Ersten Berichten zufolge wurden während der gerade beginnenden Schifffahrt-Saison in Spitzbergen bereits zahlreiche spannende, teilweise sensationelle Tierbeobachtungen gemacht. Zu letzteren zählen bislang 3 Sichtungen von äußerst seltenen Grönlandwalen an der Nordküste, einschließlich einer Sichtung von 2 Individuen!
Grönlandwal im Norden von Spitzbergen (2006).
Quelle: Mitteilung von Morten Jørgensen (Fahrtleiter-Kollege)
Obwohl dem norwegischen Staat die Seesicherheit um Spitzbergen so wichtig ist, dass aktuell eine Lotsenpflicht eingeführt wird, hat die für die nautische Sicherheit viel sinnvollere Vermessung der Gewässer keine Priorität: wie kürzlich bekannt wurde, kommt das Vermessungsschiff 2012 nicht nach Spitzbergen, sondern bleibt vor der Küste des norwegischen Festlandes.
Bei aktuellem Tempo ist erst in 40 bis 80 Jahren damit zu rechnen, dass die Küstengewässer rund um die gesamte Inselgruppe Spitzbergen vollständig mit modernen Methoden vermessen sind.
In unvermessenen Gewässern lauern mancherorts potentiell gefährliche Untiefen.
Ab 01. Juli 2012 wird in Spitzbergen schrittweise Lotsenpflicht eingeführt. Zunächst sind die Kohlefrachter betroffen, denen die Anfahrt auf die norwegische Grubensiedlung Sveagruva ab sofort nur noch mit einem Lotsen gestattet ist. 2014 soll das Gesetz in vollem Umfang in Kraft treten. Schiffe über 150 Meter Länge dürfen dann grundsätzlich nur noch mit Lotsen fahren.
Für kleinere Passagierschiffe scheinen die verantwortlichen Behörden in einem bemerkenswerten, leider seltenen Anfall von Realitätsnähe die Vorschriften nun doch noch so anzupassen, dass die Erlangung eines »Farledsbevis«, mit dem Kapitäne und Steuerleute mit lokaler Erfahrung sich von der Lotsenpflicht befreien können, auch praktisch machbar ist. Details folgen demnächst.
Ein Kreuzfahrtschiff dieser Größe ist mit einem Lotsen auf der Brücke in Spitzbergen sicher nicht schlecht beraten. Im Bild die »Grand Princess« (3100 Passagiere Kapazität) am 29. Juni 2012 vor Longyearbyen.
Am 30. Juni wurde im Svalbardmuseum in Longyearbyen ein Heft vorgestellt, das die Geologie und Landschaft um Longyearbyen allgemeinverständlich kurz und knapp erläutert. Auf 36 Seiten geht es von der Dinosaurierzeit über die Kohlebildung bis hin zu Plateaubergen, Talbildung, Gletschern, Permafrost und arktischen Flüssen.
Das Heft ist von Karsten Piepjohn (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe), Malte Jochmann (Store Norske Spitsbergen Kullkompani) und Rolf Stange (u.a. Betreiber dieser Internetseite) verfasst und von Christiane Hübner (Longyearbyen Feltbiologiske Forening) herausgegeben. Alle Autoren waren bei der Vorstellung, zu der auch eine kleine Exkursion gehörte, anwesend. Wer am 30. Juni nicht in Longyearbyen weilte, kann das Heft demnächst über diese Seite bestellen. Es gibt eine deutsche, eine englische und eine norwegische Version.
Den neuen Longyearbyen-Geo-Führer gibt es in drei Sprachen: deutsch, englisch, norwegisch.
Die Rentierbestände in wichtigen Rentiergebieten im Nordenskiöld Land wie Semmeldalen, Colesdalen und Adventdalen haben sich seit 1994 verdoppelt. Als Ursache wird die Zunahme der Sommertemperaturen um 2 Grad in diesem Zeitraum vermutet, die zu verstärktem Pflanzenwachstum führt. Kehrseite der Medaille ist, dass die Häufigkeit schlechter Jahre mit Hungerperioden und Bestandseinbrüchen sich wegen der instabilen Witterung vergrößert hat. 2012 wird vermutlich das vierte schwierige Jahr für Rentiere im Beobachtungszeitraum werden.
Gleichzeitig hat das durchschnittliche Gewicht um etwa 1 kg pro Tier abgenommen.
Zu den Untersuchungen gehören Bestandszählungen und die Untersuchung von Unterkiefern, deren Einlieferung durch Jäger mittlerweile obligatorisch ist.
Spitzbergen-Rentiere: zahlreicher, aber weniger dran als 1994.
Während der Rest der Welt zuschaute, wie 22 Deutsche und Niederländer einem schwarzweißen Ball hinterherlaufen, bin ich alleine einem schwarzweißen Vogel (ein Schneeammermännchen) hinterhergestapft. Hier ein paar erste Eindrücke aus Westgrönland, demnächst mehr.
Schon seit Ende April scheint in Spitzbergen wieder die Mitternachtsonne, längst legt die Schneeschmelze zur Freude der Rentiere die Tundra wieder frei, die Vögel sitzen auf ihren Nestern und bald werden die Blümchen Farbe ins Land bringen. Nach den Zugvögeln folgen nun die Schiffe menschlicher Besucher wieder ihren Routen in den hohen Norden, in diesen Tagen werden die ersten Kreuzfahrtschiffe Longyearbyen, Ny Ålesund und den Magdalenefjord besuchen und bald folgen kleinere Expeditions- und Segelschiffe.
Da der Inhaber dieser Webseite Weißwangengänsen und Dickschnabellummen nun hinterhereilen wird, wird die Aktualisierung der „Spitzbergen-Nachrichten“ weniger regelmäßig als in den letzten Monaten erfolgen. Aktualisierungen wird es dennoch geben, wichtige Mitteilungen werden ggf. mit leichter Verspätung eingestellt. Dafür wird es wieder eine ganze Reihe neuer Bildergalerien und Reiseberichte von aktuellen Fahrten geben.
Spitzbergen zur Zeit der Mitternachtsonne: Saison auch für Schiffsreisen.
Eine amerikanische Besucherin wunderte sich doch stark, als sie vor Pfingsten in Longyearbyen aus dem Flugzeug stieg und am Gepäckband auf einen ausgestopften Eisbären stieß. Bald darauf fand die Siebzigjährige heraus, dass sie in Spitzbergen gelandet war. Eigentlich hatte sie auf die Lofoten gewollt.
Ursache des kleinen, ungeplanten Umwegs war die Ähnlichkeit der Worte „Svolvær“, dem größten Ort und Flughafen auf den Lofoten, und „Svalbard“, wie die Norweger Spitzbergen nennen: Im Reisebüro fragte die gute Frau nach „Svolvær“ und bekam ein Ticket nach Svalbard, ohne dass der Unterschied irgendwem auffiel. Über die Passkontrolle in Tromø wunderte die Frau sich, schöpfte aber keinen größeren Verdacht.
Nach dem ersten Schreck hat die Dame die ungeplanten Tage in der Arktis mit Tagestouren nach eigenen Angaben genossen, bevor es 2 Tage später ein Ticket für einen Rückflug nach Norwegen gab.
Svalbard (gelber Kreis) und Svolvær (rot): ein kleiner, aber feiner Unterschied.
Feldbiologen haben in Spitzbergen Eiderentenkolonien verglichen und dabei Interessantes zu Tage befördert. Bis Eiderenten in Spitzbergen 1963 unter Schutz gestellt wurden, hat das fast immer rücksichtslos durchgeführte Sammeln von Eiern und Daunen zu einem Bestandsrückgang geführt. Wichtige Brutkolonien liegen überwiegend auf kleinen Inseln, die seit 1973 Vogelreservate sind und daher während der Brutsaison gar nicht mehr betreten werden dürfen. Trotzdem ist der Bestand der Eiderenten im Kongsfjord allenfalls stabil geblieben, aber nicht gewachsen.
Kräftig gewachsen ist hingegen der Bestand im Bellsund, insbesondere auf der kleinen Insel Eholmen, wo ein norwegischer Trapper seit längerer Zeit Daunen sammelt. Durch das behutsame Vorgehen werden die Vögel in ihrem Brutgeschäft nicht gestört, im Gegenteil sorgt der menschliche Schutz vor Räubern wie Eisbär und Eisfuchs dafür, dass die Kolonie für brütende Enten attraktiv ist und sich deutlich vergrößert hat.
Möglicherweise können Eiderenten auch durch den Klimawandel profitieren, etwa wenn das Fjordeis früher aufbricht und die Brutinseln somit für Füchse früher unzugänglich werden.
Eiderenten-Brutkolonie im Adventdalen bei Longyearbyen.
Astronomen erwarten ein Großereignis für die frühen Morgenstunden des 06. Juni, das (je nach Wetter) in Spitzbergen sehr gut zu sehen sein wird: eine Venuspassage, also ein Durchgang des Planeten Venus vor der Sonne. Es gibt etwa alle 130 Jahre jeweils zwei Venuspassagen im Abstand weniger Jahre; da die letzte 2004 war, ist die nun bevorstehende also die letzte Chance, ein solches Ereignis zu beobachten: Die nächste Venuspassage wird für Dezember 2117 erwartet.
Wer nicht von dem Ereignis weiß, wird es verpassen, ohne es wahrzunehmen. Für Astronomen ist eine Venuspassage aber ein Großereignis. Wissenschaftshistorisch sind Venuspassagen sehr bedeutend, da sich etwa durch die gleichzeitige Beobachtung an verschiedenen Orten der Erde die Entfernung zur Sonne berechnen ließ.
Auch von Nordskandinavien aus wird die nun anstehende Venuspassage gut zu sehen sein. Um etwas zu sehen, braucht man ein Fernglas. Unbedingt beachten: Ohne ausreichenden Schutz für die Augen besteht akute Erblindungsgefahr!
Venuspassage, Island 2004. Die Venus ist als dunkler Fleck sichtbar (Pfeil). Das Bild wurde durch ein Fernglas und eine Schweißerbrille aufgenommen.
Gelegentlich gibt es auch gute Nachrichten aus dem Bereich „Umwelt“: Nachdem 2011 eine erschreckend starke Ausdünnung des stratosphärischen Ozons über der Arktis nachgewiesen wurde, ist dieses sogenannte „Ozonloch“ zumindest derzeit natürlicherweise halbwegs „geflickt“: Dieses Jahr hat es keinen vergleichbaren Ozonverlust gegeben.
Grund hierfür sind die wärmeren Temperaturen in der höhen Atmosphäre im Vergleich zum letzten Jahr: Erst Temperaturen unterhalb von -78°C ermöglichen es den „Ozonkillern“ wie FCKWs und anderen künstlich hergestellten Chemikalien, zusammen mit dem wiederkehrenden Sonnenlicht im Frühjahr massenhaft Ozonmoleküle zu zerstören.
Als Filter für schädliche UV-Strahlung ist Ozon in höheren Atmosphärenschichten lebenswichtig für Mensch und Tier. Das Alfred Wegener Institut nimmt an seiner Station in Ny Ålesund regelmäßig wichtige Messungen zum Ozongehalt der Atmosphäre vor.
Die Ermittlungen norwegischer Behörden zum Eisbärenangriff im Tempelfjord auf das Lager einer englischen Jugendgruppe, beim dem im August 2011 ein 17-Jähriger ums Leben kam und vier weitere Personen teilweise schwer verletzt wurden, sind endgültig eingestellt. Ende Februar stellte der Sysselmannen bereits fest, dass aus einer Sicht keine strafrechtlich relevanten Sachverhalten vorliegen, sondern eine „Verkettung unglücklicher Umstände“, möglicherweise auch kritikwürdige Handlungen, aber nichts für die weitere Bearbeitung durch Gerichte (siehe Märznachrichten auf dieser Seite). Diese Entscheidung wurde nun durch die übergeordnete nordnorwegische Staatsanwaltschaft abschließend bestätigt.
Eine eventuelle weitere Verfolgung durch englische Gerichte bleibt hiervon unberührt. Die Eltern des ums Leben Gekommenen behalten sich juristische Schritte vor und bedauern die Entscheidung norwegischer Behörden, die Akten dieses Falles zu schließen.
Der Eisbär, der die Gruppe im Tempelfjord angegriffen hatte, war mindestens so ausgehungert wie dieser magere Bär hier im Duvefjord (Nordaustland), hatte dazu aber noch starke Zahnschmerzen.
Von den Anschlägen in Oslo und auf Utøya am 22. Juli 2011, bei denen insgesamt 77 Menschen getötet wurden, waren auch fünf Jugendliche aus Longyearbyen unmittelbar betroffen. Der rechtsextrem-islamophobe Attentäter, Anders Behring Breivik, wird in Norwegen häufig ABB genannt, um das Aussprechen seines vollen Namens zu verhindern. Von den fünf Jugendlichen aus Longyearbyen verlor der 14-jährige Johannes Buø sein Leben, Viljar Hanssen (18) wurde von fünf Schüssen getroffen und schwer verletzt.
Am Dienstag (22.6.) machte Viljar Hanssen seine Aussage im Osloer Gericht. Zuschauern und ihm selbst zufolge trug er seine Aussage stellenweise sogar mit Humor vor. Er sagte später, dass ihn seine Aussage bei der Verarbeitung des Geschehens große Schritte weitergebracht habe. Auch die Anwesenheit von ABB habe ihn wenig beeindruckt.
Wie überall in Norwegen, riefen die Attentate auch in Longyearbyen große Anteilnahme und Solidarität mit den Betroffenen hervor.
Utøya: früher eine schöne kleine Ferieninsel, seit dem 22. Juli 2011 Ort des größten Verbrechens der norwegischen Nachkriegsgeschichte. (Foto: Wikimedia Commons).
Das 6. Klimasymposium in Ny Ålesund fand vom 21. bis 23. Mai statt. Die Veranstaltung gibt es seit 2006 und wird jährlich durchgeführt, dieses Jahr waren etwa 40 Vertreter aus Wissenschaft, und Politik und Wirtschaft versammelt, darunter der norwegische Handelsminister Trond Giske und E.ON-Chef Johannes Teyssen. Rajendra Pachauri, Vorsitzender des UN-Weltklimarates, musste seine Teilnahme kurzfristig absagen, seine Begrüßungsrede wurde per Video übermittelt. Pachauri wies darauf hin, dass die globale Mitteltemperatur im 20. Jahrhundert um 0,74 % stieg und dass eine Fortsetzung dieses Trends eine weitere Temperatursteigerung um etwa 2,5°C im 21. Jahrhundert mit sich bringen würde. Eine von mehreren Konsequenzen wäre, dass etwa 20-30 % der Weltbevölkerung ihre bisherige Heimat aufgeben müsste.
Große Ergebnisse sind von dem Treffen wohl nicht zu erwarten. Norwegens Handelsminister Giske sandte ein in diesem Zusammenhang zweifelhaftes Signal, indem er etwa zeitgleich andeutete, für die langfristige Weiterführung des Kohlebergbaus auf Spitzbergen offen zu sein. Bislang wurde davon ausgegangen, dass die kürzlich eröffnete neue Grube am Lunckefjell die letzte Kohlegrube Spitzbergens sein soll.
Das sechste Klimasymposium fand wie immer unter den wachsamen Augen Roald Amundsens in Ny Ålesund statt.
Die Pläne der norwegischen Regierung, eine den Regelungen auf dem Festland entsprechende Lotsenpflicht in Spitzbergen einzuführen, stoßen weiterhin auf Kritik und sorgen unter Betroffenen für Beunruhigung. Mittlerweile haben auch führende Mitarbeiter des zuständigen norwegischen Kystverket eingesehen, dass die Vorlage in derzeitiger Form in Spitzbergen für viele Beteiligte nicht praktikabel ist.
Kleine Schiffe, die mit Passagierzahlen im kleinen zweistelligen Bereich teilweise Fahrten von über zwei Wochen Dauer rund um Spitzbergen machen, würden von einer Lotsenpflicht, die umgerechnet mit mehreren hundert Euro zu Buche schlägt, in Spitzbergen akut vom Aus bedroht sein. Betroffen sind prinzipiell alle Schiffe ab 70 Meter Länge, Passagierschiffe aber ab einer Länge von 24 Metern.
Erfahrene Nautiker können sich theoretisch durch Zertifikate von der Lotsenpflicht befreien lassen. Praktisch wäre dies nach der aktuellen Vorlage jedoch nahezu unmöglich. Um nur eines von etlichen Beispielen für die bürokratischen Hindernisse zu nennen: Der Nautiker muss die betreffende Strecke, für die das Zertifikat gilt, in jeder Richtung mindestens sechsmal befahren haben. Dies mag für den in Norwegen vorherrschenden Pendelverkehr von Passagierschiffen durchaus sinnvoll sein. In Spitzbergen werden viele Strecken allerdings fast ausschließlich in einer Richtung befahren, da die meisten Fahrten Umrundungen sind, die traditionell fast immer im Uhrzeigersinn ausgeführt werden.
Durch derartige Regelungen wären auch Kapitäne mit langjähriger Erfahrung nicht in der Lage, sich zertifizieren und somit von der Lotsenpflicht befreien zu lassen. Ob die offiziellen Lotsen überhaupt Wissen einbringen könnten, dass diese Kapitäne nicht ohnehin längst haben, steht noch auf einem ganz anderen Blatt.
Die Lotsenpflicht soll schrittweise bis 2014 eingeführt werden. Eine Entscheidung ist für Juni angekündigt.
Die MS Stockholm im Treibeis an der Nordküste Spitzbergens. Das Schiff und ihr Kapitän gehören zu den Veteranen der Schifffahrt in Spitzbergen.
Norwegens arktischer Norden (1): Spitzbergen
vom Polarlicht bis zur Mitternachtssonne. Ein erzählend-informativer, üppig illustrierter Bildband, thematisch und geographisch rund um die schönen Inseln im Norden.