernachlässigen. Spitzbergenvertrag und so.
Touristisch neu ist, dass uns das alte Schulgebäude zugänglich gemacht wird. Sehr interessant, schräge Eindrücke! Sogar Karlsson vom Dach war vertreten und ließ uns das etwas graufeuchte Wetter vergessen. Alex und ich freuen uns auf den ausführlicheren Pyramiden-Besuch im September.
Das konnte man ansonsten auch prima beim obligatorischen Kaffee oder Tee in der Bar des Hotels Tulipan.
Natürlich sollte der letzte Eindruck aber doch aus Spitzbergens schöner Natur stammen und nicht in bizarren Zivilisationsrückständen. Genau rechtzeitig klarte es etwas auf, und wir haben den letzten Landgang in der Skansbukta mit Zeit und Ruhe genossen und sogar noch neue Blumenarten entdeckt, wenn ich mich recht entsinne. Sowie eine weiß blühende Nördliche Himmelsleiter (?) (Polemonium boreale?), wozu das letzte biologische Wort noch nicht gesprochen ist.
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Ein paar Stunden später legten wir in Longyearbyen an, nach 1313 Seemeilen, darin enthalten etwa 24 Landgänge (einschließlich Eisscholle) und all die Wale, Eisbären, Segeln … ein großer Dank und ein warmer Gruß an alle Beteiligten! Es war schön!
Die besten Tage sind ja oft die, an denen alles anders kommt als geplant. Ein Grund mehr, nicht zu sehr an Plänen festzuhalten, sondern einfach mal die Nase in den Wind zu halten!
Es fing damit an, dass wir wegen der Vogelkolonie und dem Blaufuchs gestern Abend etwas spät dran waren und somit nicht im Isfjord aufwachten, sondern im Forlandsund. Was natürlich nicht schlecht ist, das ist eine sehr schöne Gegend, und so haben wir auch direkt eine schöne Landestelle angesteuert und liefen bald mit den Zodiacs in einen wunderbaren, kleinen Naturhafen ein. Es warteten die Schönheiten der weiten Tundra – feine, bunte Blüten, Blicke in die Ferne von kleinen Hügeln, Streifzüge entlang der Küste. Umso größer war die Überraschung, als wir einige hundert Meter vor uns mitten auf der Tundra eine Eisbärin mit Jungem erblickten. Bald stellte sich heraus, dass es sogar zwei kleine Eisbärchen waren, die da mit ihrer Mutter unterwegs waren.
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Natürlich haben wir uns bald zurückgezogen, aber später gelang uns ein etwas näherer Blick auf die bärige Kleinfamilie von den Zodiacs. Die drei nagten an den Resten eines toten Walrosses am Ufer. Ein unvergesslicher Moment und ein unerwarteter Höhepunkt nun, da sich die Reise doch langsam, aber sicher dem Ende zuneigt! Wir haben die tolle Fahrt abends, nach einer eisbärenfreien, kleinen Tour auf der Erdmannflya, dann noch entsprechend mit dem traditionellen Captain’s Dinner gefeiert. Skål!