Was für ein Tag. Lang, voll und schön. Und da es Zeit wird, den Tag zu beenden, wird dieser Blogbeitrag wohl auch nicht allzu lang.
Der Ort des Geschehens ist in diesem Fall ja auch nicht unbekannt. Der Kongsfjord ist ein Klassiker, Ny Ålesund ganz vorneweg. Weniger klassisch ist, den Ort nach Osten zu verlassen. Man kann schön in den Kongsfjord hineinwandern.
Foto Kongsfjord – 21. Juli 2015
Die Gletscher im Kongsfjord müssen sehr aktiv gewesen sein in den letzten Tagen, die ja ziemlich warm gewesen sind. Im Wasser treibt sehr viel Eis. Mindestens so spannend war nach der Wanderung allerdings der riesige Haufen frischer Waffeln.
Foto Ossian Sarsfjellet – 21. Juli 2015 – 1/2
Die Blümchen sind nun auf dem Höhepunkt ihres Sommers. Hoch und kräftig stehen sie, mit Blüten, die in allen Farben weithin leuchten. Und wo in Spitzbergen wachsen sie schöner als im inneren Kongsfjord?
Foto Ossian Sarsfjellet – 21. Juli 2015 – 2/2
Auch die Seevögel sind auf dem Scheitel ihrer Brutsaison. Dickschnabellummen und Dreizehenmöwen hüten und füttern ihre Küken. Ein reges Treiben in den Brutfelsen.
Nun liegen wir vor Anker und lassen den Tag gemütlich ausklingen, während die Abendsonne ihr mittlerweile wieder warm werdendes Licht über Fjord und Land wirft.
Kleine Schiffe und Boote fahren normalerweise durch den besser geschützten Forlandsund und nicht entlang der exponierten Westseite von Prins Karls Forland, wo die See oft unangenehm hoch geht. Wer kann, fährt innen, und wer außen fährt, tut es, weil er muss. Das sind die größeren Schiffe, die zuviel Tiefgang haben für die Untiefe im nördlichen Forlandsund.
Wir sind ganz freiwillig und ziemlich spontan auf die Westseite des Prins Karls Forland gefahren. Das Wetter war gestern Abend so gut, die See so ruhig, dass wir die Chance wahrnehmen wollten, der Außenküste einen näheren Besuch abzustatten. Als der Anker gestern Nacht gefallen war, war es zunächst Zeit, etwas zu schlafen, bevor wir am Aitkenodden an Land gingen. Praktisch unberührte Natur, dort geht kaum ein Mensch je hin. Die meisten haben sowieso keine Zeit, sondern fahren direkt Richtung Kongsfjord. Und wer Zeit hat, schaut sich üblicherweise im Forlandsund um. Gute Gründe, es mal anders zu machen, wenn die Gelegenheit da ist. Und heute war sie da. Spitzbergen für Fortgeschrittene, abseits der ausgetretenen Pfade.
Am Aitkenodden steht eine ziemlich alte Trapperhütte, bei einem kleinen See namens Nesungen. Die Hütte stammt aus dem Jahr 1909 und ist ruinös, aber malerisch gelegen an einer flachen, weitläufigen Küste mit schönen Küstenfelsen und kleinen Buchten.
Foto Vestflya – 20. Juli 2015
Nach ausgiebigem Umschauen in dieser schönen Umgebung ging es über die flache Küstenebene ins Land hinein. Trockene Moos- und Flechtentundra überall, flache Felsrücken aus schiefrigem Gestein. Eine Rentiermutter mit Kalb umrundete uns in vorsichtigem Abstand. Nach einer Pause stiegen wir hinauf zum Persiskammen, ein langer Rücken, der sich bis 334 Meter Höhe erhebt. Bei einem Steinmann genossen wir die herrliche Aussicht auf den flachen, aber an Strukturen und Details sehr reichen mittleren Teil von Prins Karls Forland und den Blick über den Forlandsund auf Spitzbergen. Die Sonne brutzelte kräftig vom blauen Himmel herunter, aber eine leichte Brise kühlte angenehm, beste Bedingungen für eine ausgiebige Genusspause vor dem Abstieg zur Küstenebene auf der Ostseite der Insel. Inzwischen hatte Pål mit der Arctica II die Südspitze der Insel umrundet und war in der Sandbukta vor Anker gegangen, wo sich alle nach einer schönen, langen Tour wieder trafen. Eine sehr schöne Wanderung, mit der seltenen Gelegenheit, den südlichen Bergrücken vom Prins Karls Forland zu ersteigen und die Insel dabei auch noch zu queren!
Foto Persiskammen – 20. Juli 2015
Nach einem abkühlenden Sprung in den Forlandsund ging es weiter nach Norden. Bei der Passage von Poolepynten zeigte sich, dass dort etwa 10 Walrosse faul in der Sonne lagen. Nun dampfen wir Richtung Kongsfjord und genießen dabei die sonnige Aussicht auf die Berge und Gletscher beiderseits des Forlandundes.
Bislang ist die Saison ja grandios gut gelaufen, und es geht nun direkt auf hohem Niveau weiter. Vorhin sind wir mit der Arctica II aus dem Adventfjord ausgelaufen. 12 Leute einschließlich Skipper Pål aus Longyearbyen und mir auf einem robusten 60 Fuß Segelboot, um abgelegene Ecken Spitzbergens kennenzulernen. Alle sind sehr gespannt, was die nächsten 18 Tage bringen. Mit leichter östlicher Brise fahren wir durch den Isfjord Richtung Westküste, um uns dort ein schönes, erstes Ankerplätzchen für die Nacht zu suchen.
Keine Spitzbergen-Fahrt ist vollständig ohne einen Eindruck von einer der russischen Siedlungen, und so waren wir heute Vormittag in Pyramiden. Wieder einmal Glück gehabt mit dem Wetter – gestern Abend ging es gegen starken Wind den Billefjord hinauf, nachts gab es Schneeregen, und als wir heute früh losgingen – schien die Sonne. Unglaublich! Irgendwer in dieser Gruppe muss einen sehr guten Draht nach GANZ oben haben.
So konnten wir aufs Angenehmste abwechslungsreiche Eindrücke in der alten Geistersiedlung sammeln. Und als es gegen Mittag wieder grau, trübe und feucht wurde, schmeckten Tee und russisches Gebäck in der Bar im Hotel Tulipan umso besser.
Der Wind im Billefjord war nicht mehr ganz so heftig wie gestern, aber noch mehr als ausreichend, um uns unter Segeln bis fast in den Hafen von Longyearbyen zu tragen. Ein schöner, ruhiger Abschluss für eine an schönen Erlebnissen äußerst reichen, langen, intensiven Spitzbergen-Reise, die ein eindrücklicher Beleg ist dafür, dass es nicht schadet, wenn man die Insel nicht umrunden kann, sondern irgendwo die „Weiterreise in Gegenrichtung“ beginnt. Was die meisten als Umkehr bezeichnen würden. Halbvolles oder halb leeres Glas Wasser? Die Eindrücke und Erlebnisse zählen, und die gab es reichlich, gute Stimmung dazu, man könnte einfach weiterfahren …
Aber zum Zeitpunkt des Schreibens ist die Antigua schon wieder mit der nächsten Gruppe unterwegs, gestern Abend fuhr sie – wieder unter Segeln – aus dem Adventfjord hinaus. Und wir steigen heute mit einer kleinen Gruppe auf die kleine, kräftige Arctica II: Spitzbergen für Fortgeschrittene 2015. Da wird’s auch genug Stoff für den Blog geben.
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An alle Teilnehmer der Antigua-Reise und natürlich die Mannschaft von Kapitän Joachim noch einmal ein ganz herzlicher Dank für eine wunderbar schöne Tour in sehr angenehmer Stimmung!
Der Isfjord ist Spitzbergens größter Fjord, eigentlich sollte man mal eine Fahrt nur dort machen. Eine Woche wäre überhaupt kein Problem. Es gibt dort fast alles, was man sich von Spitzbergen erhoffen könnte, verschiedene Landschafts- und Vegetationstypen, flache Tundra, schöne Berge, Gletscher, Tiere, diverse Teile der Polargeschichte sind dort vertreten …
Unser Ziel war der Ekmanfjord. Eine weite Tundrafläche bot beliebig viel Platz für Touren, und so teilten wir uns auf in die Freunde der Botanik („Krabbelgruppe“), mittlere und längere Tour. Die Tundra? Ein Meer an Blumen: Roter Steinbrech, Silberwurz, Stengelloses Leimkraut auf weiten Flächen in Blüte, um nur die augenfälligsten Arten zu nennen. Die Berge? Tiefrote, geschwungene Hänge aus Old Red im Norden, festungsartige Erosionstürme an den markanten Massiven Kolosseum und Kapitol in der Umgebung. Herrlich ließ die Sonne die Farben leuchten, und der Wind spielte angenehm um die Nase und vertrieb die Mücken, die sich in dieser als „Innere Fjordzone“ bezeichneten Tundra sonst an warmen Sommertagen schon mal herumtreiben können.
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Ein Besuch am späten Nachmittag in der Skansbukta brachte weitere botanische Höhepunkte, insbesondere die prächtige Nördliche Himmelsleiter, ein Gruppenfoto und ein paar Leute waren soweit vom Polarkoller befallen, dass sie sich sogar ins kalte Fjordwasser gestürzt haben sollen. Anschließend zog die Serviceabteilung an Bord, also Smutje Sascha, Jana, Nadia and Clara, alle Register, um der morgen zu Ende gehenden Fahrt einen würdigen Abschluss zu verleihen.
Man kann so viel entdecken, wenn man sich nur mal richtig Zeit nimmt und sich auf eine Gegend einlässt. Mit einer Kleingruppe machten wir eine Zodiac-Rundtour Recherchefjord par excellence. Die polnischen Wissenschaftler in Calypsobyen mit ihrem Chef Piotr Zagórski erwiesen sich als sehr gastfreundliche Menschen und erklärten uns bei Kaffee und Tee ihre Arbeit, geomorphologische Feldforschung mit Erfassung langfristigen Datenreihen. Die Gletscher in der Umgebung werden jedes Jahr etwa 10 Meter kürzer, was für auf Land endende Gletscher eine ganze Menge ist, sammeln im Nährgebiet allerdings Masse an, vielleicht gibt das mal einen Surge? Der sommerliche Auftauboden ist schon 1,40 Meter tief, normal sind in den vergangenen Jahren 1,20 Meter gewesen. Der Sommer ist im Bellsund bislang sehr warm gewesen. Auf jeden Fall hat die Sonne Blüten auf eine große Zahl Polster des Stengellosen Leimkrauts gezaubert und die Tundra dadurch zart violett gefärbt.
Foto Recherchebreen – 14. Juli 2015
Nach einem gemütlichen Picknick auf einem Moränenhügel vor dem Renardbreen (Fuchsgletscher), wo bunte Tillite von der weitgehenden Vergletscherung der Erde vor über 600 Millionen Jahre Zeugnis geben, lockte die Lagune vor dem Recherchebreen – die Gelegenheit war günstig, es gab gerade Hochwasser, so dass der Eingang gut zu befahren ist. Die kräftige Strömung ließ die Eisberge mit beachtlicher Geschwindigkeit durch den natürlichen Kanal driften, und dann genossen wir den Blick auf treibende Eisstücke und die Abbruchkante des Gletschers in Ruhe. Die zweite Gruppe, die zu Fuß unterwegs war, hatte an gleicher Stelle etwas später sogar das Glück, Weißwale zu sehen.
Foto Calypsobyen – 14. Juli 2015
Eine sehr windschiefe Hütte zeugt am Ostufer des Recherchefjord noch von den Versuchen der Northern Exploration Company von Ernest Mansfield, den „Berg aus Eisen“ in klingende Münze zu verwandeln. Allerdings stellte sich heraus, dass der Berg doch aus Fels besteht und nicht aus Eisen. Schlecht für Mansfield und seine Northern Exploration Company, die dort 1918-19 viel Geld verlor. Gut für die Tundra, die hinter der Hütte in den schönsten Farben blüht und nicht vom Bergbau umgegraben wurde.
Der Hornsund kann ein sehr ungemütlicher Ort sein, und er kann wunderbar sein. Heute war er wunderbar. Stilles, klares Wetter, ruhiges Wasser mit Spiegelbildern der umgebenden Berge. Und es gibt ja einmalige Berge rund um diesen Fjord. Echte Charakterköpfe, Berge mit Wiedererkennungswert, die es auf diesem Globus nur ein einziges Mal gibt. Das Hyrnefjellet mit seiner schön geschwungenen, riesigen Falte. Der schroffe Hornsundtind mit seiner markanten Doppelspitze. Der zackige Grat des Luciakammen. Der nadelspitz erscheinende Bautaen.
Die Tour über den Rücken der Halbinsel Treskelen belohnte uns mit grandiosen Rundumblicken auf dieses Panorama und interessanten Einblicken in die Erdgeschichte, die dieses landschaftliche Spektakel hervorgebracht hat. Devonisches Old Red, permokarbone gelbbraune Karbonate, dunkles, versteinertes Wattenmeer aus der Trias. In dieser Reihenfolge von unten nach oben, elegant nach oben gebogen. Unsere Landestelle wurde von den schön geschwungenen Uferfelsen als Faltenachse markiert. Am Ende der Tour hatten alle den Überblick, wie der Autor annimmt. Und wer nicht dem Rücken folgte, genoss Rentiere und eine Familie Weißwangengänse, die von einer Schmarotzerraubmöwe attackiert wurde, in nächster Nähe.
Foto Treskelen – 13. Juli 2015
Das Gletscher-Rondell Brepollen erfreute uns nicht nur mit seinen kilometerweiten Abbruchkanten, sondern auch mit einer Eisbären mit erstjährigem Jungtier, das es sich auf Mamas Rücken gemütlich gemacht hatte.
Foto Storbreen – 13. Juli 2015
In der Burgerbukta trieb so viel Gletschereis, dass wir uns einen kleinen, spätnachmittäglichen Zodiac-Ausflug entlang dieser Eisberg-Allee nicht verkneifen konnten. Als abschließenden Höhepunkt gab es Bartrobbe auf Eis.
Der Tag begann heute genau so wie gestern: stilles, spiegelglattes Wasser, aber dichter Nebel. Von der schlechten Sicht abgesehen, ideale Bedingungen für Landungen an ungewöhnlichen Plätzen an der äußeren Westküste, sehr exponiert und oft unmöglich zu erreichen, sobald Wind und Seegang die Brandung hoch gehen lassen. Aber so ruhig wie es heute war, sollte doch einiges möglich sein.
Nur die Sicht schien zunächst Landgänge zu verbieten, aber nach anfänglichen Erkundungen verzog sich der Nebel am Kapp Borthen, so dass sich dort bald alle in einem kargen Schwemmland wiederfanden, wo gekräuselte Algenmatten ehemalige flache Schmelzwasserrinnen bedeckten. Inmitten dieses merkwürdigen Landes liegt das Wrack einer Ju 88, ein deutsches Kampfflugzeug, das im September 1942 bei einem Angriff auf einen alliierten Konvoi beschädigt worden war und am Kapp Borthen notlanden musste. Ein sehr skuriler Anblick, diese Vernichtungsmaschine mit verblichenem Hakenkreuz inmitten der arktischen Tundra.
Foto Kapp Borthen – 12. Juli 2015
Das Wetterglück funktionierte genau so erfreulich ein paar weiter südlich, in Hyttevika, bei Wanny Woldstads berühmter alter Hütte, die so schön zwischen den Ufersteinen liegt. Die Sonne wärmte auf der Tundra, die dort so grün ist, dass es beinahe kitschig erscheint. Und wenige Meter weiter zehntausende von Krabbentauchern. Ein Riesenspektakel, auf den Felsen, in der Luft.
Foto Hyttevika – 12. Juli 2015
Während wir nun in den Hornsund einlaufen, hat der Nebel sich komplett verzogen. Die gleißende Abendsonne leuchtet die schönen Berge um den Fjord an, Hornsundtind, Luciakammen, Hyrnefjellet und wie sie alle heißen. Im Wasser glitzern überall kleinere und mittelgroße Eisberge. Gleich fällt der Anker in der Adriabukta.
Das Wasser war spiegelglatt, der Wind irgendwo anders auf diesem Planeten, nur nicht hier. Eine günstige Gelegenheit, Plätze anzulaufen, die exponiert sind, wo man sonst eigentlich nicht hinfährt. So wie die Westküste Spitzbergens direkt nördlich vom Isfjord.
Foto Daudmannen – 11. Juli 2015
Der Nebel hatte sich fest über die ganze Gegend gelegt, wir mussten sehen, wo wir brauchbare Bedingungen finden konnten und vermutlich würden die Touren etwas kürzer. Die erste Bucht brachte nichts Brauchbares, nur eine unvermessene Untiefe direkt neben der Ankerstelle (wir entdeckten sie vom Zodiac aus, ganz harmlos). Um die Ecke war aber eine wunderbare Bucht, schmal und tief eingeschnitten in ein felsiges Ufer, und dahinter weite Tundra mit kleinen Hügeln und einem stillen See.
Foto Whalewatching – 11. Juli 2015
Vor dem Nebel flohen wir nach Süden und aufs offene Meer, von der Küste war nichts zu sehen. So hatten wir Zeit, bis zum Kontinentalabhang zu fahren, über die 500 Meter Tiefenlinie, über 30 Meilen vor der Küste. Und richtig, dort brachen die Rücken von Weißschnauzendelfinen, Finnwalen und Buckelwalen durch die stille Wasseroberfläche. Es wurde ein langer, unvergesslicher Abend mit futternden Buckelwalen, die immer wieder auftauchten, mitunter nahe beim Schiff.
Zugegeben, gestern Abend war das Segeln zunächst seeeeehr gemütlich. Aber immerhin, es ging unter Segeln vorwärts. Langsam, aber wenigstens in die richtige Richtung, jedenfalls halbwegs. Das änderte sich am nächsten Morgen. Zunächst ging es langsam in die falsche Richtung, so grob Richtung Nordgrönland. Auch interessant, aber da wollen wir gerade nicht hin. Aber dann, dann kam Wind. Mit bis zu 10 Knoten unter Segeln hinein in den Smeerenburgfjord, mit schön Schräglage.
Foto Verlegenhuken – 09. Juli 2015
Auf wundersame Weise ließ der Wind zum richtigen Zeitpunkt nach, als es nämlich nachmittags an Land gehen sollte. Virgohamna, das arktische Cape Canaveral, Freilichtmuseum aeronautischer Nordpolexpeditionen.
Foto Virgohamna – 10. Juli 2015
Seehunde verbindet man ja nicht gerade mit der hohen Arktis. Diese hier, die sind hier sozusagen hängengeblieben. Als es vor ein paar tausend Jahren hier mal etwas wärmer war, haben sie sich hier wohlgefühlt und etabliert. Als es dann wieder kühler wurde, sind sie geblieben, wahrscheinlich mangels besseren Wissens. Ein ungewöhnlicher Anblick in Spitzbergen. Scheu gegenüber Fußgängern, aber erstaunlich gleichgültig gegenüber Zodiacs, so konnten wir, von Wasser kommend, den Seehunden einen schönen Besuch abstatten. Lustig sieht es aus, wie sie auf ihren Steinen liegen, gespannt wie Flitzebögen, bequem kann das eigentlich nicht sein …
Der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ist zurzeit auf Dienstreise in Spitzbergen. Der Besuch steht in Zusammenhang mit den Vorbereitungen zur UN-Klimakonferenz in Paris im Dezember dieses Jahres. Ban möchte sich vor Ort ein Bild von den Auswirkungen der globalen Erwärmung in der Arktis machen und medienwirksam vor allem auf das Abschmelzen der Gletscher hinweisen.
Am Dienstag kam Ban in Begleitung des norwegischen Außenministers Børge Brende am Flughafen in Longyearbyen an und wurde direkt zum norwegischen Forschungsschiff „Lance“ gebracht, das kürzlich von seinem Forschungseinsatz im Eis zurückgekehrt war. Mit der „Lance“ ging es dann nach Ny-Ålesund. Dort wurde der Generalsekretär von Forschern des norwegischen Polarinstituts über die Situation in Spitzbergen informiert. Es folgte eine Fahrt im Schlauchboot zur Abbruchkante des Blomstrandbreen, der seit Bans letztem Besuch 2009 durch Abschmelzen stark an Masse verloren hat. Nächste Etappe der Reise ist wieder Longyearbyen.
Der Fjord der Sorge war heute ein Fjord der Freude, unter strahlender Sonne am 80. Breitengrad. Wo 40 niederländische Walfänger 1693 von drei französischen Kriegsschiffen zusammengeschossen wurden, genossen wir gemütliche Spaziergänge und längere Wanderungen. Die Bergziegen sind ins Hinterland und in die Höhe gezogen, um herrliche Ausblicke zu genießen. Die Freunde des gemütlichen Arktis-Genusses und Connoisseure der Polargeschichte beobachteten Sterntaucher in erstaunlicher Anzahl und Eisenten, pausierten neben verfallenden Trapperhütten, streiften über einen alten Walfängerfriedhof, erkundeten die Reste einer schwedischen Polarstation, die dazu beigetragen hatte, die Form der Erde zu messen, und hörten Geschichten vor über hundert Jahren dramatisch gescheiterter Arktis-Expeditionen.
Foto Sorgfjord – 9. Juli 2015
Nördlich von Verlegenhuken wurde die Nachbarschaft zum nur 1103 Kilometer entfernten Nordpol gefeiert, und dann ging es unter Segeln nach Westen.
Südlich der Hinlopenstraße ist alles voll mit Eis, kein Gedanke an ein Durchkommen. Eis, Eis, Eis! Darunter jede Menge Eisberge, der südliche Teil von Austfonna, die große Eiskappe auf dem Nordaustland, hat in den letzten Jahren einen kräftigen Vorstoß gemacht und große Mengen Eisberge ins Meer geschoben.
Hinlopen – 07. Juli 2015 – Foto Vibebukta – 1/2
Auf drei Eisschollen liegen zusammen fast 80 Walrosse, die meisten Jungtiere, ein paar gerade einmal über das Babyalter hinaus. Die größte Gruppe umfasst 50 Tiere auf einer völlig übervölkerten Eisscholle. Ein Wunder, dass sie nicht längst zerbrochen ist. Die Walrosse sind unablässig mit sich selbst beschäftigt, sehr aktiv, beharken sich gegenseitig, gehen hier ins Wasser und steigen dort wieder aufs Eis. Vorsichtig schauen wir uns das Schauspiel eine Weile an und entfernen uns dann wieder.
Die weite Abbruchkante der Eiskappe Austfonna liegt unerreichbar im Eis. Kapitän Joachim manövriert die Antigua ein Stück weit ins Treibeis hinein, soweit es geht, und stoppt dann die Maschine für eine Weile. Eis, Eis, Eis überall. Packeis, Eisberge, Gletscher. Hohe Arktis.
Hinlopen – 07. Juli 2015 – Foto Vibebukta – 2/2
Ein abendlicher Besuch bei einer Gruppe Walrosse an Land rundet einen wunderbaren Tag in der Hinlopenstraße ab.
Nach dem langen Abend gestern mit Finnwalen und zigtausenden Dickschnabellummen begann der Tag heute etwas später. Der berühmte Findling im Lomfjord, einst von Gletschern gut 330 Meter hoch mit unvergleichlicher Präzision auf einem schmalen Bergrücken platziert, schwamm zunächst wie ein Stück Kartoffel in dicker Erbsensuppe. Aber der Wind ließ den Nebel aufreißen und gab so den Blick frei auf Hinlopenstraße und Lomfjord und die die eiszeitlichen Landschaften in den benachbarten Tälern mit großen Gletschern und weiten Moränen.