Die Wettervorhersage stets gut im Auge, hatten wir uns in Stokmarknes dazu entschlossen, auf direktestem Wege Richtung Barentssee und Bäreninsel zu steuern. Im Nordatlantik ist viel Wind unterwegs, und wenn wir zu spät dran sind, dann bekommen wir davon später eine kräftige Portion auf die Nase. Und genau das möchten wir, wenn es irgendwie geht, vermeiden. Wenn wir jetzt und hier abdampfen, sollten wir gute Chancen auf schönen Segelwind nach Norden haben.
Kurs auf die Bäreninsel
Also verabschiedeten wir uns in Stokmarknes von Norwegen und waren ein paar Stunden später auf See. Segel hoch und Kurs auf die Bäreninsel (Bjørnøya)! Das war im Wesentlichen das Motto für die nächsten 44 Stunden. Sonne, Segeln um 9 Knoten, das waren die Themen, die den Mittwoch beherrschten. Abzüglich Sonne gilt das auch für den heutigen Donnerstag, aber wir haben die Bäreninsel nun voraus und in ein paar Stunden wird dort der Anker fallen!
Die Sache mit der Brücke war gestern Abend ja noch spannend. Erst viel Rechnerei mit Gezeiten und so, und trotzdem ist man nicht hundertprozentig sicher, ob unsere hohen, schönen Masten auch durchpassen. Wer genau hinschaut, sieht Steuermann Nick ganz oben auf dem Besanmast (der hinterste der drei Masten). Von dort kann man sehen, ob der Großmast mit seinen 31 Metern auch durchpasst unter der Brücke, deren garantierte Mindesthöhe 30 Meter beträgt.
Brücke vor Stokmarknes, Vesterålen.
Es waren noch mehrere Meter Platz.
Kurz darauf war Stokmarknes zu recht später Stunde erreicht. Dort liegt die Finnmarken auf dem Trockenen, ein altes Hurtigruten-Schiff, das heute als Museum dient.
Altes Hurtigrutenschiff Finnmarken in Stokmarknes, Vesterålen.
Nach einem schönen Sonnenuntergang (der letzte der Fahrt!) und einer ruhigen Nacht im Hafen mussten wir morgens konstatieren, dass es wieder zu regnen begonnen hatte. Davon haben wir uns nicht abhalten lassen, sondern eine schöne kleine Wanderung auf die Hügel hinter Stokmarknes gemacht.
Schneefelder in den Hügeln hinter Stokmarknes, Vesterålen.
Trotzdem, es hat Spaß gemacht, schöne Blicke gab es zwischen den Regenschauern hindurch und Bewegung ist sowieso immer fein. Vor allem, wenn man Zeit auf See vor sich hat. Und wir setzen bald Segel Richtung Bjørnøya!
Graufeuchter Blick auf Stokmarknes, Vesterålen.
Heute kamen wir der Sache schon ganz deutlich näher. Es war zwar immer noch etwas grau, aber trocken, und vom Wind war auch nicht mehr viel übrig. Nach kurzer Passage waren wir im Hafen von Skrova, immer wieder eine schöne, interessante Insel mit feinen Möglichkeiten für kleine Touren. Das Skrovafjellet war oben zwar in der Wolke, aber der kleinere Berg Stappen lag völlig frei, so dass die Fraktion, die sich dahin verirrte, schöne Blicke hatte.
Blick über Skrova, Lofoten.
Auf dem weiteren Weg nach Norden hatten wir schönen, leichten Segelwind ohne Wellen. Perfekt, um der Antigua vom Beiboot beim Segeln zuzuschauen! Ein herrlicher Anblick! Dann nahm die Dünung wieder zu und der Wind verschwand, so dass das Vergnügen leider nicht allzu lange währte.
SV Antigua unter Segeln im nördlichen Vestfjord, vor Litlmolla.
Am späteren Nachmittag erreichten wir den berühmten Trollfjord. Ein wunderbares Stückchen Erde, wo die Natur sich selbst mit aller Macht ein Denkmal gesetzt hat. Den eiszeitlichen Gletschern sei gedankt.
SV Antigua im Trollfjord.
Dann tauchte sogar noch ein Seeadler auf und zog mehrere Kreise ums Schiff. Ein schöner, erlebnisreicher Tag!
Wir hatten gestern Abend noch einen richtig schönen Sonnenuntergang auf See, hinter den Bergen der Insel Austvågøy, unter Segeln … schick, schick! Eine schöne Fahrt mit schönen Ausblicken, so macht es Freude!
Und mindestens so schick war, dass wir noch in den kleinen Hafen passten, obwohl dort schon ein kleines Schiffchen war. Aber wir konnten daneben festmachen und hatten damit ein ruhiges Plätzchen. Morgen soll es hier nämlich ziemlich ungemütlich werden.
Sturmwolken über Austvågøy, Lofoten.
Wurde es dann auch. Vormittags war es eigentlich noch ziemlich schön, wobei die Wolken schon eine recht klare Sprache sprachen. Gegen Mittag ging dann der Regen los. Im Lofotenmuseum und im Aquarium ging es uns aber hervorragend. Warm und trocken, und jede Menge Interessantes zu sehen.
So wohnte man als Fischer. In diesem Raum mit 4 Betten schliefen 8 Männer, arbeiteten, kochten, aßen und trockneten ihre nassen Fischerklamotten (möchte man sich nicht wirklich vorstellen!) …
… und so wohnte man als Besitzer eines „Fiskevær“, was man wohl am besten mit Fischereihafen übersetzen kann.
Der Nachmittag plätscherte so im Regen dahin. Eiderenten dümpeln am Ufer, draußen brechen sich die Wellen an den Felsen. Ein paar Mutige sind zu einer Tour aufgebrochen, die Mehrheit aber besucht das Antigua-Kino und greift hinterher zu einem Buch und einer Tasse Kaffee.
Der Wikingerkönig Øystein hält Ausschau über Kabelvåg.
Sogar ein für den Abend angesagtes Jazzkonzert in der Kirche wurde abgesagt. Schade, das wäre für einen Tag wie heute perfekt gewesen. Aber umso gemütlicher ist es drinnen, während draußen der Regen prasselt und die Brandung an den Uferfelsen hoch geht.
Regenwolken über Austvågøy.
Morgen gibt es einen neuen Tag mit neuem Wetter!
Wir waren schon gespannt, wie das funktionieren würde, mit der Antigua in dem winzigen Hafen von Nusfjord, bei dem teilweise doch recht heftigen Wind! Aber dann war auf einmal kaum noch Wind da, und alles lief völlig problemlos. Später kam sogar die Sonne heraus! Und Nusfjord ist wirklich ein hübscher Ort!
Alte Bekannte in Nusfjord.
Nusfjord ist wahrscheinlich der bekannteste von den alten Fischerorten auf den Lofoten. Es ist eine sehr pittoreske Ansammlung alter Gebäude um einen kleinen, gut geschützten Naturhafen nah beim Vestfjord, und das war für die Fischer früher natürlich perfekt. Der alte Laden war auf und erfreute sich einiger Beliebtheit, und dann wanderten wir noch etwas über die Felshügel in Richtung Vestfjord-Ufer. Ein sehr angenehmer Nachmittag!
Der Hafen von Nusfjord. Und eigentlich auch der ganze Ort.
Jetzt fahren wir nach Norden, oder eher nach Osten, Richtung Kabelvåg.
Einige Stunden unter Segeln (ohne Motor!) brachten uns über den Vestfjord zur Moskenesøya, der südlichsten Lofoteninsel. Die meisten haben die Überfahrt genossen; obwohl es der erste Tag an Bord war, hielten die Kollateralschäden mit Blick auf gleichgewichtsinduzierte Verdauungsstörungen sich insgesamt sehr in Grenzen. Sehr gut! Wir haben auf dieser Fahrt ja noch so einige Meilen auf offenem Meer vor uns.
Los geht’s! Kapitän Mario legt den Hebel auf den Tisch.
Unter Segeln über den Vestfjord zu den Lofoten.
Aber erst mal sind wir in Reine, einem der südlichsten Lofoten-Fischerdörfchen. Zugegeben, wettertechnisch war eine ganze Menge Luft nach oben. Aber das sind hier eben die Lofoten und nicht die Malediven. Und sobald mal ein Sonnenstrahl durch die Wolken bricht, wird es auch gleich richtig schön!
Regenbogen über Reine, Lofoten.
Noch hängt der Fisch auf den Trockengestellen, bald wird er abgeräumt. Bis dahin gibt er lofotentypische Eindrücke und Fotomotive, danach lecker Essen in guten Restaurants.
Trockengestelle mit Kabeljau in Reine, Lofoten.
Dreizehenmöwen sind im Norden ja alltägliche Vögel. Überall brüten sie auf steilen Klippen in kleinen und großen Kolonien. Aber ein Nest in einem Garten auf einem Baum? Nie gesehen! 🙂
Dreizehenmöwe auf ihrem Nest auf einem Baum! Nicht alltäglich bei diesen Klippenbrütern.
Ansonsten gibt es in diesen schönen Lofotendörfern ja überall etwas zu entdecken. Selbst bei grauem Wetter findet man Farben und beeindruckende Landschaften. Aber es war in der Tat eine feine Sache, dass um 11 Uhr das Café öffnete, wo sich, oh Wunder, auch fast alle bald einfanden!
Bunte Blüten und bunte Häuser.
Nun sind wir unterwegs nach Nusfjord und sind gespannt, was der Nachmittag für uns bereit hält.
Bodø! Hier schließt sich ja gerne der arktische Kreis. Nicht der Polarkreis, den haben wir hier schon 44 Meilen südlich von uns. Aber der Kreis des Arktis-Erlebnisses, das die Sommermonate im hohen Norden bringen. Die erste Arktis-Reise der Saison beginnt Ende Mai in Bodø und hier endet Anfang November auch die letzte. Dazwischen liegen mehrere tausend Meilen Spitzbergen unter Segeln sowie eine ganze Menge Meilen im Zodiac, viele Kilometer über die Tundra und auf den einen oder anderen Berg zu Fuß, viele Erlebnisse, Abenteuer, Eindrücke, Begegnungen mit Natur, Tieren und Menschen, Wind und Wetter … und sicher sehr viele schöne Fotos und ein paar Dutzend Blog-Einträge, die auf diesen hier folgen werden.
SV Antigua startklar in Bodø.
In ein paar Stunden werden wir an Bord vollzählig sein, mit knapp 30 Arktisfahrern aus den Niederlanden, Deutschland und Österreich. Dann wird es über den Vestfjord zu den Lofoten gehen, später nordwärts nach Tromsø und danach beginnt das Abenteuer Spitzbergen. Wer gedanklich mitreisen will, muss nur in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder mal hier im Blog vorbeischauen!
Mehrfach wurde gefragt, warum es derzeit keinen Arktis-Reiseblog gibt. Das liegt daran, dass es einen aktuellen, bestens gefütterten Reiseblog aus dem tiefen Süden gibt, der hier zu finden ist. Man kann nicht in der Arktis und Antarktis zugleich sein 🙂
Mit dem Arktis-Reiseblog geht es auf dieser Seite in ein paar Wochen weiter, wenn zu Beginn der zweiten Maihälfte die Saison im Norden unter Segeln beginnt.
Richtig geile Landschaft mit Bäumen? Man glaubt es kaum, aber das gibt es! Im Patagonien-Reiseblog. Aber keine Angst, im Antarktis-Reiseblog gibt es auch richtig geile Landschaft ohne Bäume.
In Longyearbyen wurde traditionell am Donnerstag (08. März) das Sonnenfest (norwegisch: solfest) gefeiert. An diesem Tag erscheint die Sonne zum ersten Mal nach mehrmonatiger Polarnacht wieder über den Bergen, so dass man sie von Longyearbyen aus sehen kann. Zwar nur für ein paar Augenblicke und nur, wenn das Wetter gut ist, aber das ist mehr als Grund genug für eine schöne Feier, traditionell begleitet von diversen kulturellen Veranstaltungen. Dieses Mal war keine Wolke am Himmel, so dass die Feiernden die Sonnenstrahlen im Gesicht voll genießen konnten!
Sonnenfest in Longyearbyen
Unterdessen überlegen ein paar von den „alten Jungs“ um den früheren Store-Norske-Chef Robert Hermansen, ob die offiziell schon aufgegebene Kohlebergbausiedlung Sveagruva nicht doch noch eine Zukunft für die Bergleute hat. Die Politik hatte bereits schnell geäußerst, von derartigen Plänen nichts zu halten. Es wird sicher noch viel geredet werden.
Jetzt geht die Antarktis-Fahrt mit Rolf und dem Zweimast-Segelschiff SY Anne-Margaretha los! Natürlich gibt es dazu wieder einen Reiseblog auf Antarktis.net. Berichte beginnen in Kürze und werden wieder via Satellit an den Webmaster übertragen (so die Technik funktioniert) und von ihm veröffentlicht und i.d.R. tags darauf in Facebook verlinkt.
Der tragische Absturz des russischen Hubschraubers nicht weit von Barentsburg beherrschte im Oktober die Spitzbergen-Schlagzeilen. Letztlich musste man feststellen, dass alle 8 Insassen ums Leben gekommen waren. Das Wrack wurde gehoben, an der Unfallursache wird noch gearbeitet. Dieses traurige Ereignis hat alle in Spitzbergen bewegt, und nicht nur dort.
Ansonsten war im Oktober ja zunächst mal Zeit, an den Schreibtisch zurückzukehren, bevor wir mit der Antigua noch einmal Segel setzten und Nordnorwegen zu dieser schon fast polarnächtlichen und für Touristen doch recht ungewöhnlichen Zeit genießen konnten. Schön war’s. Licht, Schnee, schöne Landschaft, schöne Orte. Ach ja, und Seeadler!
Seeadler im Trollfjord.
Richtig polarnächtlich wurde es dann im November in Spitzbergen. Eine gute Zeit, um ein wenig zur Ruhe zu kommen. Wenn man zuviel Zeit hat, baut man eben dem Nachbarn den Briefkasten ab.
Keine langen Touren, aber die Eindrücke mindestens so schön, und Zeit, Freunde zu treffen oder nach den vielen Monaten des Reisens wieder ein wenig bei sich selbst anzukommen. Natürlich gab es nun auch das eine oder andere schöne Nordlicht!
Nordlicht im Foxdalen.
Und dann war das Jahr auch in der Arktis endgültig vorbei. Vor dem Kalenderwechsel blieben noch ein paar Wochen intensiver Arbeit in der Bücherwerkstatt: es war höchste Zeit, eine Neuauflage der englischen Version des Spitzbergen-Reiseführers auf den Weg zu bringen, und das passierte im Dezember (ein wenig Feinschliff folgte Anfang Januar). Die umfangreichste (608 Seiten!) und aktuellste Version dieses Buches, die es je gab (nun, die neueste ist natürlich immer die aktuellste …). Nicht weniger als die zehnte Auflage, alle Sprachen zusammengerechnet! 2007 erschien die erste deutsche Auflage von Spitzbergen-Svalbard, das mittlerweile in der 5. Auflage vorliegt, und erst im Frühjahr 2017 kam das Buch ja auch erstmalig auf norwegisch heraus. Und nun also die 4. englische Auflage, nebenbei auch nicht weniger als das dritte Buch, das ich 2017 der Druckerei übergeben konnte. Ja, schon etwas, worauf ich mir etwas stolz zu sein erlaube. Viele Leser schätzen es, das weiß ich von den vielen Rückmeldungen. Professionelle Guides nennen dieses Buch die „Bibel“, das kann man übertrieben finden, aber im regionalen Kontext … nun, das müssen andere beurteilen bzw. sie haben es damit schon getan, aber das ist eine Wertschätzung von professionellen Kollegen, die ich in hohem Maße schätze. Nun würde ich mir nur noch wünschen – so viel Offenheit sei an dieser Stelle gestattet – dass es auch von wichtigen Einrichtungen wie Schiffen und den passenden Museen etwas mehr wertgeschätzt wird. Es wäre doch schön, wenn das Buch auch in den entsprechend spezialisierten Museen in Norwegen angeboten würde und in den Shops von Schiffen, die regelmäßig in Spitzbergen fahren. Vielleicht liest ja einer von denen zufällig diese Zeilen … und vielleicht spricht sich die Wertschätzung der arktis-erfahrenen Kollegen für dieses Buch bis in die entsprechenden Büros herum. Das wäre mein Wunsch für dieses Buch und für mich als Arktis-Verfasser für das kommende Jahr.
So wird die neue Auflage von Spitsbergen-Svalbard (englisch, 4. Auflage) aussehen.
Wenn dieser Beitrag erscheint, bin ich schon tief im Süden, in Ushuaia oder schon an Bord der Anne-Margaretha, um die Antarktis unter Segeln zu entdecken. In den nächsten Wochen wird es hier im Blog also sicher immer wieder spannende Reisegeschichten aus der Antarktis geben. Immer mal reinschauen! Und wenn Lesen nicht reicht … auf der Patagonien-Fahrt haben wir noch 2 Plätze frei!
Danke fürs Lesen bis hierher und alles Gute fürs neue Jahr!
In Longyearbyen drehte sich zeitweise viel Aufmerksamkeit um die Eisbären, die sich zeitweise hartnäckig in der Nähe des Ortes aufhielten. Natürlich freuen sich auch die Locals, wenn sie mal einen Eisbären zu sehen bekommen, aber dort, wo man wohnt, spazierengeht und morgens die Kinder aus dem Haus zur Schule schickt? Eher nicht.
Zunächst verbrachten wir im September ein paar sehr schöne Tage in Pyramiden. Es hat sich ja doch herumgesprochen, dass das ein sehr außergewöhnlicher Ort ist und wenn man sich auf diese spezielle Ästhetik einlässt, dann kann man da ohne Ende spannende Eindrücke sammeln. Genau das haben wir gemacht (Billefjord und weitere Blog-Einträge). Ich glaube, mein persönliches Highlight dieser Tage war die Tour über den Yggdrasilkampen, den Berg südlich von Pyramiden. Einfach grandiose Ausblicke (hier im 360 Grad Panorama zu sehen). Ohne Erkältung hätte es noch mehr Spaß gemacht. War aber auch so schön! Ja, und auch im Ort selbst war doch immer wieder neues zu entdecken, zu fotografieren, … und nett war’s! Könnte man so direkt wieder machen 🙂
Blick vom Yggdrasilkampen über Mimerdalen und Pyramiden.
Was brachte der September noch? Licht, Licht und Licht. Dafür ist diese Übergangszeit zwischen Mitternachtssonne und Polarnacht ja auch bekannt. Quasi stundenlange Sonnenauf- und Untergänge, blaurosarote Himmel, grünlich schimmernde Gletscher … all das bekamen wir. Reichlich. Das einzige Lichtphänomen, das sich in der herbstlichen Saison vergleichsweise rar machte, war das Nordlicht. Nicht, dass es gar keine gab. Aber wir haben schon bessere Nordlichtjahre gehabt.
Die berühmten Berge Tre Kroner im Kongsfjord im Abendlicht.
Aber was braucht man mehr, wenn man inmitten eine solchen Landschaftszaubers steht?
Im August 2017 war die Drogenrazzia wohl der größte Aufreger in Longyearbyen. Alle paar Jahre müssen sie ja mal auf die K… äh, auf den Putz hauen und zeigen, dass Drogen in so einer kleinen, abgelegenen Gemeinde nicht tolerierbar sind. Was dieses Jahr im Ergebnis letztlich nicht allzu erfolgreich gewesen sein scheint, man musste schließlich alle wieder laufen lassen. Aber die Feststellung, dass die Halbwelt vor Ort wohl nicht allzu aktiv gewesen war, zumindest soweit nachweisbar, ist doch auch eine gute Nachricht.
Meinerseits ging es auf der Arctica II weiter – „Spitzbergen für Fortgeschrittene“ (ich erlaube mir, hier direkt anzumerken, dass auf der entsprechenden Fahrt 2018 noch ein Platz frei ist!). In diesem Sinne begann der August schon Ende Juli, als wir in Longyearbyen ablegten. Noch am gleichen Abend konnten wir eine schöne Tour auf der Bohemanflya machen. Die ist zwar wirklich nicht weit weg von Longyearben, aber da muss einfach das Wetter stimmen, und das tat es!
Grab auf der Bohemanflya.
Das blieb auch eine ganze Weile so. Wie oft bin ich schon an der Westküste Spitzbergens entlang gefahren, zwischen Kongsfjord und Magdalenefjord? Dieser wild-schöne Küstenstreifen, den man seit dem 17. Jahrhundert „Dei Sju Isfjella“ nennt („die sieben Eisberge“)? Und nie an Land gegangen! Das musste sich ändern. Bei herrlichem Sonnenschein konnten wir eine Landung in der Kvedfjordbukta genießen. Und wenn wir das Gefühl hatten, seit Jahrzehnten die ersten Menschen dort gewesen zu sein, dann lagen wir damit wohl gar nicht allzu weit ab von der Wahrheit. Ein Gefühl, dass im weiteren Verlauf noch mehrfach haben sollten, und zu Recht.
Kvedfjordbukta: seltene Gelegenheit zu einer Landung dort – bei perfekten Bedingungen!
Dazu zählten auch die herrlichen Tage im Lady Franklinfjord und – im direktesten Sinne des Wortes ein geographischer Höhepunkt – die Landung auf der Rossøya. Nördlicher geht’s in Spitzbergen (Svalbard) mit Land unter den Gummistiefeln beim allerbesten Willen nicht!
Weiter nördlich als hier auf der Rossøya gibt es in Spitzbergen nichts mehr.
Hier bringt Heinrich Eggenfellner uns an Land.
Ein Walross (tot) und ein Eisbär (quicklebendig) auf der Edgeøya.
Ach ja, und der Spitzbergen-Kalender 2018 wurde schon im August fertig! Wir werden von Jahr zu Jahr besser, auch wenn er nicht, wie geplant, schon Anfang Juli verfügbar war. Ihr seht, im Spitzbergen.de Verlag waren wir 2017 nicht untätig!
Mit Blick auf Nachrichten von öffentlichem Interesse war der Juli auf Spitzbergen eher mau. Was bestens ist. Keine Nachrichten sind gute Nachrichten. Den Rentieren geht es derzeit prächtig, es gab keine Lawinen und keine Wetterextreme, ganz im Gegenteil, wir konnten den Juli wirklich genießen.
Landung in der Nähe vom Sørkapp (Südkap) von Spitzbergen.
Andere behalten wahrscheinlich eher den Blauwal in Erinnerung, den wir am gleichen Tag noch ganz aus der Nähe sahen, oder die Eisfuchsfamilie am nächsten Tag. Und keine Frage, das sind unvergessliche Erlebnisse. Aber ich finde ja immer die abgelegenen Landungen spannend, diese Orte, die kein Mensch kennt, wo kaum einer hinkommt, die aber doch alle ihre kleinen, oft faszinierenden Geheimnisse haben!
Blauwal im Storfjord.
Trotzdem, die Tiere sind es natürlich, die einen großen Teil vieler Spitzbergen-Reisen ausmachen. In diesem Sinne war die Sichtung einer Eisbärenmutter, die mit ihrem Kind auf den Resten eines Walkadavers auf der Danskøya herumkaute, ganz klar ein Höhepunkt der Fahrt!
Glückliche Eisbärenfamilie und ein unglücklicher Wal auf der Danskøya.
Und wenn man darüber hinaus fragt, was in Erinnerung bleibt, dann werden die meisten ganz weit vorn die Landung auf einer Eisscholle nennen. Wann steht man schon mal auf einem Stück Packeis, und das noch auf 80 Grad Nord? Einmal wie Nansen fühlen! Muss ja nicht gleich für 3 Jahre sein.
Eislandung auf 80 Grad Nord.
Nach der Fahrt konnte dann endlich das arktische Weihnachtsbuch in den Druck gehen. Nach der norwegischen Ausgabe des Spitzbergen-Buches bereits das zweite Buch, das dieses Jahr fertig wurde! Endlich, muss man sagen. Angefangen hatte ich mit diesem Buch ja schon vor über 10 Jahren! Natürlich braucht es immer Zeit, mit Sorgfalt ein Buch zu machen, aber 10 Jahre sind doch eine ganze Menge. In diesem Fall war eines der Hindernisse, jemanden zu finden, der die Zeichnungen machen konnte, die ich für dieses Buch im Kopf hatte. Diesen „jemand“ hatte ich letztes Jahr – auch auf der Antigua – mit Norbert Wachter dann endlich gefunden! Damit stiegen Motivation und Umsetzbarkeit gleich deutlich an, und schwupps war unser Weihnachtsbuch nun fertig 🙂
In der Aufregung hatte ich doch glatt den Haupt-Aufreger in Longyearbyen von Anfang April vergessen: Es gab kein Toilettenpapier mehr zu kaufen! Man nimmt den Klimawandel und angebliche Angriffsübungen der Russen auf Longyearbyen gelassen hin, was soll’s, etwas Schwund ist immer. Aber kein Klopapier mehr? Irgendwo hört der Spaß auch mal auf!
In die gleiche Kategorie fällt auch die Aufregung über die angebliche Flutung des menschheitsrettenden Saatguttresors (oder Saatgutlager oder Doomsday Vault oder wie auch immer man das Ding nennen will. Tatsächlich war im Oktober 2016, also mehrere Monate vor den weltweiten Medienberichten, während einer starken Regenphase Nässe in den Eingangsbereich des Lagers eingedrungen. Das sollte nicht passieren, es war ärgerlich und führte zu Ausbesserungsmaßnahmen, die Geld kosten, aber was tatsächlich passiert war, entbehrte doch jeglicher echten Dramatik. Die gab es dafür ein halbes Jahr später in den Medien, als irgendwer zufällig über diese ehemalige Randnotiz stolperte, sie ein wenig dramaturgisch aufbohrte und dann alle voneinander abschrieben, ohne dass jemand auf die Idee kam, zu schauen, was tatsächlich passiert war. Dabei hätte ein Blick auf die Webseite des Betreibers genügt. Immerhin ist spitzbergen.de nicht auch noch darauf hineingefallen. Ist doch auch was.
Was meine persönliche Arktis-Perspektive betrifft, war im Juni die Fahrt nach Jan Mayen das prägende Ereignis. Zum vierten Mal ging es von Island aus drei Tage lang auf kleinem Boot und großem Meer zu der Vulkaninsel weit im Norden. Jan Mayen ist ein ungeheuer faszinierender Ort, und je mehr man sich umschaut, desto mehr entdeckt man. Auch dieses Mal kamen viele Laufkilometer zusammen. Neben vielen anderen Eindrücken waren es die Lavahöhlen am Beerenberg, die ich garantiert nicht vergessen werde. Während eine Bergsteigergruppe den Beerenberg-Gipfel erreichte (wo ich 2015 glücklich oben gewesen war), hatte ich die Gelegenheit wahrgenommen, mir eine Reihe von Höhlen am Südhang des Beerenberg anzuschauen, die bei Ausflüssen von Lava entstanden waren. Faszinierender geht’s nicht! Dieser Eindruck, oder besser: dieses Gefühl, im Beerenberg zu sein, in den Eingeweiden dieses arktischen Vulkans – extremst abgefahren. Ich brauche auch wohl kaum zu erwähnen, dass es nicht gerade einfach ist, dort hinzukommen. Eine seltene Gelegenheit von der Art, die das delikateste Salz in meiner arktischen Suppe liefert. Das war mein Juni-Highlight.
Lavahöhle im Schmelckdalen auf dem Beerenberg, Jan Mayen.